Sonntag, 2. September 2018

Vom Voten zum Conciden - Astrid Köppel und Angelika Nürnberger von NEWWORKABLES im Gespräch

Immer auf der Jagd nach Innovationen im Kontext der Führung mit digitalen Hilfsmitteln, bin ich vor einigen Wochen auf eine neue App mit dem Namen CONCIDE gestoßen. Diese wird von ihren Gestaltern als Software und innovative Thoughtware beschreiben. Dies und weitere Informationen zu CONCIDE haben mich sehr neugierig gemacht. Da ich eine der Schöpferinnen von CONCIDE, Astrid Köppel, bzw. das dahinter stehende Start-up NEWWORKABLES kenne, nutze ich gern diese Möglichkeit, mehr über CONCIDE zu erfahren.

Im Gespräch: Astrid Köppel & Angelika Nürnberger
Wald: Herzlichen Dank bereits an dieser Stelle, dass ich Ihnen einige Fragen zu NEWWORKABLES und CONCIDE stellen kann.
Köppel: Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an unserem Start-up und an unserem ersten Produkt CONCIDE. Das gibt uns die Gelegenheit, unsere App vorzustellen und das Novum, vor allem auch im Vergleich zu üblichen Voting-Apps aufzuzeigen.
Nürnberger: Auch ich freue mich sehr, dass in der Lehre CONCIDE auf Interesse stößt. Mit vollem Einsatz ist das gesamte Team um CONCIDE dabei, eine Neuheit in die Welt zu bringen, die die Unternehmenswelt nachhaltig verändern kann.

Wald: Vornweg gefragt: Was sollten meine Leserinnen und Leser über NEWWORKABLES wissen?
Köppel: NEWWORKABLES ist ein Start-up aus dem Fichtelgebirge in Oberfranken, das die neue Arbeitswelt mitgestaltet. Unsere Software baut Brücken zu neuen Ansätzen des Arbeitens in Unternehmen und Organisationen. CONCIDE ist unser erstes Produkt, eine App, die zu besseren Gruppenentscheidungen in Unternehmen und Organisationen führen kann. Als NEWWORKABLES stehen wir für Nicht-Linearität, Augenhöhe, Ermächtigung, Klarheit und Miteinander. Diese Qualitäten leben wir auch in der Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern. Und lassen uns auch daran messen.

Wald: Ich war fasziniert zu lesen, dass mit CONCIDE jede Alternative ernst genommen und keine Idee vorschnell abgewürgt wird. Welche Idee steckt hinter CONCIDE?
Köppel: Bei CONCIDE geht es nicht darum, Pro- und Contra-Stimmen zu einer zur Wahl stehenden Alternative zu ermitteln - das schafft „Gewinner“ und „Verlierer“. Die in der App umgesetzte Methode des „Systemischen Konsensierens“ misst den Widerstand gegenüber allen zur Verfügung stehenden Alternativen. So wird die Höhe der Akzeptanz zum Maßstab für die Qualität des Entscheidungsergebnisses. Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie merken, dass Ihre Vorschläge ernst genommen werden, genauso wie Ihre Bedenken? Dass es interessiert, warum Sie Widerstand haben? Dass das soweit führen kann, dass Lösungsansätze angepasst werden, weil Ihre Bedenken einbezogen werden? Wenn die Lösung umgesetzt wird, die in der gesamten Gruppe den geringsten Widerstand hervorruft, dann stehen die beteiligten Menschen hinter der Entscheidung und setzen diese als „ihre Lösung“ engagiert um.

Wald: Können Sie die Funktionsweise anhand eines Beispiels kurz erläutern?
Nürnberger: Ein Mitarbeiter, der sogenannte „Raumhalter“ eröffnet den „Entscheidungsraum“. Dort erfasst er das Thema und mindestens einen Lösungsvorschlag, sowie die Zeitplanung für den Entscheidungsprozess. Danach lädt er die Personen ein, an der Entscheidung mitzuwirken, die er aufgrund ihres Wissens oder ihrer Erfahrung für dieses Thema für geeignet hält. Die erste Phase ist dann ein kreativer Prozess, bei dem alle Mitentscheider, die „Concider“, weitere Alternativen eingeben und Kommentare zu den bereits eingegebenen Alternativen abgeben können. Dafür gibt es ein klares Zeitfenster, das abhängig von der Komplexität des Themas durch den Raumhalter vorgegeben wird. Nach Ablauf dieser Frist geben alle am Entscheidungsprozess Beteiligten ihre Widerstände gegenüber allen Alternativen ein. Auch hierfür gibt es eine Frist. So wird über die App schnell ersichtlich, gegenüber welchem Lösungsvorschlag der Widerstand in der gesamten Gruppe am niedrigsten ist.

Wald: Welche Vorteile verspricht die Anwendung von CONCIDE?
Köppel: In der Regel entscheiden wir heute nach dem Mehrheitsprinzip, oder hierarchisch. Entweder der „Chef“ muss gleich alleine qua seiner übergeordneten Position entscheiden, oder es gibt einen partizipativen Ansatz, bei dem zumindest alle gefragt werden. Oft kommen dabei langwierige Diskussionen als Pingpong von Argumenten heraus, bei denen sich die Meinungsführer ihren Raum nehmen. Stillere Kollegen kommen kaum dazu, sich einzubringen oder verzichten freiwillig – in diesen Mitarbeitenden stecken aber oft gute kreative Ideen, die viel zu selten einbezogen werden. Wenn dann mittels „Wer ist dafür“ und „Wer ist dagegen“ abgestimmt wird, geht es darum, möglichst viele Pro-Stimmen auf eine Alternative zu vereinen, damit diese zur Umsetzung kommt. Eine wunderbare Arena für Machtspiele! CONCIDE nimmt solchen Machtgebaren den Wind aus den Segeln. Denn gestaltet wird eine Lösungsmöglichkeit, die bei den anderen Gruppenteilnehmern zu möglichst wenig Widerstand führt, weil sie deren Belange bewusst berücksichtigt. Gefunden werden Lösungen, zu deren Umsetzung es keine Anordnungen, Kontrolle und Versprechen von Incentives benötigt.

Ein Blick auf CONCIDE
Wald: Gab oder gibt es vielleicht Erfahrungen, die Sie mit CONCIDE im Einsatz bei Pilotkunden gemacht haben?
Nürnberger: Ja, ich habe mit der Vorgehensweise von CONCIDE einige Beispiele erlebt, in denen es zu verantwortlicheren Entscheidungen im Unternehmen kam, nachdem die Methode eingesetzt wurde – damals aber alles noch analog mit einer Flipchart. Ein kleines Beispiel zur Erläuterung: Der Leiter eines Labors hatte seinem Team eine Entscheidung über die mögliche Anschaffung einer neuen Spüle überlassen. Das Team aus 4 Personen entschied sich für eine teure Edelstahlspüle, die der Einkauf nun besorgen sollte. Der Einkäufer kam wütend auf mich zu und fragte, was er nun tun solle, da er die Entscheidung für unverantwortlich hielt. Also haben wir das Team zusammengeholt und gefragt, welche Alternativen sie in Betracht gezogen haben. Es gäbe keine, sagte man uns. „Und wenn es Ihr Geld wäre?“, fragte ich und stellte eine Alternative vor: „Was, wenn wir eine gebrauchte Spüle kaufen?“ „Gebraucht kaufen wir nie etwas“, meinten einige. „Und wäre es eine Alternative?“ „Nur mit einer Garantie.“ Man einigte sich auf 3 Jahre Garantie. So schrieb ich auf die Flipchart: 1. Alternative: Spüle neu aus Edelstahl, 2. Alternative: gebraucht, 3 Jahre Garantie. Und dann begann das kreative Spiel um die Suche nach weiteren Alternativen. Neben einer Spüle in Emaille, einer in Alu, der Möglichkeit, die alte Spüle doch noch einmal zu reparieren, gab es zum Schluss 10 Alternativen! Sodann haben wir den Widerstand jedes Teammitglieds gegen all diese Alternativen gemessen und siehe da, der geringste durchschnittliche Widerstand des Teams hatte 2 Alternativen als Lösung. Und beide waren nicht die teure Edelstahlspüle! So konnte der Einkäufer die beiden Alternativen kostenseitig prüfen. Das Schöne dabei: Alle Beteiligten gingen zufrieden aus der Besprechung und ganz nebenbei wurde eine verantwortliche Lösung für das Unternehmen gefunden.

Wald: Was entgegnen Sie Kritikern, die nichts vom Einsatz von digitalen Hilfsmitteln bei Organisationsentwicklungsmaßnahmen halten?
Köppel: Gute digitale Tools gut eingesetzt können meiner Meinung sehr wohl auch einen Mehrwert in der Organisationsentwicklung bringen. Viele Unternehmen und Organisationen sind dezentral und international aufgestellt. Menschen sind also nicht zwangsläufig zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Ein Aspekt von CONCIDE ist es, dass Entscheidungen nicht nur von Menschen getroffen werden, die qua ihrer hierarchischen Position die scheinbare „Entscheidungskompetenz“ haben – oft haben diese gar nicht ausreichend Einblick in eine Thematik – sondern von denjenigen, die etwas mit dem Thema zu tun haben oder relevantes Wissen und Erfahrungen einbringen können. Durch den strukturierten Prozess der App kann die gemeinsame Entscheidung zeit- und ortsunabhängig durchgeführt werden. Jeder kann am Entscheidungsprozess teilnehmen, wann es am besten in den Tagesablauf passt. Dies gilt natürlich nicht nur für internationale Strukturen, sondern kann einen Mehrwert schon innerhalb eines Standortes bringen, z. B. wenn flexible Arbeitszeit- oder Homeoffice-Modelle bestehen. Ein gemeinsames Meeting zu organisieren, wird da bisweilen schon sehr aufwändig - mit der App kann man sich viele solcher Meetings sparen und die Qualität der Entscheidung kann sehr hoch sein, wenn jeder sich die Zeit dafür nimmt, in der er sich dem Entscheidungsthema voll widmen kann. Und: durch die App ist es auch möglich, anonym abzustimmen.

Wald: Ganz herzlichen Dank für die Informationen. Ich wünsche Ihnen mit CONCIDE viele nachhaltige Erfolge.
Köppel und Nürnberger: Vielen Dank für das Gespräch. Wir hoffen, Ihnen die Vorteile von CONCIDE als App und tiefgreifendes Veränderungsinstrument aufgezeigt zu haben. Und wir freuen uns über interessierte Kunden, die Lust haben, CONCIDE in ihren Unternehmen oder Organisationen einzuführen. Über Trainer, Coaches, Unternehmensberater, die Interesse haben, selbst CONCIDE-Trainer zu werden freuen wir uns ebenso und verweisen auf unsere aktuelle Homepage.

Meine Gesprächspartnerinnen waren Astrid Köppel und Angelika Nürnberger. Beide stehen hinter NEWWORKABLES und CONCIDE. Sie bringen über 20 Jahre in der Führung von Unternehmen und Organisationen, zwei Diplome und einen Master-Abschluss mit. Beide sind im Fichtelgebirge aufgewachsen, waren in der Welt unterwegs und sind mit Bündeln voller Erfahrung und Lebenskompetenz nach Franken zurückgekehrt. Die beiden Frauen haben sich kennengelernt, als Astrid Köppel ihre Masterarbeit im Rahmen eines berufsbegleitenden Masterstudiums Organisationsentwicklung über einen unternehmerischen Transformationsprozess geschrieben hat, durch den Angelika Nürnberger zu dieser Zeit führte.

Zu Astrid Köppel: Die Schwerpunkte ihres Wirkens liegen bei echter Beteiligung und gemeinsamen Entscheidungsprozessen. Dabei sind Alternativen- und Perspektivenvielfalt ausdrücklich erwünscht. Sie begleitet Unternehmen und Organisationen dabei, dies als Mehrwert zu erkennen und gezielt zu nutzen. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit Lernen in Unternehmen und Organisationen und bringt die neuen Ansätze des Corporate Learning auch in mittelständische Unternehmen.

Zu Angelika Nürnberger: Als Geschäftsführerin hat sie mit dem Team eines mittelständischen Industrieunternehmens mit ca. 100 Mitarbeitern in einem 5-jährigen Prozess, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit erforscht. Damals wurde Pionierarbeit geleistet. Es ging darum, wieder mehr Verantwortung, authentisches Miteinander und Spaß beim Arbeiten zu gewinnen. Zudem hat sie mit ihren Kollegen firmeneigene IT-Lösungen entwickelt. Als Angelika das Familienunternehmen vor eineinhalb Jahren verließ, war schnell klar, dass Astrid und sie ein IT- und Beratungsunternehmen gründen wollten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen