Freitag, 6. Januar 2017

Talent Intelligence und mehr - 5 (+1) Frage/n zu den Erwartungen an das Personalmanagement

Über Personaler und das Personalmanagement wird im Moment viel gesprochen - weniger mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen waren für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Dominik A. Hahn, einem HR-Insider ohne HR-Ausbildung, dem es im Rahmen von Veranstaltungen und durch Informationen im eigenen Blog sehr oft gelingt, ganz eigene Akzente bei den derzeit laufenden Diskussionen zu setzen. Ich danke ihm bereits jetzt für seine Teilnahme und bitte ihn, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich meine Fragen an:

Heute im Gespräch: Dominik A. Hahn
Hahn: Ich bin kein Personaler. Ich habe nie eine Personalvorlesung besucht, geschweige denn jemals daran gedacht, im HR-Bereich zu arbeiten. Als Medien- und Kommunikationswissenschaftler wollte ich entweder Journalist oder PR-Berater werden. Der Zufall führte mich letztlich ins Personalwesen. Und ein weiterer zur Allianz SE, der Holding-Gesellschaft der Allianz Gruppe. Parallel dazu gründete ich die HR Failure Night, eine Veranstaltungsreihe für HR-Intrapreneure, die sich auf begangene Fehler und den Lessons Learnt daraus konzentriert.

Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Hahn: Nach einigen Stationen im Personalmarketing, Global Employer Branding und E-Recruiting – also der Entwicklung und Implementierung von (mobilen) Online-Bewerbungstools – bin ich derzeit für den Aufbau von Active Sourcing Einheiten innerhalb des Unternehmens zuständig. Speziell hier besteht eine enge Verzahnung mit dem Talent Management, die für den Aufbau von internen Pipelines bzw. Nachfolgeplanungen verantwortlich sind. Wir werden in Zukunft sehen, dass Sourcing und Talent Management sehr eng zusammenrücken, wenn nicht gar verschmelzen werden. Die Tätigkeiten ähneln sich stark und auch eine gemeinsame IT-Plattform in Form eines Candidate Relationship Management Systems lässt beide Funktionen Seite an Seite arbeiten.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Hahn: Nun, das kommt wohl auf das jeweilige Unternehmen an. Überall dort, wo HR kein reiner Prozess-Gehilfe ist, sondern aktiv in die Beratung geht, neue Dinge wagt und an der Speerspitze des digitalen Wandels steht, wird das Personalressort hoch geschätzt. In allen anderen Fällen haben die Personaler zurecht ein angestaubtes und auf die reine Admin-Funktion beschränktes Image.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Hahn: Weil die Services oft einfach nicht stimmen. Weil man gerne an Prozessen festhält, anstatt dem Business zu helfen. Weil HR in vielen Fällen den Wandel, der sich „da draußen“ abspielt, lange Zeit verschlafen hat. Und das wiederum hat auf der einen Seite viel mit dem Mindset der Personaler zu tun, auf der anderen Seite aber auch mit fehlendem Druck. Vieles lief bisher ja gut. Man fand die Leute, die man brauchte. Man konnte sie halten, einmal entwickelte Trainingskonzepte konnte man Jahre wiederverwenden und die Kommunikationsaufgabe überließ man der Unternehmenskommunikation. Nur: mit der Globalisierung, der von Unternehmensseite selbst geforderten Mobilität der Mitarbeiter, dem permanenten Entstehen neuer Jobprofile und den sich verändernden Erwartungen aktueller und neuer Mitarbeiter kommen die althergebrachten Konzepte ins Wanken. HR muss nun auf einmal agil werden. Dinge nicht Jahre lang im stillen Kämmerlein entwickeln und dann sachte einführen. Nein, nun muss man schnell sein. Transparent sein. Stakeholder von Beginn an einbeziehen. Darauf gefasst sein, Fehler zu machen und Widerspruch zu ernten. Für viele ist das ungewohnt. Und die wenigsten Menschen nehmen Veränderungen freudig auf. Da nehme ich mich selbst nicht aus.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Hahn: Nehmen wir doch das Beispiel einer Stellenbesetzung. In vielen Personalabteilungen schreibt der Fachbereich das Job Posting. Ist ja auch fein. Schließlich haben die das Expertenwissen. Hier ist schon Denkfehler eins. Als Business Owner erwarte ich, dass der Recruiter sich a) in Grundzügen mit meiner Thematik auskennt und b) generell die Ausschreibung auf Wortwahl, Attraktivität und SEO hin überprüft und anpasst. Denkfehler zwei passiert im Rahmen der Ausschreibung auf externen Stellenbörsen. Oft beauftragt der Fachbereich das Posten auf ihm bekannten Plattformen. Das wird meist ohne Hinterfragen von der Recruiting-Abteilung so hingenommen. Schließlich zahlt der Fachbereich. Auch hier erwarte ich jedoch eine tiefer gehende Beratung. Ich möchte wissen, welche Stellenbörsen gut performen im Sinne von Traffic und Conversion. Ich möchte wissen, in welcher Stadt meine gesuchten Skills am häufigsten anzutreffen sind. Ich möchte wissen, wie viele Männer und Frauen es auf dem Markt gibt, wie viele und welche anderen Unternehmen dieselbe Funktion suchen und wie diese dort angesiedelt ist. Ich möchte wissen, wie viel eine solche Person verdient und wie lange Menschen mit den gesuchten Skills in einem Unternehmen verweilen. HR muss mir sagen können, ob eine Stellenanzeige überhaupt Sinn ergibt oder ob man direkt aktiv nach diesen Leuten suchen sollte. Oder vielleicht hat man genau diese Person schon im Unternehmen? Oder müsste einen dafür passenden Mitarbeiter nur ein wenig schulen? All diese „Talent Intelligence“ muss Personal mir liefern können. Erst dann kann ich sie als Business ernst nehmen.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Hahn: Ich bin fest davon überzeugt, dass der Personaler der Zukunft drei Kernfähigkeiten beherrschen muss: Er muss beraten können, er muss Technik verstehen und er muss die Strategie des Unternehmens in konkrete Maßnahmen für HR übersetzen können. Eine Art Prognose für diverse HR-Funktionen und was in den kommenden fünf bis zehn Jahren auf sie zukommt, habe ich auf meinem Blog unter dem Titel „Wann HR überflüssig sein wird“ skizziert.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Hahn: Generell kann ich nur jedem raten, während der Studienzeit so viele Praktika wie möglich zu machen. Dafür können auch gut und gern ein oder zwei Semester „drauf gehen“. Relevante Berufserfahrung einerseits und das konkrete Wissen, wie es in HR abläuft und was einem gefällt oder eben nicht, sind mit nichts aufzuwiegen – auch und gerade keinem schnellen Abschluss. Zudem empfehle ich, sich so viele Personalfunktionen anzusehen wie möglich: Recruiting, Personalmarketing, Talent Development, Learning, HR-IT-Abteilungen, Teams, die sich mit internationalen Entsendungen beschäftigen oder im HR Business Partner Bereich – das Personalwesen ist eine unglaublich abwechslungsreiche Arbeitswelt. Unter anderem ein Grund, weshalb ich es dort nun schon seit sieben Jahren „aushalte“ ;-)

Wald: Lieber Herr Hahn, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, zahlreiche neue Ideen und immer offene Ohren.

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