Peter: Lieber Thorsten kannst Du Dich und Deinen Werdegang kurz vorstellen?
Thorsten: Sehr gern, Peter! Ich bin Thorsten Richter – viele nennen mich einfach Toschi. Ursprünglich aus Hamburg mit familiären Wurzeln in Sachsen, bin ich Jurist und Professor mit langjähriger Praxiserfahrung, insbesondere im Arbeitsrecht. Aktuell bin ich Gründer von INMEVIA AI. Wir unterstützen Unternehmen dabei, KI verantwortungsvoll und sicher zu nutzen – stets mit klarem Fokus auf Menschlichkeit, rechtlicher Sicherheit und praktischer Anwendbarkeit.
Peter: Wo siehst Du die wichtigsten Einsatzfelder von KI-Lösungen im rechtlichen Bereich?
Thorsten: Die zentralen Einsatzfelder von KI im rechtlichen Bereich liegen klar in der Unterstützung von Jurist/innen und Anwält/innen bei der Lösung von Rechtsfällen. KI ermöglicht insbesondere eine deutliche Zeitersparnis und eine höhere Präzision, etwa bei der automatischen Erstellung und Prüfung von Dokumenten, Verträgen oder Klageschriften. Zudem unterstützt KI bei der Kommunikation mit Streitparteien und bei der Mediation im innerbetrieblichen Streitausgleich. Mit spezialisierten KI-Tools lassen sich systematisch und effizient komplexe juristische Sachverhalte erfassen, relevante Vorschriften identifizieren und strukturierte juristische Prüfungsschemata erstellen. Ein besonderer Mehrwert liegt dabei in der Möglichkeit, KI gezielt für die Erkennung typischer Fehlerquellen oder Haftungsrisiken einzusetzen, um proaktiv Streitfälle zu vermeiden und rechtliche Qualität zu sichern. Letztlich geht es darum, die juristische Arbeit nicht zu ersetzen, sondern wirkungsvoll zu ergänzen und Anwält/innen dabei zu begleiten, bessere und effizientere Entscheidungen zu treffen
Peter: Ich habe Dich ja für einen Einsatz als Host auf einem Event mit dem Schwerpunkt HR gewinnen können. Wo lassen sich Einsatzmöglichkeiten von KI mit Bezug zum Arbeitsrecht finden?
Thorsten: Künstliche Intelligenz (KI) wird sich im arbeitsrechtlichen Bereich als vielseitiges Werkzeug etablieren, da bin ich mir sicher. KI wird sowohl von Arbeitsrechtsanwälten als auch von nicht-juristschen Mitarbeitern von HR-Abteilungen genutzt werden.
Für Arbeitsrechtsanwälte:
- Vertragsanalyse und -prüfung: KI-gestützte Tools ermöglichen die automatisierte Analyse von Arbeitsverträgen, um potenzielle Risiken und Unstimmigkeiten frühzeitig zu erkennen.
- Rechtsrecherche: Durch den Einsatz von KI können relevante Gesetzestexte, Urteile und Literatur effizienter durchsucht und ausgewertet werden.
- Vorbereitung auf Gerichtsverfahren: KI kann bei der Analyse von Fallakten helfen, indem sie Muster erkennt und relevante Präzedenzfälle identifiziert.
- Recruiting-Prozesse: KI wird eingesetzt, um arbeitsrechtskonform Bewerbungen zu sichten, Kandidatenprofile zu analysieren und passende Bewerber vorzuschlagen.
- Einige Unternehmen nutzen KI zur Analyse von Mitarbeiterleistungen, um Schulungsbedarfe zu identifizieren - hier sind arbeitsrechtliche Grenzen zu berücksichtigen.
- Vertragsmanagement: KI unterstützt bei der Erstellung und Verwaltung von Arbeitsverträgen, indem sie Standardklauseln vorschlägt, auf rechtliche Änderungen hinweist und an innerbetriebliche Anforderungen anpasst.
Peter: Kannst Du dies vielleicht anhand kleinen Beispiels erläutern?
Thorsten: Sehr gern. Ein klassisches Beispiel ist der Einsatz eines KI-gestützten Vertragsgenerators in einem mittelständischen Unternehmen. Die Personalabteilung erstellt damit automatisch rechtskonforme Arbeitsverträge für neue Mitarbeitende, angepasst an interne Standards und aktuelle gesetzliche Regelungen. Zusätzlich bietet das System Erklärhilfen und Schulungsfunktionen, um auch weniger erfahrene HR-Mitarbeitende sicher durch den Vertragsprozess zu führen. Bei jeder Eingabe prüft das System die Vertragsinhalte auf typische Fehler, wie z. B. fehlende Befristungsbegründungen oder problematische Klauseln zur Arbeitszeiterfassung. Zusätzlich wird ein Hinweis auf relevante Fristen oder Mitbestimmungsrechte eingeblendet. Die Personalabteilung spart so Zeit, erhöht die Rechtssicherheit und kann sich stärker auf den menschlichen Aspekt des Onboardings konzentrieren.
Peter: Was kommt auf die Personaler im Kontext von KI und Arbeitsrecht zu?
Thorsten: Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in den HR-Bereich bringt für Personalverantwortliche sowohl Chancen als auch erhebliche Herausforderungen mit sich.
- Neue gesetzliche Anforderungen: Mit dem Inkrafttreten der EU-KI-Verordnung (AI Act) am 1. August 2024 wurden klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI geschaffen. Insbesondere Anwendungen im HR-Bereich, wie KI-gestützte Bewerberauswahl oder Leistungsbeurteilungen, gelten oft als Hochrisiko-Systeme und unterliegen daher strengen Anforderungen hinsichtlich Transparenz, Nachvollziehbarkeit und menschlicher Kontrolle.
- Datenschutz und Mitbestimmung: Der Einsatz von KI-Systemen muss stets im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehen. Automatisierte Entscheidungen, die rechtliche Wirkung entfalten oder Mitarbeitende erheblich beeinträchtigen, sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Zudem sind Betriebsräte frühzeitig einzubeziehen, insbesondere wenn KI-Systeme zur Leistungsüberwachung oder Verhaltensanalyse eingesetzt werden.
- Fachliche und ethische Kompetenzen: Personaler müssen sich nicht nur mit den technischen Aspekten von KI auseinandersetzen, sondern auch ethische Fragestellungen berücksichtigen. Dies umfasst die Sicherstellung von Fairness, Vermeidung von Diskriminierung und Gewährleistung der Transparenz von KI-gestützten Entscheidungen. Eine kontinuierliche Weiterbildung und Sensibilisierung für diese Themen ist unerlässlich.
- Strategische Integration von KI: KI sollte nicht isoliert, sondern als integraler Bestandteil der HR-Strategie betrachtet werden. Dies beinhaltet die Entwicklung klarer Richtlinien für den KI-Einsatz, die Definition von Verantwortlichkeiten und die Schaffung von Mechanismen zur Überwachung und Bewertung der KI-Systeme. Eine enge Zusammenarbeit mit IT, Rechtsabteilung und Betriebsrat ist hierbei entscheidend.
Peter: Und jetzt kommt meine Abschlussfrage, die ich allen Unterstützern des Events stelle. Warum kommst Du zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Thorsten: Ich freue mich auf den HR Innovation Day, weil er eine einmalige Gelegenheit bietet, von anderen Referenten, ihren KI-Anwendungsbeispielen und ihrer Praxiserfahrung zu lernen. Gleichzeitig bietet der HR Innovation Day für mich die passende Gelegenheit, eine Idee zu teilen, die mich aktuell sehr beschäftigt: ein gemeinsames Forschungsprojekt mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht unter dem Arbeitstitel „KI-Arbeitsrechtsexperte werden in 14 Tagen“. Ich möchte ausloten, inwiefern dieses Projekt Personalverantwortliche dabei unterstützen kann, KI sinnvoll mit arbeitsrechtlichem Know-how und einer menschenzentrierten Perspektive zu verbinden.
Peter: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Ich freue mich auf Deinen Workshop.
Thorsten: Ich danke Dir, Peter – für die Einladung, die inspirierende Idee hinter dem HR Innovation Day und die Möglichkeit, diesen Austausch mitzugestalten. Ich freue mich sehr auf Leipzig, die Teilnehmenden und spannende Impulse rund um HR und KI!
Prof. Dr. iur. Thorsten S. Richter ist führender Experte für die Verbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Unternehmertum. Mit seiner langjährigen Erfahrung in Wirtschaft, Recht und Unternehmensberatung zeigt er, wie KI nicht nur Prozesse automatisiert, sondern strategische Unternehmensentscheidungen auf ein neues Niveau heben kann. Als Gründer des Praxisinstituts für Wirtschaft, Recht und KI und INMEVIA.AI vermittelt er praxisnah, wie KI-Tools in Unternehmen integriert werden können – von Start-ups bis zu etablierten Konzernen. Sein Ziel besteht darin, Unternehmern, Entscheidern und Beratern das Wissen und die Werkzeuge an die Hand zu geben, um KI effektiv und gewinnbringend einzusetzen. Mit seiner umfassenden Erfahrung als Wirtschaftsrechtsprofessor, Unternehmensberater und KI-Stratege bringt Prof. Richter Theorie und Praxis zusammen – stets mit dem Fokus auf umsetzbare, sofort anwendbare Lösungen für den modernen Geschäftsalltag. In den aktuellen Büchern „KI-Jurist/in werden in 14 Tagen“ und „KI-Unternehmer/in werden in 14 Tagen“ hat er seine Erfahrungen praxisorientiert aufbereitet und hilft damit Hürden bei der KI-Nutzung abzubauen und anwendungsorientiertes Wissen zu vermitteln.
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