Wald: Vornweg herzlichen Dank für die Unterstützung bei der Lehre und die Gelegenheit, Ihnen einige Fragen stellen zu können.
Schweden: Vielen Dank meinerseits! Nur ein Austauschen und Kommunizieren bringt uns in vielen Lebenslagen voran.
Wald: Könnten Sie sich kurz vorstellen?
Schweden: Mein Name ist Florian Schweden und ich bin Geschäftsführer von INAGO. Dem Institut für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung. Mit meiner Firma begleite ich Unternehmen bei der Analyse, Bewertung und Gestaltung von Arbeit.
Wald: Wann und warum haben Sie die INAGO gegründet?
Schweden: Wir haben INAGO im September 2021 gegründet. Viele meinten damals - „Ist das so gut während dieser unsicheren Lage durch die Corona-Pandemie“. Wir haben uns aktiv zu einer Gründung entschlossen, da die Pandemie das „Beste" und „Schlechteste“ der Gesellschaft - und damit auch der Arbeit - hervorgebracht hat. Wir wollen mit INAGO endlich die Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis schließen. Unserer Meinung nach sind A&O-Psycholog:innen sehr gut darin Wissen zu generieren, aber noch nicht so gut darin, dass dieses Wissen in die Praxis Einzug findet.
Wald: In Vorbereitung unseres Gespräches habe ich auch vom TAGMA-Verfahren gelesen? Was ist darunter zu verstehen?
Schweden: Rein technisch ist das TAGMA ein „bedingungsbezogenes objektives Messverfahren“. Anders ausgedrückt - Erfahrene Personen der Arbeitsanalyse & -gestaltung haben mit dem TAGMA ein Werkzeug, mit dem sie ein e Beobachtung der Arbeit durchführen können. Es lassen sich Aussagen zu Arbeitsinhalten und Arbeitsbedingungen orientiert an DIN EN ISO Normen, gesetzlichen Vorgaben und empirischen Wissen treffen. Kurzum: Wir sind in der Lage, die Güte der Arbeit zu bewerten und in den Gestaltungsprozess überzugehen.
Wald: Doch nun zum Thema Gefährdungsanalyse. Seit 2013 ist diese auch bei psychischen Gefährdungen Pflicht. Bei meinen Kontakten mit Unternehmen stelle ich bei diesem Thema immer wieder Unsicherheit und zum Teil auch Unkenntnis fest. Oft wird die Gefährdungsbeurteilung nur halbherzig vorgenommen. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Schweden: So wie Sie es sagen - Es herrscht noch eine große Ungewissheit. Insbesondere zu den positive Effizienz bewirkenden Faktoren der GB Psych (Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen). Daran müssen wir arbeiten und verdeutlichen, dass diese Art der Analyse an sich wertneutral und allparteilich versucht Arbeit und dessen Bedingungen besser zu gestalten.
Wald: Wo sehen Sie die Gründe dafür? Liegt es an zu knappen Ressourcen? Was braucht es zur Durchführung?
Schweden: Ressourcen sind an dieser Stelle ein wichtiger Förderfaktor - wir sehen teilweise eine fehlende Fachlichkeit und/oder zeitliche Einengung, dass Personen in Verantwortung und Tat kommen können. Es braucht eine gewisse Fachlichkeit für die Durchführung und eben auch die Zurverfügungstellung von Ressourcen.
Wald: Hinzu kommt mMn auch, dass viele Unternehmen den Schwerpunkt eher bei der physischen Gefährdung sehen. Doch es muss doch auch die psychische Gefährdung analysiert werden.
Schweden: Ja, der Fokus liegt nicht in der Analyse der Beanspruchung - also der Folge von Arbeit - sondern es liegt der Fokus auf den Verhältnissen. Diese Faktoren sind insofern von großem Interesse, als dass sie teilweise seit Jahren schon Bestandteil eines z.B. strukturierten Qualitätsmanagements sind.
Wald: Dies korrespondiert mit dem derzeit oft diskutierten Thema „Mental Health“. Hier lässt sich doch bestimmt auch mit einer Analyse der psychischen Gefährdung anknüpfen.
Schweden: Definitiv! Jedoch gibt die GB Psych die Möglichkeit, dass außerhalb des Individuums bzw. bevor psychische Beanspruchung entsteht eine Wirkung durch Gestaltung gelingen kann. Das heißt, dass wir vor Beeinträchtigung bereits Gestalten.
Wald: Ein wichtiges Thema für mich ist derzeit - auch aufgrund eines laufenden Buchprojektes - die besondere Betrachtung der Arbeitsanforderungen im Bereich der Blue Collar- bzw. Deskless Work? Gibt es hier aus Ihrer Sicht Besonderheiten?
Schweden: Auf jeden Fall! Und von den Besonderheiten an der Zahl auch viele…Allgemeinhin wurden Blue Collar Worker in der Vergangenheit teilweise stiefmütterlich behandelt, da diese ja von RemoteWork, Design Thinking, Job Crafting, etc. nicht so profitieren können, wie beispielsweise Personen mit klassischen Bürotätigkeiten. Dies ist jedoch zu kurz gedacht. Gerade in der Produktion ergeben sich neue Arbeitswelten durch z.B. die zukünftiger Kollaboration zwischen Mensch-Maschine. Wer macht Vorgaben? Wer beeinflusst den Arbeitsprozess? Hierbei sollte die Leitfrage sein - Die Arbeit an den Menschen anpassen, nicht andersherum. Und damit wir solche Verhältnisse menschengerecht gestalten können, brauchen wir die Arbeitsanalyse bzw. GB Psych.
Wald: Haben Sie vielleicht Tipps, wie sich den Unternehmen der Nutzen einer gut durchgeführten Gefährdungsanalyse vermitteln lässt?
Schweden: Wenn Unternehmen, die eine GB Psych anbieten, ein gutes Wissensmanagement haben, so verfügen sie über ROI-Werte, einem Vorrat an vorgeschlagenen und umgesetzten Maßnahmen, eine Entwicklung von Fluktuation und/oder Krankenstände. Zumindest sollten etwaige Anbieter:innen vorweisen können, welche Methode warum zur Anwendung kommen wird. Aber wie Unternehmen überzeugen - 1. Weniger charmant über die gesetzliche Verpflichtung oder 2. z.B. über den ROI, welcher bei uns teilweise bei 1:3 liegt.
Wald: Herzlichen Dank für dieses informative Gespräch. Ich freue mich auf unser virtuelles Zusammentreffen am 4. Juni 2024.
Schweden: Vielen Dank! Ich freue mich auch!
Mein Gesprächspartner Dr. Schweden 2018 gründete er gemeinsam mit Dr. Vincent Mustapha das Institut für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung INAGO. Er ist Referent für die Expertengruppe „Beurteilung Psychischer Gefährdungen im Rahmen der GBU“ des Fachverband Psychologie für Arbeitssicherheit und Gesundheit e.V. (FV PASiG)“. Herr Dr. Schweden hat derzeit Lehraufträge an der Helmut-Schmidt-Universität und Universität Hamburg und lehrt hier zu verschiedenen Themen der Arbeits- & Organisationspsychologie.
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