Wald: Lieber Herr Merbach, schön, dass ich Sie heute befragen darf. Könnten Sie sich und Ihr Unternehmen kurz vorstellen?
Merbach: Immer gern! Ich bin 46 Jahre alt und wohne in meiner Wahlheimat München. Meine Leidenschaft ist seit über 20 Jahren das Thema Personalgewinnung in seiner immer komplexeren Gänze. Seit 2018 bin ich mit meiner Firma, der levelUP recruitment solutions GmbH, als Interim Manager und Berater für strategisches Recruiting und Personalmarketing aktiv. Besonders Spaß macht mir dabei, Unternehmen zu helfen, aus eigener Kraft deutlich schneller und verlässlicher Vakanzen besetzen können. Zudem führe ich eine Mini-Agentur, die sich für die Ansprache aktiv Suchender auf die Kampagnenführung auf Indeed sowie die Schaltung auf Stellenanzeigen.de beschränkt. Also eher das Gegenmodell eines Bauchladens der typischen Agentur. In allen Themen geht es uns v.a. darum, Unternehmen zu befähigen statt uns als Berater unabdingbar zu machen. Dass das ganz gut klappt, zeigen die Referenzen unserer Kundinnen und Kunden.
Wald: Welche Unternehmen greifen vorzugsweise auf Ihre Dienste zurück?
Merbach: Das ist ganz unterschiedlich. Unser kleinster Kunde hat keine 20 Mitarbeitende, unser größter 80.000. Am liebsten arbeite ich für den größeren Mittelstand. Denn hier sind meist unglaublich viele Potentiale verborgen. Sowohl an tollen Geschichten für das Personalmarketing als auch an operativ-strategischen Themen. Angefangen bei sehr guten Stellenanzeigen, über System- und Prozessoptimierungen bis hin zu guter Eignungsdiagnostik und Kanälen zur Ansprache wie Indeed und Active Sourcing. Im Gegensatz zu sehr großen Konzernen kann sich ein Mittelständler auch viel schneller bewegen, um diese Potentiale zu heben. Und immer, immer spart ein Unternehmen durch diese Optimierungen sehr viel Geld, meist sogar schon in der Transformationsphase.
Wald: Sie sprechen von einem Dreiphasenansatz bei Ihren Projekten. Was ist darunter zu verstehen?
Merbach: Als ich selbstständig wurde, überlegte ich mir, wie ich als angestellter Recruitingleiter in Optimierungsprojekten vorgegangen bin: Ich habe stets mit den „Low Hanging Fruits“ begonnen, also die Themen, die man schnell und einfach optimieren konnte. Als Beispiel sei die tiefgehende Optimierung von Stellenanzeigen genannt, was nicht selten in 300 bis 400% mehr Bewerbungen resultiert. Und weil sie eh geschaltet werden, ist das für ein Unternehmen komplett kostenneutral. Mein Ansatz gliedert nun diese Vielzahl an Maßnahmen in drei Phasen. Die erste Phase zielt auf die wichtigsten und dringendsten Optimierungen für mehr Bewerbungen. In der zweiten geht es um Themen, die etwas mehr Zeit brauchen, bspw. eine komplett neue Karriereseite, die Auswahl und Einführung eines neuen Bewerbermanagementsystems, etc. Und in der dritten kommen dann strategische Langzeitinitiativen, bspw. ein Employer Branding Projekt. Die Phasen können sich dabei durchaus überlappen, nicht selten ergibt das sogar Sinn. Es geht darum, einen klaren Fahrplan für die Transformation im Recruiting zu etablieren und zu wissen, was alles auf der Agenda steht und voneinander abhängt. Ich denke, hier kommt wohl meine Ausbildung zum Projektleiter durch… Dass der Ansatz sehr erfolgreich ist und in deutlich reduzierten Kosten mündet, zeigen Ergebnisse aus der Vergangenheit, beispielsweise die Verfünfzehnfachung von Bewerbungszahlen bei fast gleichbleibender Personalstärke im Recruiting, die Halbierung der Time-to-Hire oder eine 97%-ige Reduzierung von Headhunterkosten. Mein bisher schönstes Projekt, in dem ich den Ansatz von vorne bis hinten einmal durchführte, war bei Arverio Deutschland. Die von einer sagen wir mal überschaubaren Recruitingperformance zu einem echten Recruitingchampion avancierten. Und das als mittelständisches Unternehmen mit 1.200 Mitarbeitenden, das mehr Bewerbungen erhält sowie zuverlässiger und schneller verarbeitet als viele Großkonzerne. Hier greifen mittlerweile einfach so gut wie alle Räder sauber ineinander.
Wald: Warum erfolgte jetzt der Einstieg in die Welt der Podcaster? Und warum der Name „Kopfgefühl Recruiting“?
Merbach: Von 2018 bis 2024 war ich quasi durchgängig in Interim- und Beratungs-Projekten gebucht. 2024 war das erste etwas ruhigere Jahr und so konnte ich mich im Herbst an mein Podcastprojekt setzen, das ich schon eine Weile mit mir herumgetragen hatte. Ich höre gerne Podcasts, aber ich möchte immer etwas Neues mitnehmen. Für meinen Geschmack verlieren sich viele Podcasts mittlerweile in etwas zu viel Gerede. Mit meinem wollte ich genau den Gegensatz aufmachen und eher sehr fachlich bleiben. Die Themen sollen zudem sehr umsetzbar erklärt werden. Ich bin sehr froh, mit Frank Heger einen sehr erfahrenen Recruitingleiter gewonnen zu haben, der aus der Industrie kommt und mich in vielen Episoden als Co-Host unterstützt. Den Podcast ziehe ich übrigens sehr nahe an meinem Dreiphasenansatz auf. Ich starte also bei der ersten Phase und den wichtigsten Hebeln und werde nach und nach strategischer. Das liegt auch daran, dass meine imaginäre Zielgruppe für den Podcast, also die Menschen, die ich mir als Zuhörer vorstelle, Junior Recruiter sind, die in die Materie erstmals eintauchen.
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Wald: Gibt es bereits Resonanz auf die ersten Ausgaben Ihres Podcasts?
Merbach: Ja, bisher nur positive Rückmeldungen. An einigen Einsteigerthemen arbeite ich noch, am Ton beispielsweise. Nun gilt es das Projekt weiter durchzuziehen, noch ist es in der Tat ziemlich aufwendig. Aber das wird mit Übung sicher schnell effizienter. Ich nutze ihn auch schon, um Kunden etwas an die Hand zu geben, beispielsweise zur Anzeigenoptimierung. Das ist ein netter Nebeneffekt.
Wald: Jetzt noch einige Fragen zum Themenbereich Stellenanzeigen. Warum tun sich viele Personaler nach wie vor schwer hier das richtige Wording bzw. den richtigen Ton zu finden?
Merbach: Das hat sicher verschiedene Gründe. Einer der Hauptgründe ist, dass HR sehr unter Druck ist und deswegen oftmals einfach die Anzeige von vor zwei Jahren einfach neu geschaltet wird. Oft gibt es auch Druck durch Fachbereiche oder die Unternehmenskommunikation, die darauf bestehen, dass eine Anzeige so oder so geschrieben wird. Auch ist es einfach nicht jedermanns Passion, gute Texte zu schreiben, das verstehe ich auch. Allerdings versteht Recruiting oftmals nicht, dass Stellenanzeigen das wichtigste Medium zur Ansprache von aktiv Jobsuchenden ist – und daneben auch für alle anderen Suchkanäle am Ende genutzt werden. Sehr gut auffindbare, verständliche, emotionalisierende und am Ende konvertierende Anzeigen sind enorm wichtig in der Personalgewinnung. Dafür muss sich ein Recruiter also Zeit nehmen, das ist schlicht sein oder ihr Job!
Wald: Was denken Sie? Werden ChatGPT etc. hier die richtigen Lösungen bringen?
Merbach: Teilweise. Ich experimentiere viel mit ChatGPT herum. Was das Tool schon ganz gut kann, ist eine Anzeige sagen wir mal zu 70% zu optimieren. Mir reicht das persönlich nicht, aber es ist eine gute Grundlage für jemanden, der das nicht dauernd macht, um darauf aufzusetzen. Vor allem, wenn man zu Anfang eine Menge Stellen optimiert, kann das natürlich viel Zeit sparen. Besser machen kann man dann auch Stück für Stück. Bei Rahmentexten, also beispielsweise einem wirklich emotional packenden Unternehmensintrotext, versagt jedoch ChatGPT bei mir aber regelmäßig. Was für mich okay ist, menschliche Gefühle zu emanzipieren ist halt doch besser bei Menschen aufgehoben. Aber die Entwicklung ist rasant, es wird also immer besser unterstützen können.
Wald: Wie geht es weiter mit Ihnen und den Podcasts?
Merbach: Ich liebe mein berufliches Thema seit mittlerweile 23 Jahren. Besonders Transformationsprojekte machen mir großen Spaß. Daher wird es dort auch für mich weitergehen, aber auch in kleineren Beratungsthemen. Den Podcast will ich parallel auf jeden Fall noch so lange weiterführen, bis ich die wichtigsten Themen abgearbeitet habe. Das dürfte noch ein wenig dauern.
Wald: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
Merbach: Ich danke und freue mich auf das Erscheinen unseres gemeinsamen Buchprojekts.
Mein Gesprächspartner Gunnar Merbach ist Interim Manager, Berater und Agenturinhaber (Fokus Indeed). Er unterstützt Geschäftsführer und Personaler bei der Personalgewinnung und sorgt dafür, dass deren Recruiting aus eigener Kraft (endlich) einen wertvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg erbringt. Einer seiner Fokuspunkte ist mittlerweile die Optimierung des Recruitings von Deskless Workern. So verantwortete er für Arverio Deutschland neben der Transformation des Recruitings in nur 18 Monaten die Einstellung von >650 Mitarbeitenden. Und das immer mit einer Prise Humor, denn: „Es macht echt Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten!“, so Fabian Amini, CEO Arverio.