Und es ist ein gewichtiger neuer Programmpunkt hinzugekommen: Die HR Fight Night mit dem Kampf zwischen den HR-Giganten Gaedt und Pröhm. Streitpunkt: Der viel und oft beschworene Fachkräftemangel. Unabhängig vom Ergebnis (Siehe Foto) haben die Kontrahenten eindrucksvoll gezeigt, wie ein rhetorischer Streit ohne Verletzungen ausgefochten werden kann.
Doch nun zu den Inhalten. Das HR BarCamp ist seit jeher sehr Recruiting-lastig und wird thematisch von den entsprechenden Dienstleistern dominiert. Dies ist bedauerlich, liegt aber auch an der mangelnden Bereitschaft der teilnehmenden Personaler ihren Hut in den Ring zu werfen (Vielleicht eine Idee für die nächste HR Fight Night?). Mich stört die Schwerpunktsetzung nicht, weil es genügend Sessions zu den Fragen gibt, die mich derzeit besonders interessieren. Wie geht es weiter mit dem Personalmanagement? Was bedeuten Digitalisierung, neue Arbeitsweisen und die zunehmende Professionalisierung einzelner Prozesse für das Personalmanagement? Ich will hier vor allem aus dem Blickwinkel dieser Fragen über das HR BarCamp berichten. Dass das Personalmanagement mit einer zunehmenden Veränderungsnotwendigkeit konfrontiert ist, haben Svenja Hofert und Nina Kalmeyer auf den Punkt gebracht. Die Aussage „Transformation sei die einzige Existenzberechtigung für HR“ kann ich bedingungslos unterschreiben. Doch scheint diese Botschaft bei vielen Personalern (noch) nicht angekommen zu sein. Warum ist dies so? Gibt es trotzdem Hoffnung? Welche Antworten wurden in einzelnen Sessions auf diese Fragen gegeben? Damit will ich mich hier auseinandersetzen.
Die derzeitige Entwicklung des HRM wird weitgehend durch andere Bereiche und Akteure geprägt. Woran zeigt sich dies?
Bereits in der ersten Session („Agile HR“) mit Gesa Vogel und Franziska Schlüter wurde dies deutlich sichtbar. Ich habe gelernt, dass Agilität in der Personalarbeit bedeutet, dass agile Arbeitsweisen (hier Kanban und Daily Stand-Ups) praktiziert werden. Aufgrund fehlender Kenntnisse und Erfahrungen mit agilen Arbeitsweisen fungieren bei CoreMedia agile Coaches (i. e. SCRUM Master) als Berater und Coaches der Personaler. Noch wichtiger ist mir die Erkentnis, dass Agilität offensichtlich auch bedeutet, dass Personaler lernen müssen, einfach mal loszulegen. Dies dürfte vielen Personalern nicht ganz leicht fallen. In anderen Sessions (vor allem bei Henrik Zaborowski) konnte ich erfahren, wie dies praktisch funktionieren kann, wenn z. B. Führungskräfte Aufgaben im Recruiting übernehmen oder Mitarbeiter als Botschafter des Unternehmens agieren. Die Übernahme von Personalaufgaben durch „HR-Fremde“ bringt verständlicherweise auch Fragen zur Zukunft von HR mit sich ("Wofür brauchen wir HR noch?")
Gern erinnere ich mich auch an die Session „Unternehmenskultur positiv gestalten“ mit Ralf Tometscheck. Viele der nicht immer ganz neuen Vorschläge zur Gestaltung der Unternehmenskultur fand ich interessant. Dazu gehörten Lobkärtchen als Zeichen der praktizierten Wertschätzung aber auch die üblichen Give-aways. Bemerkenswert fand ich das Blind-Dating (= Lunch-Matching) mit der Geschäftsführung. Dies dürfte eine gute Möglichkeit zum Kennenlernen sein. Aber auch der jeweils auszulosende ”Robin” der Woche (= Glückspilz), d. h. diesem Mitarbeiter wird dann eine Freude bereitet, ist eine tolle Idee. Mit den „Fuckup Nights“ - dem Storytelling über Fehler und das Lernen fremdle ich noch etwas, sehe aber durchaus positive Effekte. Insgesamt drängt sich hier die Frage auf, warum der „Umgang“ mit Unternehmenskultur nicht als Aufgabe für HR angesehen wird. Da frage mich, wer soll dies sonst übernehmen? Wie eine Unternehmenskultur bei Einbeziehung von HR verändert werden kann, wurde in der Session „Potato Gun statt Powerpoint“ mit Sirka Laudon deutlich. Auch wenn es bei Springer die ganz besonderen Learning Journeys ins Silicon Valley gab/gibt, wurde deutlich, wie Mitarbeiter für Veränderungen durch besondere Erlebnisse begeistert („You’re so awesome“?) und auf diese Weise „mitgenommen“ werden können. Gleichzeitig wurde in dieser Session heftig gebrainstormt und mit einer Reihe von Silicon Valley-Mythen aufgeräumt.
Doch zur Schicksalsfrage aus meiner Session: Zukunft des HRM? Hier hatte ich drei Optionen skizziert: (1) Weiter so wie bisher, (2) Aufteilung von HRM (in Admin & Personalentwicklung) und (3) Abschaffung. Erwartungsgemäß gab es keine Protagonisten der Abschaffung. Ansonsten blieb die Frage letztlich unbeantwortet. Es standen sich „Traditionalisten“ mit „ausgefuchsten KPIs“ und die „Innovatoren“ mit neuen Ideen gegenüber – beide mit guten Argumenten und den entsprechenden Erfahrungen. Ich habe großes Verständnis für beide Seiten, bezweifle jedoch, dass auf Dauer mit alten Instrumenten die neuen Anforderungen – wie Umgang mit Big Data oder das systematische Empowerment von Mitarbeitern und Teams erfolgreich zu bewältigen sind. Auch fiel auf, dass nur selten aus einer strategischen Perspektive argumentiert wurde. Auch neue Themen wie der Umgang mit den „HR-Big-Data“ oder die Unterstützung von Mitarbeiter und Führungskräften bei Selbstorganisation oder der Übernahme von HR-Aufgaben (Recruiting!) wurden nicht umfassend diskutiert. Dies bedeutet für mich, dass es zukünftig für HRM darauf ankommt, genau in den Bereichen, wo derzeit wenig läuft oder die nicht über die nötige Sexiness aus HR-Sicht verfügen, besser zu werden. Ich kann deshalb Herwig Kummer nur zustimmen: „HR muss tanzen lernen!“ insbesondere mit den Führungskräften. Dann klappt es auch mit der Zukunft.
Meine Schlussfolgerung: Die Zukunft des HRM ist offen. Daraus ergeben sich vielfältige Chancen und Risiken. Es braucht jedoch Willen und Kompetenz der Personaler zur aktiven Gestaltung.
Irgendwie war deshalb auch der HR Fight nicht nur unterhaltsam, sondern auch ein Fingerzeig für zukünftigen Kämpfe, die das Personalmanagement ausfechten muss. HR muss aufpassen, dass andere Funktionen den Personalbereichen nicht den nötigen Schneid abkaufen. HR muss sich in Zukunft stärker behaupten, um in den Unternehmen eine prägende Rolle zu behalten. Personaler müssen nicht nur die Veränderung predigen, sondern sich auch selbst verändern. Neue Arbeitsweisen wie auf dem HR BarCamp oder „einfach mal loslegen“ werden zunehmend wichtiger. DAS HR BarCamp ist extrem wichtig, um dies einmal üben und erleben zu können. Dies sollte auch in Zukunft so sein. Deshalb neben dem herzlichen Dank hier auch meine Hoffnung, dass das Team „Athanas&Tsalsikis“ noch viele so anregende HR BarCamps anbieten möge.
Nachtrag zum Thema „Buzzwords“: Frechmut ist als Wort des Jahrzehnts natürlich nicht zu toppen – Aber es gab sie auch in diesem Jahr die Buzzwords
Mir fällt hier vor allem das Wort vom „Lebensabschnittsmitarbeiter“ ein. Mitarbeiter werden sich nur in den wenigsten Fällen auf ewig an ein Unternehmen binden. Wird diese Tatsache beim Recruiting ausreichend berücksichtigt? Ich wage, dies zu bezweifeln.
Und was sagen andere Teilnehmer zum HR BarCamp 2015?
Christoph Athanas: Der Anti-Wichtigtuer-HR-Event bringt Kompetenz, Spaß und Leute zusammen
Svenja Hofert: Transformation ist die einzige Existenzberechtigung für HR
Henner Knabenreich: Personaler wollen den Fachkräftemange
Herwig Kummer: HR muss tanzen lernen!l
Andre Luce: Schaff alles ab, geh einfach weg, halt die Maschine an und frag mal nach dem Zweck!
Stefan Scheller: 4. HR BarCamp 2015 in Berlin – Einblicke, Bilder, Video #hrbc15
Volker Seubert: Die Zukunft von HR
Dirk Steinmetz (von der Forschungsgruppe HR BarCamp): Das vorläufige amtliche Endergebnis
Henrik Zaborowski: Wenn innovative HR’ler pragmatisch sind!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen