Donnerstag, 29. Dezember 2016

Von „was mit Menschen“ hin zu „was mit Menschen UND Technik“ - 5 (+1) Frage/n an Stefan Reiser

Überall wird über Personaler und das Personalmanagement viel gesprochen - weniger wird mit Personalern gesprochen. Bei diesen Diskussionen dreht sich alles um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese m. E. oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Stefan Reiser, einem renommierten HR-Blogger sowie Social Media- und HR BarCamp-Bekannten, dem ich vornweg herzlich für das Gespräch danke und bitte, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Heute im Interview:
Stefan Reiser
Stefan: Hallo Peter! Danke für die Einladung, in Deinem Blog ein paar Gedanken zu status quo und Zukunft von HR los zu werden. Ich bin Personaler bei der Lechwerke AG in Augsburg (einem regionalen Energieversorger und Teil der RWE/Innogy-Gruppe) und kümmere mich dort in erster Linie um Employer Branding und Personalmarketing. Nebenher bin ich Turngerät für meinen zweijährigen Sohn und schreibe regelmäßig auf personalblogger.net zu HR-Themen, die mich umtreiben.

Peter: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Deine Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Deine konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Stefan: In unserem bunt gemischten strategischen HR-Team zeichne ich für das Employer Branding und das Personalmarketing verantwortlich. Hier ging es in 2016 insbesondere um ein neues Stellenanzeigenkonzept, die Website inkl. Analytics sowie die Redaktion von HR-Content für unseren Facebook-Corporate-Channel. Ein knappes Drittel meiner Zeit fließt des Weiteren in die Organisation unserer Mitarbeiterbefragung und ins HR-Controlling. Wenn es Arbeit und Sohn zulassen, ist dann auch mal ein Text auf Personalblogger.net zu aktuellen HR-Themen, mit denen ich mich beschäftige, drin - zuletzt ging es z.B. um die Google Cloud Jobs API, Unternehmenskultur und den „HR-Datedoctor“.

Peter: Wie schätzt Du den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Stefan: Ich glaube ja, dass es diesen EINEN Status gar nicht gibt. Wenn wir in die meisten Unternehmen schauen, sind das ja mindestens zwei; einmal für die administrative Rolle und einmal für die strategischere. Beim administrativen Part ist HR anerkanntermaßen nötig und grundsolide. Jeder bekommt pünktlich sein Gehalt und den Papierkram kriegen wir auch ordnungsgemäß hin. Ein paar Jahre mag das noch eine ausreichende Existenzberechtigung sein… Wenn es um eine wie auch immer ausgestaltete Business-Partner-Rolle der Personalfunktion oder um Talent Acquisition geht, wird es leider düster: Da klafft nicht nur Leistungsversprechen und Kundenerfahrung auseinander, da gibt es – so nehme ich das wahr – auch innerhalb von HR nicht unbedingt Einigkeit, wohin der richtige Weg denn führt.

Peter: Was meinst Du, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Stefan: Da will ich einfach mal zwei Beispiele herausgreifen. Aus allen Ecken ruft HR gerade selbst nach eine Gestaltungs- und Führungsrolle bei der Digitalisierung von Unternehmen. Funktional mag das ja richtig bei uns aufgehoben sein. Bei der vielfach belegten und sichtbaren Technikaversion, die Personaler mit sich herumtragen, stelle ich mir aber schon die Frage, warum uns das eigentlich jemand ernsthaft zutrauen sollte??? Personaler wird man ja schließlich, weil man was „mit Menschen“ machen will, nicht „mit Technik“. Wenn wir uns mit Technik, im Kern aber mit Bewältigung von Komplexität und schnellem Bereitstellen von Lösungen für die Herausforderungen des Business schwer tun, dann braucht man sich nicht wundern, wenn Personal nicht aus der Admin-Ecke raus kommt. Das zweite Beispiel kommt aus der Recruiting-Kontext: HR sollte inzwischen begriffen haben, dass das Gewinnen von Talenten kein Selbstläufer ist, in vielen Funktionen einer vertrieblichen Aufgabe gleich kommt und maue Prozesse sowie schlechte Eignungsdiagnostik am langen Ende richtig viel Geld kosten. Dass das konsequent durchdacht und Schlüsse daraus gezogen werden, sehe ich (und vermutlich interne Kunden auch) viel zu selten. Da verharrt man in alten Routinen, obwohl die nicht die richtigen Ergebnisse liefern oder hält (sämtliche wissenschaftlichen Erkenntnisse ignorierend) an eignungsdiagnostischem Hokuspokus fest.

Peter: Wo siehst Du in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Stefan: Mir geht es gar nicht so um Leistungen und Angebote. Meine These ist ja, dass es in erster Linie einen Turnaround im Mindset braucht. Wenn die (unternehmensinterne) Personalfunktion sich nicht bald eine grundlegende Technikaffinität/digital literacy zulegt und in ihren Arbeitsweisen effizienter und wendiger wird, werden sich viele Leistungen und Angebote von selbst erledigen bzw. halt von anderen (externen) erbracht. Also weg vom „was mit Menschen“, hin zu „was mit Menschen UND Technik“. Ich sage nicht, dass das im Einzelfall einfach ist – aber anders wird’s nicht gehen.

Peter: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Stefan: Peter, das weiß kein Mensch. Wenn ich mir alleine anschaue, was sich technisch und demographisch in den letzten 3 Jahren getan hat und was alles vor der Türe steht, sind Prognosen auf 10 Jahre im Moment wirklich mutig. Wer hat 2013 was davon geahnt: über 1 Mio. potenzielle neue Arbeitskräfte in Deutschland, machine learning, Donald Trump, blockchain, den Brexit, Echo, Alexa, autonomes Fahren, die teilweise Aufgabe der Fließbandfertigung bei AUDI. Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Ich bin beeindruckt vom Tempo, mit dem sich gerade Wirtschaft, Politik und Technik verändern; und all das hat unmittelbaren oder zumindest indirekten Einfluss auf HR. Was das konkret für das Portfolio von HR und die Profession in 10 Jahren heißt? We’ll see. Wovon ich aber überzeugt bin: Die Personaler müssen raus aus dem Strandkorb, ab aufs Brett und rauf auf die Welle. Sonst surfen halt andere.

Peter: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfiehlst Du den jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Stefan: Ein richtig guter Kumpel von mir hat 1999 zu mir gesagt, „Komm, lass uns html lernen und Websites programmieren“. Meine Antwort war damals: „Hey, ich studier Erziehungswissenschaften, was will ich mit websites!?“ Junge Personaler und Studierende sollten m.E. nicht nur mit einem Auge, sondern so richtig genau darauf schauen, was sich bei Themen tut, die heute auf den ersten Blick noch nichts mit HR zu tun haben. Nicht nur wegen IoT: Alles wächst zusammen.

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