Sonntag, 8. März 2015

Führung in der grenzenlosen Arbeitswelt - Gespräch mit Josephine Hofmann

Vor wenigen Tagen habe ich einen aktuellen Post von Frau Dr. Josephine Hofmann zu flexiblen Arbeitsformen im IAO-Blog gelesen, in dem von einer aktuellen Studie des IAO zur „Führung in der grenzenlosen Arbeitswelt“ berichtet wird. Dies ist ein guter Anlass für einige Fragen zu dieser Studie.

Wald: Vornweg Gratulation zu dieser Studie für die Sie knapp zweieinhalbtausend Führungskräfte befragt haben. Wie ist es zu dieser Studie gekommen?
Hofmann: Wir haben uns im Rahmen vieler Projekte mit Unternehmen immer wieder mit der Frage auseinandergesetzt, ob Führungskräfte neue Arbeitsformen eigentlich begrüssen oder diese eher behindern. Es ist dann immer gerne von der „Lähmschicht“ die Rede. Das wollten wir genauer wissen, denn es entsprach nicht unserer Erfahrung.

Wald: Worin bestanden die Schwerpunkte bei Ihren Untersuchungen? Können Sie meinen Lesern die Ziele bzw. Ergebnisse Ihrer Studie schlagwortartig vorstellen?
Hofmann: Wir wollten Folgendes wissen:
  • Welche Einstellungen haben Führungskräfte zu flexiblen Arbeitsformen
  • Welche Veränderungen für die Führungskräfte treten ein, wenn in ihren Verantwortungsbereichen zunehmend flexibel gearbeitet wird
  • Welche Unterstützung Führungskräfte hierbei brauchen
  • Welche Grenzen Führungskräfte für die Flexibilisierung ziehen
Wald: Sie bewerten die „Hausaufgaben“ bei flexiblen Arbeitsformen auf dem Gebiet IT als weitgehend erledigt, sprechen aber bezüglich Kultur und Führungssystemen von großen Baustellen. Könnten Sie dies etwas näher erklären?
Hofmann: Von der technologischen Voraussetzung her ist heute vieles möglich: Teamplattformen, integrierte Kommunikationslösungen, etc. – diese sind mittlerweile gut verfügbar und durch zunehmende Vernetzung auch immer besser einsetzbar. Woran es fehlt, ist die aktive Auseinandersetzung mit den Folgen zunehmend flexibilisierter Arbeitsformen auf die Arbeitsorganisation und die Wirkungen auf Kommunikationsdichte und persönliche Präsenz. Im „Kopf“ bewegen wir uns immer noch in den alten Bürostrukturen  - unsere Erwartungshaltungen, unser Verhalten, unsere impliziten Annahmen ändern nicht in der Geschwindigkeit, wie sich die Arbeitsorganisation erneuert.

Wald: Aus meiner Sicht spielen bei der aktuellen Führung die jetzt technisch mögliche Transparenz von Leistungen/Verhalten und die neuen Möglichkeiten zur gegenseitigen (auch persönlichen) Bewertung eine zunehmende Rolle. Haben Sie dafür ggf. Belege gefunden?
Hofmann: Ich bin mir nicht sicher worauf Sie hier anspielen. Meinen Sie die technischen Möglichkeiten, z.B. per Auswertung von Präsenzanzeigen in Teamplattformen auch eine (vermeintliche) Leistungskontrolle zu tun? Das ist leider eine sehr verkürzte Sicht auf diese Funktionalität, die ja Ansprechbarkeit und Kommunikationsmöglichkeiten signalisieren soll. Häufig ist das auch ein erbitterter Streitpunkt zwischen Mitarbeitervertretungen und Unternehmensleitung, was ich sehr schade finde. Denn richtig genutzt sind das technische Möglichkeiten, die eine Art „digitalen Flurfunk“ ermöglichen und damit nicht unwesentlich sind für eine intensive Zusammenarbeit - trotz räumlicher Distanz.

Wald: Wie werden sich die Verhaltensweisen von Führungskräften unter den neuen Bedingungen konkret ändern müssen? Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an lebhafte Diskussionen mit Führungskräften. Eine Fraktion war der Auffassung, dass so wie bisher geführt werden kann – die andere Gruppe sprach von einem beträchtlichen Druck anders z. B. offener als bisher zu führen. Was meinen Sie?
Hofmann: Flexible Arbeitsformen haben ein grundsätzliches Vertrauen zur Voraussetzung, und funktionieren nur bei grosser Disziplin aller Beteiligten. Das ist kein Widerspruch. Wenn ich Mitarbeiter noch wesentlich weniger persönlich sehe und treffe, muss ich mir sicher sein können, dass diese ihre Arbeit dennoch gut erledigen können - zuverlässig, in guter Qualität, in gutem Selbstmanagement. Ich bin darauf angewiesen, Kommunikation über technische Medien konsequent und zeitnah zu tätigen, bin angewiesen auf schnelle Rückmeldungen und die Einhaltung von Verabredungen. Übrigens gilt das nicht nur für die Führungskraft, sondern für alle Kollegen. Dedizierte Kommunikation ist das Band, das das Team, die Arbeitsleistung zusammenhält und bündelt, entsprechend wird die Kommunikations- und Medienkompetenz deutlich wichtiger. Zudem verändern sich mit der neuen Generation junger Mitarbeiter auch die Erwartungen an die Einbindung, Mitentscheidung und Betreuung – auch das verändert Führungsarbeit.

Wald: Ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses informative Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg! Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Ergebnisse Ihrer Analysen und freue mich auf eine mögliche Begegnung bei der CEBIT 2015.
Hofmann: Vielen Dank! Im April werden die Ergebnisse unserer Untersuchungen im Verlag der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht.

Dr. Josephine Hofmann
Meine Gesprächspartnerin, Frau Dr. Josephine Hofmann, leitet seit 10 Jahren das Competence Center Business Performance Management des IAO und ist gleichzeitig stellvertretende Leiterin des Geschäftsfeldes Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung. Damit ist sie maßgeblich verantwortlich für die strategische Weiterentwicklung und die verantwortliche Akquisition von Projekten in den Themengebieten „Flexible Arbeitskonzepte“, „Führungs- und Steuerungssysteme“ sowie „Neue Lernformen und Mitarbeiterentwicklung“ und die damit zusammenhängenden Aufgaben der Vermarktung, wissenschaftlichen Methodenentwicklung und Mitarbeiterentwicklung. Inhaltlich leitet sie verantwortlich eine Vielzahl von nationalen und internationalen Forschungs- und Beratungsprojekten bei Organisationen unterschiedlicher Branchen und Grössenordnungen. Die persönlichen Beratungs- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Themen neue Führungskonzepte in der Wissensarbeit, flexible und virtuelle Kommunikation und Kollaboration, der Organisationsentwicklung und des Change Managements sowie der Entwicklung und Implementation neuer Lern- und Entwicklungsansätze im demografischen Wandel. Frau Dr. Hofmann ist daneben seit vielen Jahren als Dozentin bzw. Lehrbeauftragte an der Universität Konstanz, der Hochschule der Medien in Konstanz sowie der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg tätig. Sie ist zeitweise als Expertin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und als Gutachterin der DFG und FTT  tätig und arbeitet ehrenamtlich im Vorstand des Instituts für Lebenslanges Lernen in Stuttgart. Sie ist Autorin einer Vielzahl von Fachveröffentlichungen und Referentin auf einschlägigen Fachveranstaltungen sowie Mitglied des Herausgeberkreises der Zeitschrift HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik. Derzeit ist sie Mitglied der Expertenkommission „Arbeits- und Lebensperspektiven in Deutschland“  der Bertelsmann-Stiftung. Frau Dr. Hofmann ist studierte Verwaltungswissenschaftlerin an der Universität Konstanz und hat dieses Studium noch mit dem Aufbaustudiengang der Informationswissenschaften erfolgreich ergänzt. Sie promovierte nebenberuflich am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik von Prof. Krcmar an der Universität Hohenheim zu den langfristigen Organisationsfolgen des Einsatzes virtueller Arbeitsformen. Ihre Dissertation wurde mit dem Preis der Integrata Stiftung ausgezeichnet

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