Freitag, 25. Juli 2025

Wie steht es um den Stellenmarkt im ersten Halbjahr 2025? - Update mit Index-CEO Jürgen Grenz


Das erste Halbjahr 2025 liegt hinter uns. Nach den Gesprächen mit Jürgen Grenz, dem CEO der Index Gruppe, über die Entwicklung des Stellenmarktes im Jahr 2024 dürfte es die Leserinnen und Leser meines Blogs interessieren, wie sich der Stellenmarkt im ersten Halbjahr dieses Jahres entwickelt hat. 

Haben sich die Entwicklungen aus dem Jahr 2024 fortgesetzt? Entlassen Unternehmen also weiterhin Mitarbeitende und stellen gleichzeitig neue ein? Oder dominiert inzwischen der Personalabbau?

 Über diese und weitere Fragen habe ich mit Index-CEO Jürgen Grenz gesprochen. Seine Einschätzungen sind regelmäßig Thema in meinen Lehrveranstaltungen und helfen mir auch dabei, Führungskräfte und HR-Verantwortliche für aktuelle Entwicklungen auf dem Stellenmarkt zu sensibilisieren.

Wald: Lieber Herr Grenz, vornweg herzlichen Dank, dass Sie mir erneut als kompetenter Gesprächspartner zur Verfügung stehen.
Grenz: Sehr gerne, Herr Prof. Wald.

Wald: In unserem letzten Interview haben Sie geäußert, dass Sie die Entwicklung des Stellenmarktes im vierten Quartal 2024 vorsichtig optimistisch stimmt. Hat sich dieser Optimismus bewahrheitet?
Grenz: Leider nicht. Viele Unternehmen halten sich mit Neueinstellungen spürbar zurück. Die schwache Weltwirtschaft trifft die exportorientierte deutsche Industrie besonders empfindlich. Unsicherheiten, etwa durch Trumps Zollpolitik, verschärfen die Lage zusätzlich. Auch die hohen Energiepreise bremsen vor allem das verarbeitende Gewerbe weiter aus. Die geplante Senkung der Stromsteuer für Unternehmen ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Befreiungsschlag.



Wald: Heute richtet sich der Blick auf das erste Halbjahr 2025. Angesichts der m. E. sehr differenzierten und schwankenden wirtschaftlichen Bedingungen bin ich gespannt zu hören, wie sich der Stellenmarkt insgesamt entwickelt hat. 

Grenz: Der Stellenmarkt hat sich deutlich eingetrübt. Im ersten Halbjahr 2025 wurden bundesweit rund 5,6 Millionen Stellen ausgeschrieben. Das sind zehn Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Damals lag das Jobangebot noch bei fast 6,3 Millionen Stellen. Der Rückgang zeigt: Die Zurückhaltung der Arbeitgeber nimmt zu. Eine Trendwende ist bislang nicht in Sicht.




Wald: Waren alle Regionen Deutschlands gleichermaßen vom Rückgang der Stellenangebote betroffen?
Grenz: Das Stellenangebot ist in nahezu allen Regionen zurückgegangen. Am stärksten betroffen waren Baden-Württemberg mit minus 9 Prozent und Bayern mit minus 8 Prozent. Hauptursache ist die angespannte Lage bei den Automobilherstellern und ihren Zulieferern, die im Süden der Republik stark vertreten sind. Gegen den Trend legten Thüringen mit plus 3 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern mit plus 1 Prozent beim Stellenangebot leicht zu. Positiv ist immerhin, dass es in keinem Bundesland prozentual zweistellig zurückging.





Wald: In unserem letzten Gespräch haben Sie auch die Entwicklung des Stellenmarktes in den großen Städten verglichen.

Grenz: Die Konjunkturflaute trifft viele Großstädte besonders hart. In Stuttgart und Köln sank das Stellenangebot um 12 bzw. 10 Prozent. Beide Städte sind stark von der Automobilindustrie geprägt, in der derzeit Neueinstellungen häufig auf Eis gelegt werden. Mit minus 3 Prozent fiel der Rückgang in Hannover und Bremen deutlich moderater aus. Frankfurt am Main sticht mit einem Plus von 3 Prozent beim Stellenangebot positiv heraus, vor allem dank der steigenden Personalnachfrage im Bankensektor.



Wald: Lassen sich im ersten Halbjahr 2025 auch bei verschiedenen Berufsgruppen Veränderungen erkennen?



Grenz: In fast allen Berufsgruppen wurden weniger Stellen ausgeschrieben. Am stärksten schrumpfte das Stellenangebot im Personalwesen, und zwar um 16 Prozent. Ich sehe diesen Rückgang besonders kritisch, weil unterbesetzten HR-Abteilungen Ressourcen für notwendige Maßnahmen im Bereich der Personalentwicklung, -bindung und dem Recruiting fehlen. Für strategische Projekte bleibt dann kaum Zeit. Auch im Bereich Forschung und Entwicklung gab es 14 Prozent weniger Stellenausschreibungen. Für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland, das sich nur durch permanente Innovationen im internationalen Wettbewerb behaupten kann, ist das ein alarmierendes Signal.


 
Wald: Gibt es auch Berufsgruppen, in denen der Personalbedarf gestiegen ist?
Grenz: Trotz der schwachen Konjunktur ist der Fachkräftemangel nach wie vor ein großes Thema. Viele Unternehmen suchen daher nach wie vor neue Mitarbeitende. So ist das Stellenangebot für Fachkräfte in Wissenschaft, Aus- und Weiterbildung im ersten Halbjahr um 3 Prozent gestiegen. Das Jobangebot für Gesundheits- und Pflegepersonal sowie für Rechts- und Steuerexperten hat sogar um 4 Prozent zugelegt. 



Wald: Mit Blick auf die verschiedenen Berufsgruppen interessieren mich natürlich die Entwicklungen der Stellenangebote für klassische Blue-Collar-Jobs im Vergleich zu den Office-Jobs.
Grenz: Blue-Collar-Berufe waren weniger stark vom Stellenrückgang betroffen als Bürojobs. Am gefragtesten blieben Bauarbeiter und Handwerker: Mit über 1,4 Millionen Ausschreibungen gab es für sie das größte Jobangebot, trotz eines leichten Rückgangs um 2 Prozent. Für Beschäftigte in Transport, Verkehr und Logistik sank die Anzahl der veröffentlichten Stellen dagegen um 6 Prozent.



Wald: Was meinen Sie? Lassen sich hier mittel- und langfristige Trends der Stellenmarkt-Entwicklung erkennen?
Grenz: Kurzfristig ist kaum eine Besserung in Sicht. Deutschland befindet sich im dritten Rezessionsjahr. Mittel- und langfristig bleibt der Fachkräftemangel bestehen, vor allem durch den Renteneintritt der Babyboomer. Es werden viele Blue-Collar-Stellen frei – vom Handwerk bis zur Pflege. Im Office-Bereich könnte hingegen der Einsatz von KI zu weiteren Stellenstreichungen führen.



Wald: Da ich bei meinem Event - dem HR Innovation Day 2025 - auch einen Vertreter Ihres KI-gestützten Outplacement-Services Talent-Placement begrüßen durfte, drängt sich die Frage auf, wie sich die Nachfrage nach Talent-Placement entwickelt hat.
Grenz: Unser KI-gestützter Outplacement-Service Talent-Placement ist aktuell stark gefragt. Immer mehr Unternehmen befinden sich in Change-Prozessen und möchten Trennungsprozesse professionell und fair gestalten. Klassische Outplacement-Mandate sind jedoch teuer und deshalb meistens Führungskräften vorbehalten. Unser digitales Modell ist deutlich günstiger und ermöglicht es Unternehmen, Fachkräften aller Hierarchiestufen ein Outplacement zu finanzieren und damit den Trennungsprozess für beide Seiten deutlich konfliktfreier zu gestalten.



Wald: Wie hat sich die wirtschaftliche Entwicklung der Index-Gruppe im ersten Halbjahr 2025 insgesamt dargestellt? Konnte sie die erfolgreiche Entwicklung aus dem Jahr 2024 fortsetzen?


Grenz: Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen entwickelt sich die Index-Gruppe stabil weiter. Wir stellen nach wie vor neue Mitarbeitende ein. Besonders stark gefragt sind derzeit drei Bereiche: unser KI-basierter Outplacement-Service Talent-Placement, unser Vertriebssystem Index Anzeigendaten und unsere Employer-Branding-Agentur.


Wald: Wie immer interessieren mich auch die Veränderungen in der Index-Gruppe. Im letzten Gespräch hatten Sie hier die Unternehmensberatung Index Business Innovation Consulting erwähnt. Was gibt es dazu zu sagen?
Grenz: Die Index Business Innovation Consulting ist nach wie vor die einzige Unternehmensberatung in Deutschland, die sich ausschließlich auf Personaldienstleister spezialisiert hat. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten steigt der Bedarf an praxisnaher Beratung, etwa bei der Lead-Generierung und bei der Optimierung von Vertriebsprozessen. Unser Beratungsansatz unterscheidet sich deutlich von dem klassischer Strategieberatungen: Wir liefern nicht nur Strategien, sondern setzen sie gemeinsam mit den Kunden um.




Wald: Wird es ggf. weitere Änderungen beim Leistungsangebot geben? Können Sie etwas zu Ihren konkreten Plänen sagen?
Grenz: Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage vieler Personaldienstleister liegt der Schwerpunkt aktuell in der Restrukturierung von Vertriebsprozessen und insbesondere in der Einführung bzw. der Intensivierung des Profilvertriebes. Hinzu kommt die Beratung hinsichtlich der strategischen Ausrichtung des Leistungsportfolios in Hinblick auf wachsende Branchen und Berufsgruppen.

Wald: Ganz herzlichen Dank für das erneute, sehr informative Gespräch. Ich wünsche Ihnen und der Index-Gruppe ein weiterhin erfolgreiches Jahr 2025.
Grenz: Sehr gerne, Herr Prof. Wald.

Mein Gesprächspartner
 Jürgen Grenz ist CEO der 1994 gegründeten Index-Gruppe, die heute rund 200 Mitarbeitende beschäftigt. Die Unternehmensgruppe ist Spezialist für Vertriebsoptimierung, Employer Branding, Personalmarketing, HR-Consulting, Personalmarktforschung und Outplacement. Zu diesen Themenfeldern berät Index Unternehmen, Personaldienstleister, Verlage, Jobbörsen, Agenturen, öffentliche Einrichtungen und Verbände. Mit ihrer Stellenanzeigen-Datenbank Index Anzeigendaten ist die Gruppe europäischer Marktführer in der Analyse des Stellenmarkts.




Montag, 30. Juni 2025

Der HR Innovation Day is back - Mit KI HR besser machen? Ja - aber …

Der HR Innovation Day ist zurück.

Nach 2022 konnten wir 2025 endlich eine Neuauflage „meines“ „Offline-Events“ realisieren. Heute komme ich zu einem persönlichen Recap des diesjährigen HR Innovation Days. Zugegebenermaßen recht spät - dies hat aber auch Vorteile. Erst einmal der Blick auf das sehr positive Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was mich wirklich sehr gefreut hat („Ein echtes Highlight-Format🎉“; „spannend“; „echtes Lern- und Denkabenteuer“.
Zu einem Rückblick gehören selbstverständlich auch Gedanken was das Event letztlich gebracht hat. In diesem Fall weniger aufregende Animationen und auf Fotos jubelnde Jung-Personaler als eine beachtliche Reihe nachvollziehbarer Einblicke in das derzeitige KI-Geschehen im HR-Kontext. Dies macht es einfacher zu beurteilen, was KI für HR und die HRler bedeutet. Neben vielen Chancen existieren hier auch zahlreiche Risiken. Ich bin deshalb rückblickend sehr froh, den Event-Titel mit einem Fragezeichen (!) versehen zu haben ("Mit KI HR besser machen?“). Ein Blick auf die Beiträge verdeutlicht die aktuelle Situation und, was bei weitem wichtiger ist, lässt die künftigen Anforderungen an das Personalmanagement beim zunehmenden Einsatz von KI erkennen.

  • KI bietet ungeahnte Leistungssteigerungen bei HR-Tätigkeiten an. Das Zeitalter eines „Super-Workers“ bricht an. Dieser weithin optimistische Blick auf KI als Enabler von HR durch Kathi Enderes (SVP bei Josh Bersin) dürfte nicht überall auf Zustimmung stoßen, war aber ein sehr guter Aufschlag für das Event. Der Blick auf die breiten Erfahrungen mit KI in den USA lässt die auch bei uns bevorstehenden Entwicklungen von KI im Bereich HR erkennen. Erwähnenswert, dass dieser Input aus Palo Alto in Richtung Leipzig erfolgt ist. Ganz herzlichen Dank an Kathi Enderes dafür! 
  • Es wurde deutlich, dass die HR-Innovationen nach wie vor nicht aus den HR-Bereichen, sondern zumeist aus anderen Bereichen, wie der IT, kommen. Ein hervorragendes Beispiel für EdTech-Lösungen waren Workshop und Keynote von Gabriele Riedmann de Trinidad. Sie hat verdeutlicht, welche Potenziale im Erfassen und der Weitergabe von Wissen in Form personalisierter Lernangebote sprich Micro-Learnings liegen. Mit der Übertragung des Begriffs digitaler Zwilling in den Bereich Lernen konnte sie klar machen, wie adaptives Lernen praktisch umgesetzt werden kann. Hier galt zuzusehen, zu staunen und dabei an die Implementierung dieser faszinierenden Lösungen im HR Bereich zu denken. 
  • Arbeitszeitfragen sind ein Evergreen betrieblicher Personalarbeit. Der deutschlandweit bekannte Arbeitszeit-Experte Guido Zander - den wir erneut beim HR Innovation Day begrüßen konnten - hat auch diesmal den Blick auf neue Herangehensweisen bei der Arbeitszeit- und Einsatzplanung eröffnet. Hier eröffnen sich durch die Einbeziehung von KI neue Möglichkeiten für die Gestaltung des Einsatzes von Mitarbeitenden. Guido Zander hat sich in seiner Keynote auch wieder einmal für flexible Arbeitszeitmodelle bei Dekless Workern stark gemacht. 
  • Das Recruiting eilt - was den Grad der Nutzung von KI-Lösungen angeht - den anderen HR-Bereichen oftmals davon. Wolfgang Brickwedde konnte dies bei einer Beschreibung der aktuellen Situation im Recruiting aber insbesondere auch durch den Blick auf die künftige Aufgabenteilung zwischen Recruitern und KI nachvollziehbar skizzieren. Der Workshop von Uwe Thuß hat hier deutlich gezeigt, welche breiten Möglichkeiten eine KI-gestützte und an konkreten Anforderungen orientierte Personalauswahl gerade für die aktuellen Nachfolgefragen bietet. Eine wichtig Notiz: Auch viele Bewerberinnen und Bewerber rüsten auf - denn sie greifen zunehmend - selbst bei virtuellen Vorstellungsgesprächen auf KI-Unterstützung zurück. 
  • Die Vorteile von KI-Lösungen für ausgewählte HR-Aufgaben sind bislang vielen Personalern offensichtlich nicht genügend bekannt. Beispielhaft sind hier KI-gestützte Online-Coachings in natürlicher Sprache zu nennen (ein exzellenter Workshop mit Dan Blinstein und Angelika Geißler von koviko). Ich denke, dass hier eine hohe Akzeptanz bei den Coachees zu erwarten ist. Hinzu kommt die mögliche Unterstützung beim Personalabbau. Ein Thema, dass die viele Personaler zunehmend bewegen dürfte. Welche beträchtlichen Potenziale hier von einem KI-gestützten Outplacement zu erwarten sind, konnte Paul Kanzler von Talent Placement eindrucksvoll in seinem Workshop anhand konkreter Beispiele und Erfahrungen verdeutlichen. 
  • Bei der Einführung und Anwendung von KI-Lösungen in den Personalbereichen braucht es erfahrungsgemäß auch mutige und vorwärts drängende Einzelkämpfer, die mit Enthusiasmus und Einfallsreichtum in Bereiche gehen, die auf den ersten Blick nicht als Präzedenzfälle des Einsatzes von KI gelten. Dafür steht mein Professorenkollege Thorsten Richter der sich bereits seit langer Zeit und mit nachhaltigem Erfolg dem Einsatz von KI im Kontext von Recht und zunehmend auch im Arbeitrecht verschrieben hat. In seinem Workshop hat er für viele Aha-Effekte gesorgt und gezeigt, was KI gerade im rechtlichen Kontext bewirken kann. 
  • Für den künftigen Erfolg braucht HR viel stärker als bisher die Fähigkeit eigene Geschichten zu erzählen. In seinem Workshop hat Tobias Hegner von VerVieVas die Grundlagen, die hierfür nötigen Fähigkeiten und deren Anwendung anhand konkreter Beispiele sehr nachvollziehbar beschrieben. 
  • Das Thema Unternehmenskultur und Werte bewegt viele Personaler. Hier fehlt es jedoch häufig an Optionen hier auf der Basis konkreter Informationen aktiv zu werden. Beim Schließen dieser Lücke kann das Start-up Heart & job helfen. Beim Workshop mit der Gründerin Sarah Brauns war zum Umgang mit den Werten der Unternehmen oder der (potenziellen) Mitarbeiter war dazu viel zu erfahren. Mit Hilfe einer KI-gestützten Analyse der Unternehmenskultur kann hier fundierter als bisher agiert werden. 
  • Und: HR braucht für die nötigen Veränderungen unbedingt langen Atem. Deshalb war es richtig mit der Keynote von Babette Sonntag gerade nicht auf KI zu setzen. Sie setzte mit ihrer Keynote durchweg eigene Akzente. Mit ihrem umfassenden Blick auf japanische Führungsmodelle konnte sie dem gegenwärtigen „Kurzfrist-Hype“ bewusst die auf der Langzeitorientierung basierende Innovativität japanischer Führung entgegensetzen. 
Interessant: HR Innovationen sind auch außerhalb der klassischen Unternehmen gefragt. Es freut mich sehr, dass mit dem Paritätischen Sachsen auch eine Institution aus dem Bereich der Sozialwirtschaft die Nützlichkeit neuer Herangehensweisen bei Führung und Personalmanagement erkannt hat und hier eigene Wege zur Implementierung neuer Lösungen gehen wird.

Was bleibt? Der HR Innovation Day ist das solide und unaufgeregte Event für junge und jung gebliebene Personaler, die sich in der Atmosphäre einer Hochschule über hochaktuelle Entwicklungen informieren und dabei auch netzwerken wollen. Dabei steht die offline-Wissensvermittlung und auch das gemeinsame Lernen im Vordergrund. Künftig dürfte es darauf ankommen, wie es Personalern gelingt, sich das notwendige Wissen für den gezielten Einsatz von KI-Lösungen anzueignen. Der Wissensaustausch mit Vertretern anderer Domänen wird zunehmend unverzichtbar. Dazu gehört mMn neben Offenheit und Aufgeschlossenheit auch die Bereitschaft, sich an einem sonnigen Samstag mit Wissens- und Erfahrungsträgern auszutauschen. 

Eine kleine Notiz am Rande. Es gibt Zufälle und ZUFÄLLE. Am 14. Juni 2025, dem Tag des HR Innovation Days, erschien endlich mein Herausgeberwerk „Deskless Work und Personalmanagement“ an dem ich fast zwei Jahre gearbeitet habe. 

Auf ein Wiedersehen in Leipzig freut sich.

Peter M. Wald


Freitag, 6. Juni 2025

The Age of the Superworker - What does AI adoption mean for HR? - Interview with Kathi Enderes

This year's HR Innovation Day is approaching. It is a good tradition to present the keynote speakers and workshop hosts in interviews. My interviewee for today is Kathi Enderes, Senior Vice President Research at Josh Bersin. She is a well-known consultant in the field of HR management and a frequently requested keynote speaker. In her statements, she often provides unique insights into the possibilities of innovative HR management, particularly with regard to the increasing use of AI. That's why I'm very happy that she will keynoting at this year HR Innovation Day. The title of her keynote is “The Age of the Superworker”.

Peter: First of all, thank you for enriching this year's HR Innovation Day with a keynote. May I ask you to introduce yourself? 
Kathi: I’m Kathi Enderes, SVP of Research and Global Industry Analyst at The Josh Bersin Company. We are a research and advisory company for HR. Together with our team, I provide insights on all aspects of HR, leadership, learning, talent, and HR technology. My background is from management consulting at EY, PwC, IBM, and Deloitte, as an HR executive at McKesson and Kaiser Permanente, and for the last five years, I’ve been working with Josh Bersin and our team to build our company to enable the HR profession. Originally from Austria, I’ve worked in Vienna, London, Malaga, and San Francisco, and I now live in Palo Alto, California.

Peter: The title of your keynote is „The Age of the Superworker“. What do you mean by the term „Superworker“?
Kathi: A superworker is an employee who uses AI to dramatically increase their contribution, performance, and productivity while also doing more meaningful and interesting work. Anybody can be a superworker, and it’s up to us in HR to enable the workforce to become superworkers and to build superworker organizations.

Peter: May I ask you to explain briefly the link between AI and HR?
Kathi: For the last 2.5 years (since ChatGPT became publicly available in November 2022), AI has been part of every conversation we are having with HR leaders and their teams. Indeed HR plays a massive role in AI adoption in two areas: 1) supporting enterprise AI transformation through redesign of roles and work, reskilling and development, organizational design, creating a culture of learning and growth, and enabling what we call “change agility”, and 2) embedding AI into HR and talent processes to create a better employee experience, increase performance and productivity of the workforce, and accomplish better people results. So AI transformation is not really about technology (because that is becoming commoditized quickly) but about the organizational and workforce adoption of these technologies into business practices to create value.

Peter: The motto of this year HR Innovation Day is „Making „HR better with AI?“. So here is my important question for HR Professionals: How can HR be better by means of AI?
Kathi: AI in HR plays a significant role for all areas of HR. It’s rapidly changing how we recruit, hire, onboard, develop, reward, manage, and deploy people. There are so many use cases in HR, from simple HR policy support through generative AI to AI-based skills insights for better candidate quality, from AI coaches to using AI for increased pay equity, and from AI-powered learning content development to AI-enabled succession management insights or performance reviews. All of these don’t just make HR more efficient and help save HR time, but they also create a much better, more personalized candidate and employee experience, increase the effectiveness of HR processes to hire better candidates or create more effective development plans, and eventually increase the performance and contribution for every employee. We’ve actually quantified these in one of our reports “Maximizing the Impact of AI in the Superworker Age” that we made publicly available: https://joshbersin.com/maximizing-the-impact-of-ai-in-the-age-of-the-superworker/

Peter: What needs to change therefore at HR?
Kathi: For HR to capture these benefits and significantly increase value and business impact, the HR function needs a new operating system. We call this Systemic HR® - it’s a much more integrated, less siloed, more business-oriented, data driven approach that requires new, “full-stack” HR capabilities. The legacy tiered service delivery model from 30 years ago just doesn’t work anymore. This is the next generation of HR transformation, reinventing the function towards this new model – because AI bridges gaps between HR domains and breaks down siloes.

Peter: Are there perhaps areas of personnel management that do not need to change? Or to put it another way, what things or activities should not be left to AI?
Kathi: AI will impact all areas of HR but it won’t take “over” most areas. Sure, it will support tasks and activities in any area but there are things that it can’t do (yet). For example, an HR business partner may use AI for data analysis, developing alternative scenarios for workforce plans, supporting organizational design and development, and maybe most importantly offloading administrative activities they currently perform on behalf of their business partners, but it will not replace the role of the HR business partner. On the contrary, it holds the promise to finally deliver on a much more value-added HRBP role. The same holds true for all other domains – roles will change, some of them significantly, but new roles and functions will be created. For example – who will maintain the corpus that powers the AI? Who controls and tunes the AI? Who oversees that the right AI agents are deployed and work together well? It’s a new world, and I’m excited for the potential.

Peter: Users of AI - especially in HR departments - report employees' fears. How can these be effectively countered?
Kathi: Fear of change is a big hurdle, and it’s nothing new. We’ve seen these fears in previous automations – when the ATMs were invented, bank tellers were afraid all their jobs would go away. The reason why AI seems scarier is because it’s moving so fast, and because we tend to personify it. But of course it’s not a person, it’s not sentient, it doesn’t have a will. The best way to overcome fear of AI is to start using it. Many people use it in their personal lives already – in fact, whenever we talk with HR teams about this, we hear that 90-95% of them already embed ChatGPT, Copilot, Claude, Perplexity, or Gemini (or other AI assistants) in their everyday lives, for vacation planning, finding recipes, writing better emails, improving their communication skills, and much more. Yet when it comes to work, there is a huge discrepancy between the 5-10% of AI superusers and the rest who are barely using these tools at all. Most companies provide secure AI tools to their employees and many foster hackathons, AI discussion groups, mentoring (or reverse mentoring where younger employees mentor more experienced ones in AI use), communication and celebration of AI successes, and more. We’ve studied these practices and what works in detail and collaborated with Microsoft on a whitepaper.

Peter: Without telling too much, what can the listeners expect from your Keynote in general?
Kathi: It’s a very optimistic, positive story that explains how we got to this place of supporting superworkers, what organizational requirements need to be in place to create superworker companies (we call this dynamic organizations), and what role we in HR can play. We’ll touch on creating talent density, fostering systemic HR, the new role of the CHRO, and provide a four-stage model for work redesign in the age of AI. For a teaser, watch this 3-minute video our team created to explain the concept of the superworker. 

Peter: Finally, a question I'd like to ask all the speakers and workshop hosts. Why are you keynoting at the HR Innovation Day 2025?
Kathi: I’m thrilled about the opportunity! Because I am originally from Austria, it felt like a great fit to talk with a group in Germany and with such a forward-thinking leader like you, Peter. I wish I could do the keynote in German (I speak it at home), but my material and talk track are all in English. The topic of the HR Innovation Day 2025 fits perfectly with our focus for 2025 and for what’s on the mind of all business leaders. Thanks for inviting me!

Peter: Thank you very much today for your support of the HR Innovation Day. I look forward to listen to your keynote.

My interviewee, Kathi Enderes, is the Senior Vice President of Research and Global Industry Analyst at the The Josh Bersin Company; she leads research for all areas of HR, learning, talent and HR technology. Kathi has more than 20 years of experience in management consulting with IBM, PwC, and EY and as a talent leader at McKesson and Kaiser Permanente. Most recently, Kathi led talent and workforce research at Deloitte, where she led many research studies on various topics of HR and talent and frequently spoke at industry conferences. Originally from Austria, Kathi has worked in Vienna, London and Spain and now lives in Palo Alto/California. Kathi holds a doctoral degree and a masters degree in mathematics from the University of Vienna.

Sonntag, 1. Juni 2025

KI und (Arbeits-)Recht - Mit klarem Fokus auf Menschlichkeit, rechtlicher Sicherheit und praktischer Anwendbarkeit - Thorsten Richter im Gespräch

Der HR Innovation Day 2025 wird ein Highlight bei der Vermittlung aktueller Erfahrungen beim Umgang mit KI-Lösungen im modernen Personalmanagement. Ich bin mir sicher, dass der Input meines geschätzten Kollegen Thorsten Richter in einem Workshop mit dem Titel „Wie kann KI bei rechtlichen Fragestellungen helfen?“ auf große Aufmerksamkeit stoßen wird. Dr. iur. Thorsten S. Richter ist Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und ist vielen mittlerweile als der KI-Rechts-Professor bekannt. Mit seinen virtuellen Diskussionsrunden, zahlreichen Videos u.a. bei LinkedIn, dem KI-Labor Recht und mittlerweile zwei Bestseller-Büchern zum Thema KI ist er einer der Vorreiter bei der Anwendung von KI im rechtlichen Kontext. Ich freue mich außerordentlich, ihn als Host eines Workshops gewonnen zu haben und danke ihm ganz herzlich für seine Unterstützung. 

Peter: Lieber Thorsten kannst Du Dich und Deinen Werdegang kurz vorstellen?
Thorsten:  Sehr gern, Peter! Ich bin Thorsten Richter – viele nennen mich einfach Toschi. Ursprünglich aus Hamburg mit familiären Wurzeln in Sachsen, bin ich Jurist und Professor mit langjähriger Praxiserfahrung, insbesondere im Arbeitsrecht. Aktuell bin ich Gründer von INMEVIA AI. Wir unterstützen Unternehmen dabei, KI verantwortungsvoll und sicher zu nutzen – stets mit klarem Fokus auf Menschlichkeit, rechtlicher Sicherheit und praktischer Anwendbarkeit.

Peter: Wo siehst Du die wichtigsten Einsatzfelder von KI-Lösungen im rechtlichen Bereich?
Thorsten: Die zentralen Einsatzfelder von KI im rechtlichen Bereich liegen klar in der Unterstützung von Jurist/innen und Anwält/innen bei der Lösung von Rechtsfällen. KI ermöglicht insbesondere eine deutliche Zeitersparnis und eine höhere Präzision, etwa bei der automatischen Erstellung und Prüfung von Dokumenten, Verträgen oder Klageschriften.  Zudem unterstützt KI bei der Kommunikation mit Streitparteien und bei der Mediation im innerbetrieblichen Streitausgleich. Mit spezialisierten KI-Tools lassen sich systematisch und effizient komplexe juristische Sachverhalte erfassen, relevante Vorschriften identifizieren und strukturierte juristische Prüfungsschemata erstellen. Ein besonderer Mehrwert liegt dabei in der Möglichkeit, KI gezielt für die Erkennung typischer Fehlerquellen oder Haftungsrisiken einzusetzen, um proaktiv Streitfälle zu vermeiden und rechtliche Qualität zu sichern. Letztlich geht es darum, die juristische Arbeit nicht zu ersetzen, sondern wirkungsvoll zu ergänzen und Anwält/innen dabei zu begleiten, bessere und effizientere Entscheidungen zu treffen

Peter: Ich habe Dich ja für einen Einsatz als Host auf einem Event mit dem Schwerpunkt HR gewinnen können. Wo lassen sich Einsatzmöglichkeiten von KI mit Bezug zum Arbeitsrecht finden?
Thorsten: Künstliche Intelligenz (KI) wird sich im arbeitsrechtlichen Bereich als vielseitiges Werkzeug etablieren, da bin ich mir sicher. KI wird sowohl von Arbeitsrechtsanwälten als auch von nicht-juristschen Mitarbeitern von HR-Abteilungen genutzt werden.
Für Arbeitsrechtsanwälte: 
  • Vertragsanalyse und -prüfung: KI-gestützte Tools ermöglichen die automatisierte Analyse von Arbeitsverträgen, um potenzielle Risiken und Unstimmigkeiten frühzeitig zu erkennen.
  • Rechtsrecherche: Durch den Einsatz von KI können relevante Gesetzestexte, Urteile und Literatur effizienter durchsucht und ausgewertet werden.
  • Vorbereitung auf Gerichtsverfahren: KI kann bei der Analyse von Fallakten helfen, indem sie Muster erkennt und relevante Präzedenzfälle identifiziert.
Für HR-Abteilungen:
  • Recruiting-Prozesse: KI wird eingesetzt, um arbeitsrechtskonform Bewerbungen zu sichten, Kandidatenprofile zu analysieren und passende Bewerber vorzuschlagen.
  • Einige Unternehmen nutzen KI zur Analyse von Mitarbeiterleistungen, um Schulungsbedarfe zu identifizieren - hier sind arbeitsrechtliche Grenzen zu berücksichtigen.
  • Vertragsmanagement: KI unterstützt bei der Erstellung und Verwaltung von Arbeitsverträgen, indem sie Standardklauseln vorschlägt, auf rechtliche Änderungen hinweist und an innerbetriebliche Anforderungen anpasst.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Einsatz von KI im arbeitsrechtlichen Kontext sorgfältig geplant und umgesetzt werden muss, um Datenschutzbestimmungen einzuhalten und Diskriminierungen zu vermeiden.

Peter: Kannst Du dies vielleicht anhand kleinen Beispiels erläutern?
Thorsten: Sehr gern. Ein klassisches Beispiel ist der Einsatz eines KI-gestützten Vertragsgenerators in einem mittelständischen Unternehmen. Die Personalabteilung erstellt damit automatisch rechtskonforme Arbeitsverträge für neue Mitarbeitende, angepasst an interne Standards und aktuelle gesetzliche Regelungen. Zusätzlich bietet das System Erklärhilfen und Schulungsfunktionen, um auch weniger erfahrene HR-Mitarbeitende sicher durch den Vertragsprozess zu führen. Bei jeder Eingabe prüft das System die Vertragsinhalte auf typische Fehler, wie z. B. fehlende Befristungsbegründungen oder problematische Klauseln zur Arbeitszeiterfassung. Zusätzlich wird ein Hinweis auf relevante Fristen oder Mitbestimmungsrechte eingeblendet. Die Personalabteilung spart so Zeit, erhöht die Rechtssicherheit und kann sich stärker auf den menschlichen Aspekt des Onboardings konzentrieren.

Peter: Was kommt auf die Personaler im Kontext von KI und Arbeitsrecht zu?
Thorsten: Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in den HR-Bereich bringt für Personalverantwortliche sowohl Chancen als auch erhebliche Herausforderungen mit sich.
  1. Neue gesetzliche Anforderungen: Mit dem Inkrafttreten der EU-KI-Verordnung (AI Act) am 1. August 2024 wurden klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI geschaffen. Insbesondere Anwendungen im HR-Bereich, wie KI-gestützte Bewerberauswahl oder Leistungsbeurteilungen, gelten oft als Hochrisiko-Systeme und unterliegen daher strengen Anforderungen hinsichtlich Transparenz, Nachvollziehbarkeit und menschlicher Kontrolle.
  2. Datenschutz und Mitbestimmung: Der Einsatz von KI-Systemen muss stets im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehen. Automatisierte Entscheidungen, die rechtliche Wirkung entfalten oder Mitarbeitende erheblich beeinträchtigen, sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Zudem sind Betriebsräte frühzeitig einzubeziehen, insbesondere wenn KI-Systeme zur Leistungsüberwachung oder Verhaltensanalyse eingesetzt werden.
  3. Fachliche und ethische Kompetenzen: Personaler müssen sich nicht nur mit den technischen Aspekten von KI auseinandersetzen, sondern auch ethische Fragestellungen berücksichtigen. Dies umfasst die Sicherstellung von Fairness, Vermeidung von Diskriminierung und Gewährleistung der Transparenz von KI-gestützten Entscheidungen. Eine kontinuierliche Weiterbildung und Sensibilisierung für diese Themen ist unerlässlich.
  4. Strategische Integration von KI: KI sollte nicht isoliert, sondern als integraler Bestandteil der HR-Strategie betrachtet werden. Dies beinhaltet die Entwicklung klarer Richtlinien für den KI-Einsatz, die Definition von Verantwortlichkeiten und die Schaffung von Mechanismen zur Überwachung und Bewertung der KI-Systeme. Eine enge Zusammenarbeit mit IT, Rechtsabteilung und Betriebsrat ist hierbei entscheidend.
Insgesamt erfordert der verantwortungsvolle Einsatz von KI im Personalwesen ein ausgewogenes Zusammenspiel von Technologie, Recht und Ethik. Personaler stehen vor der Aufgabe, diese Balance zu finden und KI so zu nutzen, dass sie sowohl den Unternehmenszielen dient als auch die Rechte und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden wahrt.

Peter: Und jetzt kommt meine Abschlussfrage, die ich allen Unterstützern des Events stelle. Warum kommst Du zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Thorsten: Ich freue mich auf den HR Innovation Day, weil er eine einmalige Gelegenheit bietet, von anderen Referenten, ihren KI-Anwendungsbeispielen und ihrer Praxiserfahrung zu lernen. Gleichzeitig bietet der HR Innovation Day für mich die passende Gelegenheit, eine Idee zu teilen, die mich aktuell sehr beschäftigt: ein gemeinsames Forschungsprojekt mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht unter dem Arbeitstitel „KI-Arbeitsrechtsexperte werden in 14 Tagen“. Ich möchte ausloten, inwiefern dieses Projekt Personalverantwortliche dabei unterstützen kann, KI sinnvoll mit arbeitsrechtlichem Know-how und einer menschenzentrierten Perspektive zu verbinden.

Peter: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Ich freue mich auf Deinen Workshop.
Thorsten: Ich danke Dir, Peter – für die Einladung, die inspirierende Idee hinter dem HR Innovation Day und die Möglichkeit, diesen Austausch mitzugestalten. Ich freue mich sehr auf Leipzig, die Teilnehmenden und spannende Impulse rund um HR und KI!

Prof. Dr. iur. Thorsten S. Richter ist führender Experte für die Verbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Unternehmertum. Mit seiner langjährigen Erfahrung in Wirtschaft, Recht und Unternehmensberatung zeigt er, wie KI nicht nur Prozesse automatisiert, sondern strategische Unternehmensentscheidungen auf ein neues Niveau heben kann. Als Gründer des Praxisinstituts für Wirtschaft, Recht und KI und INMEVIA.AI vermittelt er praxisnah, wie KI-Tools in Unternehmen integriert werden können – von Start-ups bis zu etablierten Konzernen. Sein Ziel besteht darin, Unternehmern, Entscheidern und Beratern das Wissen und die Werkzeuge an die Hand zu geben, um KI effektiv und gewinnbringend einzusetzen. Mit seiner umfassenden Erfahrung als Wirtschaftsrechtsprofessor, Unternehmensberater und KI-Stratege bringt Prof. Richter Theorie und Praxis zusammen – stets mit dem Fokus auf umsetzbare, sofort anwendbare Lösungen für den modernen Geschäftsalltag. In den aktuellen Büchern „KI-Jurist/in werden in 14 Tagen“ und „KI-Unternehmer/in werden in 14 Tagen“ hat er seine Erfahrungen praxisorientiert aufbereitet und hilft damit Hürden bei der KI-Nutzung abzubauen und anwendungsorientiertes Wissen zu vermitteln.


Mittwoch, 28. Mai 2025

Mitarbeiter weg - Wissen weg: Kann die KI vor Wissensverlust schützen? - Gespräch mit Gabriele Riedmann de Trinidad

Nur noch zwei Wochen trennen uns vom diesjährigen HR Innovation Day. Es ist eine weithin geschätzte Tradition, alle Keynote-Speaker und Workshop-Hosts im Vorfeld zu befragen. Heute habe ich mit Gabriele Riedmann de Trinidad eine Unterstützerin des Events im Interview, die sowohl eine Keynote als auch einen Workshop anbietet. Ihre Keynote trägt den Titel „Mitarbeiter weg - Wissen weg: Wie kann KI vor Wissensverlust schützen?“ und der Workshop die Überschrift „Arbeitswelt und Gesellschaft im Wandel: Neue Anforderungen an Learning & Development - Ist KI die Lösung?“ Frau Riedmann de Trinidad ist Geschäftsführerin und Gründerin des Unternehmens platform3l GmbH in Bonn. Ich habe sie im März 2025 beim Learning Summit in München kennengelernt und im Abschluss daran sofort Kontakt mit ihr aufgenommen. In einem VideoCall hat mir Frau Riedmann de Trinidad ihre Lösung zum Expert Debriefing vorgestellt und die umfassenden Anwendungsmöglichkeiten erläutert. Ihr Ansatz zum KI gestützten Lernen hat mich wirklich beeindruckt und ich bin deshalb außerordentlich froh, sie für eine Mitwirkung am HR Innovation Day gewonnen zu haben. Bereits an dieser Stelle ganz herzlichen Dank an Frau Riedmann des Trinidad aktive Beteiligung am Event und natürlich auch für die Möglichkeit dieses Gespräch mit ihr zu führen.

Wald: Vornweg herzlichen Dank für Ihre Beiträge zum HR Innovation Day und auch für dieses Gespräch.

Riedmann de Trinidad: Gerne und ich freue mich auf die Veranstaltung.

Wald: Könnten Sie sich, Ihren Werdegang und Ihr Unternehmen kurz vorstellen.
Riedmann de Trinidad: Ich bin Diplom-Ingenieurin für Elektrotechnik mit Fokus auf IT und habe über 25 Jahre internationale Führungserfahrung in der digitalen Transformation. Nach Stationen bei Siemens, der Deutschen Telekom und der Metro AG habe ich 2016 das EdTech-Unternehmen platform3L gegründet. Unsere mehrfach ausgezeichnete KI-gestützte Lernplattform hilft Unternehmen, Wissen zu sichern, Onboarding zu beschleunigen und Lernkultur neu zu denken. Ich verstehe mich als Brückenbauerin zwischen Technologie, Business und Mensch. Für mein Engagement wurde ich u. a. als eine der einflussreichsten Ingenieurinnen Deutschlands sowie als eine der Top 50 IT-Frauen ausgezeichnet.

Wald: Kommen wir nun zu Ihrer beeindruckenden Lösung. Gibt es hierzu eine Entstehungsgeschichte?
Riedmann de Trinidad: Wie wertvoll Wissen ist, habe ich als Leiterin globaler Infrastrukturprojekte bei Siemens erlebt – über 3.000 Projekte weltweit, viele Fehler, weil Erfahrungswissen fehlte. Erst als wir systematisch Best Practices und Lessons Learned auswerteten, konnten wir im ersten Halbjahr 50 Millionen Euro einsparen. Diese Erfahrung war der Ausgangspunkt für die Gründung von platform3L – mit dem Ziel, genau dieses Wissen heute mithilfe von KI einfach, schnell und skalierbar im Unternehmen nutzbar zu machen.

Wald: Beim Blick auf Ihre Lösung dürfte vielen (jetzt endlich!) die praktische Umsetzung von Wissensmanagement und Micro Learning klar werden.
Riedmann de Trinidad: Absolut – genau das ist der Kern unseres Ansatzes. Wenn 30 % der Belegschaft in Rente gehen, verlieren wir nicht nur Kapazität, sondern vor allem tiefes Erfahrungswissen, das oft nie dokumentiert wurde. Mit KI machen wir dieses Wissen schnell und einfach nutzbar: Mitarbeitende erzählen ihre Erfahrungen – per Audio, Video oder Text – und unsere Plattform verwandelt das in mehrsprachige Microlearnings, Quizformate und strukturierte E-Learnings. So sichern wir nicht nur Know-how, sondern schaffen auch die Grundlage für ein effektives, sprachsensibles Onboarding – ein echter Gamechanger im Umgang mit dem Fachkräftemangel. Zum Microlearning: 
Das ist nicht einfach ein Trend, sondern eine notwendige Antwort auf das veränderte Lernverhalten. In einer Welt, in der Aufmerksamkeit knapp ist und Informationen im Sekundentakt auf uns einprasseln, funktionieren klassische Lernformate oft nicht mehr. Micro-Learnings setzen genau dort an: kurze, gezielte Wissenshäppchen, eingebettet in gewohnte Formate – mobil, interaktiv und direkt anwendbar.
Damit holen wir die Lernenden in ihrem Alltag ab und sorgen dafür, dass Wissen nicht nur konsumiert, sondern wirklich verankert wird.

Wald: Können Sie etwas zu konkreten Anwendungsszenarien sagen?
Riedmann de Trinidad: Wir sehen drei zentrale Anwendungsfelder in der Praxis: Erstens, das systematische Einsammeln von Erfahrungswissen, bevor es mit Mitarbeitenden in den Ruhestand geht – in Form von Interviews, Webinaren oder kurzen Videos, die unsere KI automatisch in mehrsprachige Lernformate umwandelt. Zweitens, die Transformation bestehender Inhalte wie Prozess- oder Sicherheitsdokumentationen in kurze, leicht konsumierbare E-Learnings – das spart nicht nur Zeit, sondern schafft auch echte Nutzungsraten. Und drittens: Community Learning. In Zeiten, in denen sich alle zwei Wochen neue KI-Anwendungen auftun, braucht es eine Kultur, in der Kolleg:innen ihre Erfahrungen kontinuierlich teilen – damit aus Einzelwissen kollektives Können wird. Gerade große Unternehmen gewinnen dadurch Agilität und bleiben in der Technologie-Explosion handlungsfähig.

Wald: Wie sind die Erfahrungen der Anwender mit Ihrer Lösung?
Riedmann de Trinidad: Unsere Anwender sind oft positiv überrascht, wie mühelos KI Inhalte in verwertbare Lernformate überführt. Plötzlich wird abstraktes Firmenwissen greifbar, verständlich – und vor allem anwendbar. Besonders begeistert sind viele vom spielerischen Zugang: Quiz-Duelle auf Basis eigener Inhalte bringen nicht nur Wettbewerb und Spaß ins Lernen, sondern steigern nachweislich die Motivation. Genau diese Leichtigkeit und Interaktivität sind entscheidend, wenn wir lebenslanges Lernen wirklich in den Alltag integrieren wollen.

Wald: Mein gegenwärtiges Thema ist das Personalmanagement im Bereich Deskless bzw. Blue Collar-Work. Gibt es hierzu Beispiele aus Ihrer Praxis?
Riedmann des Trinidad: Ja, gerade im Blue-Collar-Bereich haben wir spannende Praxisbeispiele – denn hier steckt oft besonders wertvolles Erfahrungswissen, das bislang kaum systematisch gesichert wurde. So haben wir zum Beispiel mit Gleisbauer gearbeitet, deren Wissen per Interview erfasst und dann durch unsere KI in leicht verständliche, visuelle Modell-Qualitäts-E-Learnings überführt wurde – ideal für den mobilen Einsatz. Wichtig ist dabei: Die Inhalte werden nicht einfach übersetzt, sondern zielgruppengerecht vereinfacht, visualisiert und auch in verschiedenen Sprachniveaus bereitgestellt – damit Lernen auch dort funktioniert, wo es bisher oft zu kurz kam.

Wald: Der HR Innovation Day ist ja ein Event vor allem für Personaler, gibt es in Ihrer Laufbahn und zu den Angeboten Ihres Unternehmens konkrete Schnittstellen mit dem Personalmanagement?
Riedmann de Trinidad: Unser Ansatz ist eng mit dem Personalmanagement verzahnt. Gerade in Bereichen wie Onboarding, Offboarding, Nachfolgeplanung oder der Weiterbildung von Quereinsteiger:innen und internationalen Fachkräften spielt unsere Lösung eine zentrale Rolle. Wir unterstützen HR-Abteilungen dabei, internes Wissen schnell zu sichern, in Lernformate umzuwandeln und so strukturiert zugänglich zu machen – individuell, skalierbar und mehrsprachig. Damit wird Lernen nicht nur effizienter, sondern trägt auch messbar zur Fachkräftesicherung und strategischen Personalentwicklung bei.

Wald: Beeindruckt haben mich auch Ihre Berichte zu Ihrem Aufenthalt vor einigen Wochen in Tansania. Können Sie meinen Leserinnen und Lesern etwas zum Grund und den Erlebnissen Ihrer Reise mitteilen?
Riedmann de Trinidad: Ich hatte die große Freude, zum zweiten Mal als Aussteller auf dem Deutschlandstand der eLearning Africa diesesmal in Tansania dabei zu sein – und es war wieder beeindruckend. Wenn eine Konferenz mit den Worten beginnt: „Wir warten nicht auf die Zukunft, wir gestalten sie aktiv“, dann weiß ich: Ich bin genau am richtigen Ort. Besonders begeistert hat mich die offene, lösungsorientierte Haltung vieler afrikanischer Teilnehmender – sie denken nicht in Hürden, sondern in Möglichkeiten und nutzen KI und neue Technologien mutig und direkt. Diese Aufbruchsstimmung, dieser Wille zur Gestaltung – davon könnten wir uns in Deutschland manchmal eine Scheibe abschneiden. Afrika ist in vielem nicht „hinterher“, sondern schon längst mittendrin in der Zukunft des Lernens.

Wald: Meine Standardfrage stelle ich immer zum Schluss. Warum kommen Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Riedmann de Trinidad: Ich freu mich am HR Innovation Day in Leipzig, Menschen zu treffen, die nicht nur auf Veränderungen reagieren, sondern sie aktiv gestalten. Ich freue mich auf den Austausch mit Zukunftsgestalter:innen, die – wie auf der eLearning Africa in Tansania – mutig, neugierig und lösungsorientiert an die Themen herangehen. Ein bisschen dieses Tansania-Feelings in Leipzig zu erleben – das wäre großartig.

Wald: Liebe Frau Riedmann, herzlichen Dank für das Gespräch. Ich freue mich sehr auf Ihren Beitrag zum HR Innovation Day in Leipzig.
Riedmann de Trinidad: Vielen Dank, Herr Wald – ich freue mich sehr auf Leipzig und darauf, meine Impulse beim HR Innovation Day mit Ihrer Community zu teilen!

Gabriele Riedmann de Trinidad versteht sich als Visionäre Digitalisierungsexpertin, die mit Leidenschaft und Innovationsgeist Konzepte und Softwarelösungen entwickelt, die deshalb so authentisch sind, weil sie das digitale Dilemma kennt. Sie verfügt über einen Abschluss als Diplom-Ingenieurin Elektrotechnik Fachrichtung IT. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des EdTechUnternehmens platform3l GmbH in Bonn. Gabriele Riedmann de Trinidad wurde mehrfach ausgezeichnet von der Computerwoche als einer der TOP 50 Frauen in der IT in Deutschland. Der Verband der deutschen Ingenieurinnen zeichnet Sie aus als eine der einflussreichsten Ingenieurinnen Deutschlands. Die Jacobs Foundation hat platform3L mit dem GESAward ausgezeichnet als eines der weltweit besten KI unterstützten Lernsysteme. Für Ihr Engagement in der Community University der Deutschen Telekom erhielt platform3L den e-Learning Award 2025 in den Kategorien KI und Lernkultur.

Samstag, 24. Mai 2025

Lernen und Coaching mit KI - Gespräch mit Angelika Geißler und Dan Blinstein von koviko

Für eine Mitwirkung am diesjährigen HR Innovation Day habe ich koviko aus Potsdam gewinnen können. Ich freue mich darüber und danke bereits an dieser Stelle ganz den beiden Vertretern von koviko herzlich. Mit diesem Interview möchte ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmern des diesjährigen HR Innovation Days sowie die Leserinnen und Leser meines Blogs über den Workshop zum Thema „Performance-Boost durch Coaching mit KI - Messbar. Schnell. Kostengünstig“ informieren. Bereits an dieser Stelle herzlichen Dank an Frau Geißler und Herrn Blinstin. Ich freue mich, dass sie beide den HR Innovation Day 2025 mit einem Workshop bereichern und ich Ihnen heute dazu auch einige Fragen stellen kann.

Wald: Liebe Frau Geißler, lieber Herr Blinstein, könnten Sie sich und koviko kurz vorstellen?
Geißler: Ich bin AI Information Designerin bei koviko und verwandle Know-how in dialogische Lernerlebnisse; mit der InfinityBox stärken wir Mitarbeitende „messbar, schnell und kostengünstig“ durch KI-gestütztes Coaching.
Blinstein: Als Education-Technology-Experte sorge ich dafür, dass unsere Plattform nahtlos in jede IT-Landschaft passt – koviko liefert dafür von Wissensportalen bis zur InfinityBox skalierbare Lernlösungen.

Wald: Sie bieten einen Workshop zum Themenbereich Coaching mit KI an. Wo sehen Sie die grundsätzlichen Unterschiede zwischen einem Coaching mit und ohne Einsatz von KI?
Geißler: Der KI-Coach analysiert jede Antwort live, passt Schwierigkeit und Szenario sofort an und begleitet Lernende dialogisch; traditionelles Coaching bleibt dagegen statisch und skaliert nur mit zusätzlicher Trainerzeit.

Wald: Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Akzeptanz von Coaching mit KI? Könnten Sie etwas zu den Meinungen der Nutzer sagen?
Blinstein: Kund*innen loben die kreative, unkomplizierte Zusammenarbeit und betonen, dass wir selbst komplexe Lernportale in Rekordzeit liefern – besonders gefallen Design und einfache Bedienung der InfinityBox.

Wald: Können Sie typische Coaching-Situationen nennen, wo sich bislang der Einsatz von KI als vorteilhaft erwiesen hat?
Geißler: Ja gern, Onboarding neuer Mitarbeitender, Soft-Skill-Training für Quereinsteiger und sensible Führungsgespräche profitieren besonders, weil realistische Gesprächssimulationen „gefahrloses“ Üben ermöglichen.

Wald: Sie schreiben von einer InfinityBox, die im Rahmen des Coachings sowohl für eine dynamische Ausrichtung als auch realistische Szenarien sorgt. Was ist darunter zu verstehen?
Blinstein: Die Box kombiniert einen dynamischen Lerndialog mit praxisnahen Simulationen – die KI wird zum Gesprächspartner, erkennt das jeweilige Kompetenzniveau und erzeugt situative Szenarien, die sich fortlaufend anpassen.

Wald: Wie messen Sie den Erfolg KI-gestützter Coachings?
Geißler: Über integrierte Analyse- und Reporting-Funktionen lassen sich zukünftig immer besser Lernfortschritte, Kompetenzlücken und KPI-Trends verfolgen.

Wald: Was für technische Anforderungen sind bei einem KI-gestützten Coaching zu berücksichtigen?
Geißler: Ein aktueller Browser, eine stabile Internetverbindung und ein Headset genügen – Software-Installationen sind nicht nötig.

Wald: Was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Ihrem Workshop erwarten?
Blinstein: Sie erleben einen Live-Dialog mit der InfinityBox, testen praxisnahe Simulationen selbst und nehmen sofort umsetzbare Tipps für Erfolgsmessung und Skalierung mit.

Wald: Eine wichtige Frage zum Schluss der Interviews. Warum kommen Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Geißler: Wir möchten zeigen, wie KI-gestütztes Coaching HR-Prozesse revolutioniert – schnell, messbar und kosteneffizient.

Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Auf Ihren Workshop bin ich schon sehr gespannt.
Geißler: Danke, wir freuen uns auf inspirierende Dialoge!
Blinstein: Bis in Leipzig – die Box ist natürlich im Gepäck!

Meine Gesprächspartner waren Angelika Geißler und Dan Blinstein. Angelika Geißler hat Informationsdesign an der Hochschule der Medien Stuttgart studiert, und Dan Blinstein Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin sowie an der Hamburger Fern-Hochschule.



Mittwoch, 21. Mai 2025

Recruiter & KI: Auslaufmodell oder Superkraft der Zukunft? - Gespräch mit dem Recruiting-Spezialisten Wolfgang Brickwedde vom ICR

Die Vorbereitungen zum diesjährigen HR Innovation Day laufen auf Hochtouren. Die Interviews mit den Speakern und Workshop-Hosts bereiten mir immer viel Freude, weil ich dabei erfahre, wie viele Möglichkeiten zum Lernen und zum Erfahrungsaustausch sich durch eine Teilnahme am Event ergeben. Heute spreche ich mit Wolfgang Brickwedde, dem Chef des Institutes for Competitive Recruiting. Wolfgang hatte ich bereits für den HR Innovation Day 2020 fest eingeplant aber die Pandemie machte mir damals bekanntermaßen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Umso mehr freue ich mich mit Wolfgang einen der renommiertesten Recruiting-Experten Deutschlands als Keynote-Speaker an Bord zu haben. Der Titel seiner Keynote lautet „Recruiter & KI: Auslaufmodell oder Superkraft der Zukunft? Zwischen Hype, Hoffnung und harter Realität“. Vielen Dank lieber Wolfgang, dass Du endlich dabei bist und ich Dir heute vorab einige Fragen stellen kann.

Peter: Lieber Wolfgang, könntest Du Dich und Dein Unternehmen kurz vorstellen?
Wolfgang: Gern. Ich bin Wolfgang Brickwedde, Gründer und Director des Institute for Competitive Recruiting (ICR) in Hamburg. Das ICR erhebt seit 2010 Daten zu Recruiting-Trends, berät und schult Unternehmen, veranstaltet Wettbewerbe wie „Deutschlands beste Jobportale“ oder „Deutschlands beste Bewerbermanagementsysteme“ und bietet Formate wie die Online-Konferenz „Recruiting Trends“ oder in Präsenz den „Future of Recruiting Summit“ an. Kürzlich hat das ICR ein Recruiting Reifegrad Modell entwickelt, damit die Arbeitgeber wissen, wo sie (auch im Benchmark mit dem Wettbwerb) stehen und wie sie den nächsten Schritt in der Professionalisierung des Recruitings machen können. Gemäß dem ICR Motto: „Let's take your recruitment to the next level!“

Peter: Was hat sich in den letzten Jahren im Recruiting getan? Ist es wirklich nur KI, die hier dominiert?
Wolfgang: KI wirkt wie ein Turbo, aber sie ist nicht allein ausschlaggebend.
  • Erstens sehen wir einen sprunghaften Einsatz von Recruiting-Technologie; der Anteil der Unternehmen, die KI-Funktionen nutzen, ist von 2023 auf 2024 um 223 Prozent gestiegen.
  • Zweitens sorgen neue Transparenz-Regeln – man denke an die EU-Pay-Transparency-Richtlinie – und der EU-AI-Act mit seiner erstmals rechtlich verbindlichen Definition eines KI-Systems dafür, dass Datenqualität und Governance in den Vordergrund rücken.
  • Drittens hat sich die Erwartungshaltung der Kandidat*innen verändert: Sie wollen One-Click-Bewerbungen, sofortige Rückmeldungen und personalisierte Ansprache. KI beschleunigt diese Trends, aber sie ersetzt sie nicht.
Peter: Was erwartet Recruiter*innen durch den KI-Einsatz? Du sprichst hier von drei Szenarien.
Wolfgang: Das ist richtig. Ich beobachte drei mögliche Entwicklungspfade. 
  1. Szenario - Die Automatisierung kommt: KI nimmt uns transaktionale Tätigkeiten wie Screening, Terminierung oder Job-Posting ab und schafft Raum für strategische Aufgaben. Dies wird allerdings 30-40 % der Recruiting Jobs kosten.
  2. Szenario Job-Sharing: Mensch und Maschine arbeiten als Team: Algorithmen liefern Match-Scores oder Interviewleitfäden, wir interpretieren und treffen Entscheidungen. Bei diesem Szenario bewegt sich die Anzahl der Jobs im Recruiting bei +/- 5-10 %
  3. Szenario Renaissance des Recruitings: Laut Weltwirtschaftsforum entstehen bis 2030 rund 170 Millionen neue Jobs (90 Mio entfallen), etwa Prompt-Engineer oder AI-Ethics-Specialist, sodass Recruiting als Schnittstelle von Technologie und Mensch wichtiger denn je wird. Dazu kommt die demographische Entwicklung…
Peter: Ändern sich damit die Erfolgsfaktoren des Recruitings?
Wolfgang: Ja. Neben klassischem Beziehungsmanagement zählen künftig vor allem Data Literacy, also das Lesen von Funnel-KPI, Prompt-Fluency für den effektiven Umgang mit generativer KI, solide Governance-Kenntnisse zur Bias-Kontrolle und unverändert gutes Storytelling – denn Menschen bewerben sich nach wie vor bei Menschen. Recruiter 1.0, wie ich sie nenne, die also nur verwalten, werden immer weniger gebraucht. Was erfolgreiches Recruiting heutzutage ausmacht, zeigt das ICR Recruiting Reifegrad Modell. Damit wissen die Arbeitgeber über 15 erfolgskritische Recruitingprozesse, wo sie (auch im Benchmark mit dem Wettbwerb) stehen und wie sie den nächsten Schritt in der Professionalisierung des Recruitings machen können.

Peter: Gibt es auch Ängste bei Recruiterinnen und Recruitern durch den verstärkten KI-Einsatz?
Wolfgang: Die gibt es. Studien zeigen Sorgen vor Stellenabbau in administrativen Rollen oder vor Black-Box-Entscheidungen. Gleichzeitig zeigt der IAB-Futuromat, dass Berufe mit hoher persönlicher Interaktion – etwa Recruiter*innen – zu den am wenigsten automatisierbaren gehören. Meine Erfahrung: Wenn Teams die Algorithmen verstehen, beim Tool-Auswahlprozess mitreden und Weiterbildungen erhalten, verschwindet ein Großteil der Angst. Mein Leitsatz lautet deshalb für den Engpass Recruiting Bereich: Recruiter werden nicht durch KI ersetzt, sondern durch Recruiter, die KI nutzen. Im High Volume Recruiting sieht es anders aus. Dort wird die KI und Automatisierung zuerst Einzug halten. Beispiele aus den USA lassen und da schon einen Blick in die Zukunft werfen. Die Regulatorik in der EU wird allerdings die Entwicklung bremsen.

Peter: Was empfiehlst Du Studierenden, die einen Einstieg ins Recruiting anstreben? Welche Skills sind wichtig?
Wolfgang: Zunächst ein solides technisches Fundament – verstehen, wie ein ATS und eine Candidate Journey funktioniert, simple API-Workflows bauen, Prompts sauber formulieren. Dann Analytics: BI-Grundlagen, Statistik, Hypothesen testen, Kenntnisse über erfolgreiche Recruitingkanäle. Drittens Ethik: Ab 2. Februar 2025 müssen Unternehmen KI-Kompetenzen nachweisen, also braucht es Wissen rund um den AI-Act und Bias-Management. Und schließlich Human Skills: Umgang mit Fachvorgesetzten und Jobsuchenden, Empathie, Verhandlungsgeschick und die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen.

Peter: Das Motto der HR Innovation Days lautet „Mit KI HR besser machen?“. Wie kann KI konkret helfen, Recruiting besser zu machen, und wo liegen die wichtigsten Ansatzpunkte?
Wolfgang: Beginnen wir beim Content: Bereits 59 Prozent der Unternehmen nutzen Gen-AI, um Stellenanzeigen zu verfassen, und 47 Prozent personalisieren Sourcing-Mails – das hebt Response-Rates spürbar. Vodafone verschlagwortet Anzeigen automatisch und erstellt Match-Scores, bei der Deutschen Bahn beantwortet ein Chatbot rund um die Uhr Bewerberfragen, Allianz prüft per Augmented-Reality-Tool die inklusive Sprache von Ausschreibungen. Wenn wir diese Quick Wins mit sauberer Datenbasis koppeln, reduziert KI die Time-to-Hire, verbessert die Candidate Experience und erlaubt sogar Forecasts, welche Skills in sechs Monaten knapp werden. Worauf es ankommt, ist ein strukturierter Fahrplan: Prozess kartieren, niedrighängende Früchte – die berühmten „Sweet Spots“ – identifizieren, Pilotprojekte starten und dann skalieren. 

Peter: Warum kommst Du zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Wolfgang: Erstens, weil das Format einzigartig praxisnah ist: Studierende, Start-ups, Mittelstand und Konzerne diskutieren auf Augenhöhe. Zweitens, weil Leipzig eine lebendige Recruiting-Community hat, die neue Ideen nicht nur anhört, sondern ausprobiert. Und drittens, weil ich überzeugt bin, dass wir gerade jetzt – vor dem Inkrafttreten des EU-AI-Acts – gemeinsam Leitplanken für „Human-Centric AI“ im Recruiting setzen müssen. Leipzig ist dafür der perfekte Resonanzraum.