Wald: Lieber Herr Dr. Liebert, mit dem umfangreichen Titel Ihrer Keynote wecken Sie die Erwartung, von Ihnen alles über modernes Lernen zu erfahren. Wie werden Sie dies schaffen?
Liebert: So ganz genau weiß ich das, ehrlich gesagt, noch nicht. Ich wähle meist das Thema aus, das ich interessant finde und überlege mir dann, was ich genau mache. In der Regel erst kurz vor dem Termin, es passiert ja mittlerweile wirklich täglich was Neues :-) Ich hatte, kurz bevor Sie bei mir angefragt hatten, das Thema Mechanical Turk von Amazon genauer angeschaut und fand da sofort Parallelen zu vielen Sachen, die ich auch im Bereich Corporate Learning beobachte.
Wald: Wo sehen Sie wichtige Entwicklungen beim Lernen in den Unternehmen? Wo gibt es hier Nachholbedarf?
Liebert: Die Individualisierung/Demokratisierung des Lernens, der Einsatz von Learning Experience Plattformen mit Daten-/KI-basierten Empfehlungen und AR/VR-Anwendungen sind sicher Trendthemen. Aus didaktischer Sicht sind es immersive oder partizipative Lernräume, wie z.B. (nichttechnische) Hackathons. Nachholbedarf gibt es bei den Führungskräften, die diese neuen Lernformen verstehen und unterstützen müssen, aber auch bei den MitarbeiterInnen, die die Verantwortung für Ihre Kompetenzentwicklung mehr und mehr selber übernehmen müssen.
Wald: Inwieweit spielen dabei Algorithmen und Mechanical Turks eine Rolle?
Liebert: Algorithmen gibt es ja heute schon überall bei Corporate Learning, und sei es nur die Verknüpfung eines Jobprofils mit einem Lernprogramm. Spannender wird es bei den Mechanical Turks, das sind zum Beispiel Kuratoren, die Lerninhalte vorsortieren und Jobfamilies zuordnen. Das wird in Zukunft zum großen Teil automatisiert ablaufen, die heutigen menschlichen Kuratoren sind also sozusagen zumindest teilweise Mechanical Turks.
Wald: Wie steht es aus Ihrer Sicht aktuell um die Verknüpfung von KI und Lernen in den Unternehmen? Gibt es hier schon Anwendungsfälle in Ihrem Umfeld?
Liebert: Der Einsatz von datenbasierten Services innerhalb von Unternehmen im Personalumfeld ist nicht trivial, da hier viele interne Abteilungen involviert sind, von der IT bis zu den Datenschutzbeauftragten, und natürlich auch der Betriebsrat. Auch sind MitarbeiterInnen oftmals sehr zögerlich, dem eigenen Unternehmen persönliche Daten zu geben, wie sie es zum Beispiel bei Facebook&Co machen. Deshalb dauert das alles recht lange und man muss alle Stakeholder rechtzeitig und intensiv einbinden. Wir haben deshalb Lernsysteme gebaut, die KI-Funktionen potenziell einbinden können, aber in einer Übergangszeit diese Funktionen simulieren. Später kann man diese KI-Funktionen wie ein Plug-in einbinden. Das ist allerdings in der Realität dann doch etwas komplizierter :-)
Wald: Wie können sich nach Ihren Erfahrungen Unternehmen auf konkrete Anwendungen vorbereiten?
Liebert: Man darf sich nicht davon abschrecken lassen, dass bestimmte Technologien noch nicht verfügbar sind, sondern muss einfach anfangen. Just do - and Learn ist unser Motto.
Wald: Dies klingt alles interessant und ich bin schon auf Ihre Keynote sehr gespannt. Meine Standardfrage stelle ich wie immer zum Schluss: Warum nehmen Sie am HR Innovation Day teil?
Liebert: Ich finde es einfach spannend mit tollen Leuten aus Industrie und Forschung über die Zukunft von HR und im speziellen Corporate Learning zu diskutieren und auch verrückte Ideen zu entwickeln. HR muss sich von dem ‚graue Maus‘ Image befreien und da sehe ich sehr viel Potenzial und Spaß für uns.
Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich freue mich sehr auf den 2. Juni 2018.
Liebert: Ich mich auch!
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