Freitag, 27. September 2019

#connectingHR – Gut, aber wie geht es weiter mit HR? Mein Rückblick auf den DGfP-Jahreskongress

#connectingHR – die Einleitung
Wieder einmal bin ich sehr spät dran, will aber trotzdem nicht versäumen, vom ersten Tag des diesjährigen Jahreskongresses der DGfP zu berichten. Mit der Wahl des Mottos „#connectingHR“ traf die DGfP eine sehr weise Entscheidung, sollte es doch bei der weiteren Entwicklung von HR um eine intensivere Vernetzung sowohl in den Personalbereichen selbst als auch extern mit Nicht-HRlern gehen. Nur ein auf diese Weise neues und „vernetztes HR“ kann aus meiner Sicht eine aktive Rolle bei den aktuellen Veränderungen übernehmen und damit dem eigenen Gestaltungsanspruch gerecht werden. Die Bedeutung des Netzwerkens (inkl. Austausch, Wissen teilen, Anregungen, Zusammenarbeit) sahen offensichtlich viele der Kongressteilnehmer ähnlich.


#connectingHR ist auch für mich wichtig, denn ein Kongress bietet mir als Hochschullehrer die Möglichkeit, neue Entwicklungen zu beobachten und mein persönliches Netzwerk (als „connected Professor“) weiter auszubauen. Die Vielzahl von Impulsen versetzen mich in die Lage, innovative Konzepte und die Erfahrungen der HR-Praxis damit in die Lehrveranstaltungen einfließen zu lassen. Ich war natürlich auch darauf gespannt, inwieweit sich die derzeit ändernde wirtschaftliche Situation in Diskussionen und Statements wiederfindet. Hier sei auch kurz erwähnt, dass ich mich der DGfP seit meinem Einstieg in das Personalwesen 1991 eng verbunden fühle.

#connectingHR und digitale Führung
Am Vormittag des ersten Kongresstages hatte ich bewusst die Rolle eines Zuhörers gewählt, denn ich habe an einer Masterclass zum Thema „Digital Leadership“ teilgenommen. Als Blogger, Twitterati, Organisator des HR Innovation Days und Verfechter eines aktiven Umgangs mit digitalen Medien bei Führung und Personalmanagement war ich natürlich sehr interessiert zu erfahren, wie sich ein Universitätskollege (Professor Armbrüster von Uni Marburg) diesem Thema nähert. Als Ziel dieser Masterclass stand in der Ankündigung, dass es darum ging „mit welchen Tools und Kenntnissen man die Fallen der Digitalisierung vermeiden und gute Mitarbeiterführung noch besser machen kann“. Für Spannung war also gesorgt, die noch stieg, als ich unter den Teilnehmern Harald Schirmer und Jan Weilbacher entdeckt habe. Mit diesen beiden Experten war der Erfolg der Masterclass eigentlich gesichert. Was habe ich von ihnen un der Diskussion gelernt? Beim Verständnis digitaler Führung gibt es keine einheitliche Meinung und auch sehr unterschiedlich verteilte Erfahrungen. Auf der einen Seite wird digitale Führung vor allem als „gute“ Führung interpretiert - auf der anderen Seite steht eine Führung, die durch den Einsatz digitaler Werkzeuge gravierende Änderungen bei Führung und Zusammenarbeit mit sich bringt. Bevor es jedoch überhaupt zu einer digitalen Führung kommen kann, müssen nach Armbrüster offensichtlich 5 Fallen überwunden werden.

Die 5 Fallen der Digitalisierung (nach Armbrüster)

















Zu diesen 5 Fallen (nach Armbrüster) zählen 
  1. Nicht wissen, was los ist, technologische Entwicklungen nur vom Hörensagen kennen
  2. wissen, was los ist, aber Relevanz für die eigene Wertschöpfung nicht erkennen
  3. Wertschöpfung erkannt, aber Wandel nicht hinkriegen
  4. digitale Tools nicht kennen (Collaboration)
  5. Mitarbeiterführung nicht ans digitale Zeitalter anpassen
Bei der Diskussion zu diesen „Fallen“ und den Umgang mit ihnen haben sich eine Reihe von Meinungs- und Erfahrungsunterschieden gezeigt. Vor allem dürfte es hier darum gehen, selbst „digitale“ Erfahrungen zu sammeln und anderen diese Erfahrungen zu ermöglichen. Zum Einsatz digitaler Hilfsmittel der Führung gehört es auch, dass sich Mitarbeiter miteinander vernetzen können (#connecting !). Dabei müssen Experimente und Fragen erlaubt sein und es müssen durch Vernetzung Räume zum voneinander Lernen geschaffen werden. Die Diskussion zeigte auch, dass die laufende Digitalisierung von einer Vielzahl eigenständiger Konzepte flankiert wird, die hauptsächlich in der Praxis entstanden sind und bei digitaler Führung und Zusammenarbeit nachweisbar helfen können. So standen auch einige Zweifel im Raum, ob eine Reise von "Entscheidern" ins Silicon Valley entscheidende Beiträge zur Überwindung der Fallen und damit zum Erfolg der Digitalisierung garantieren kann. Hierzu habe ich vor einiger Zeit einen Herwig Kummer nach seiner Reise ins Silicon Valley befragt (Stichwort DUCK-Syndrom). Der erfolgreiche Umgang mit digitalen Medien ist ein ständiger Lernprozess, in dem mir immer wieder klar wird, dass klassische Konzepte zwar wichtig aber in vielen Fällen inkompatibel sind. Letztlich steht für mich fest, dass sich bei digitaler Führung viele der alten Führungsfragen zum Beispiel nach Aufrichtigkeit und Integrität in aller Schärfe stellen und neu beantwortet werden müssen.

#connectingHR und die aktuellen Herausforderungen
Bei den einführenden Worten von Dr. Ariane Reinhart der Vorstandsvorsitzenden der DGFP und der anschließenden Diskussion mit Norma Schöwe (Geschäftsführerin der DGfP) hat mich erstaunt, wie offen die aktuelle Situation und die Implikationen für HR thematisiert wurden. Beide haben betont, wie wichtig es für die Zukunft ist, die gestalterische Rolle von HR beizubehalten und weiter auszubauen. Es muss unbedingt vermieden werden, in die alten „reaktiven“ Muster zurückzufallen.

#connectingHR und Shared Leadership
Die Good Practice Sessions waren eine glänzende Idee! Ich hatte mich für die “LEADERSHIP Session“ mit Carola Garbe und Cathrine-Marie Koffnit (BEIDE! sind Leiterin HR,  Regionalbereich Ost der DB Netz AG) entschieden. Die richtige Wahl! Beide Session-Hosts haben eindrucksvoll und vor allem sehr offen dargestellt, wie Shared Leadership praktisch funktionieren kann. Ein wirklich nachvollziehbares Beispiel für Job Sharing und ein besonderes Modell für #connectingHR!.  Beide haben auch wie wichtig es bei ihrer Lösung ist, Macht abzugeben und gegenseitiges Vertrauen zu leben. Und eine reizvolle Idee, ihr Modell mit Arbeit 4.2 zu bezeichnen.

Carola Garbe und Cathrine-Marie Koffnit














#connectingHR oder „Wer Zäune um Menschen baut, bekommt Schafe“
Unter dieser Überschrift stand der exzellente Input von Anja Förster (Autorin, Unternehmerin, Gründerin Rebels at Work). Anja Förster ist es auf eine lebendige Weise gelungen, das schwierige Thema „Veränderung“ in "Alltagsfragen" zu übersetzen. Mit der Zaun-Metapher hat sie nachdrücklich auf die Bedeutung von Freiräumen bei Veränderungen hingewiesen. Mit der Frage „Was kann ich tun, was ich so noch nie getan habe“ ist es ihr gelungen, eine gleichermaßen persönliche wie praktische Botschaft zum Abschluss ihres Vortrags zu vermitteln.    

Die gekonnte Abschlussfrage von Anja Förster














#connectingHR und Arbeitsweltszenarien 2025
Mit bestechender Offenheit und Eloquenz hat Heike Bruch (Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement - Universität St. Gallen) mit ihrem Input versucht, die anwesenden Personaler wachzurütteln. Die von ihr präsentierten Arbeitsweltszenarien für 2025 sind für mich ein Weckruf für HR, denn HR steht an einer Weggabelung. Der eine Weg führt in eine Arbeitswelt, die breite Möglichkeiten für alle Akteure zur Weiterentwicklung und zur Übernahme von Verantwortung auch im Rahmen von Selbstorganisation bietet. Das andere Szenario beschreibt ein Fortschreiben klassischer Führung und Zusammenarbeit im Sinne von Command und Control. Durch massive Veränderungen und den Wegfall von Jobs stehen wenige Gewinner vielen Verlierern gegenüber. Zu diesen Szenarien muss sich HR eine klare Meinung erarbeiten und konkrete Lösungen vorlegen.



#connectingHR und was überhaupt nicht funktionert!
Was ist mir wieder einmal aufgefallen? Social Media als Mittel des schnellen und effektiven Netzwerkens spielen nach wie vor eine untergeordnete (mitunter sogar belächelte) Rolle. Als eifriger Twitterati fühle ich mich manchmal als eine vom „Aussterben bedrohte Tierart“. Ich werde aber trotzdem weitermachen und meine Erkenntnisse und Erlebnisse aus Keynotes, Seminaren und Diskussionen zu twittern. Auf diese Weise ist es doch sehr leicht möglich, Wissen zu sammeln, das dann auch simultan geteilt wird!

#connectingHR ist eine ständige Herausforderung! 
Ohne erfolgreiche (interne und externe) Vernetzung beraubt sich HR wichtiger Chancen zum Erlangen der Meinungs- und Handlungsführerschaft bei den laufenden und kommenden Veränderungen. Passiert hier nichts oder auch zu wenig, wird es bei der bekannten und oft beklagten Rolle als „Reagierer“ bleiben.


Zum Weiterlesen: Andere Berichte zum DGfP-Kongress finden sich unter

https://www.managerseminare.de/blog/dgfp-congress-2019-aufruf-zur-vernetzten-zukunftsgestaltung/2019/09

https://khpape.blog/wordpress/dgfp-congress-2019-eine-konstruktive-kritik/

https://harald-schirmer.de/2019/09/13/rueckblick-dgfp-congress-connectinghr-2019/


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