Sonntag, 28. Mai 2017

Personaler als Vermittler und Übersetzer - 5 (+1) Frage/n zu den Erwartungen an das Personalmanagement - Gespräch mit Barbara Josef

Häufig wird derzeit über Personaler und das Personalmanagement gesprochen - weniger Gespräche gibt es mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es um die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich Barbara Josef Co-Founder von 5to9 und ehemalige Kommunikationsleiterin Microsoft Schweiz. Barbara Josef ist eine Twitter-Bekanntschaft, die im letzten Jahr eine viel beachtete Keynote zum HR Innovation Day gehalten hat (Interview Teil 1 und Teil 2). Barbara Josef hat mit ihren Aktivitäten beträchtlichen Anteil daran, dass in der Schweiz die Themen rund um „Home Office“,„Smart und Co-Working“ konstruktiver als in Deutschland behandelt werden. Ich danke ihr bereits jetzt ganz herzlich für die Teilnahme an der Interviewreihe und bitte sie, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich meine Fragen an.

Barbara Josef
Josef: Ich habe ursprünglich eine Primarlehrerausbildung absolviert und auch einige Jahre Kinder und Jugendliche unterrichtet. Nach einem BWL-Studium und Nachdiplomstudium in Kommunikation war ich in unterschiedlichen Marketing- und Kommunikationsrollen tätig, zuletzt bei Microsoft Schweiz. 2009 riefen wir dort die Initiative „Nationaler Home Office Day“ ins Leben mit dem Ziel, Individuen und Organisationen für neue Arbeitsformen zu sensibilisieren. Dieses Thema hat mich seit da nicht mehr losgelassen – letztes Jahr gründete ich zusammen mit einer Partnerin die Firma „5to9“, mit welcher wir Projekte rund um die Themen „neue Lern- und Arbeitswelten“ begleiten. Hier schliesst sich der Kreis wieder zum Beginn meines Berufsleben; die Frage, was Menschen motiviert und welche Rahmenbedingungen sie zu Höchstleistung antreiben, beschäftigt mich auch heute noch.

Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Josef: Die Personalverantwortlichen sind oft meine Auftraggeber. Viel spannender ist aber die „Übersetzungsfunktion“, die sie wahrnehmen. Sie kennen die die Kultur, die Werte und das Betriebssystem einer Organisation und wissen, wie viel Veränderung und welches Tempo sinnvoll ist. Das ist ein enorm wichtiger Aspekt, wenn es um die erfolgreiche Gestaltung von Wandel geht. Zudem haben sie die richtigen Netzwerke, um ein Projekt zum Fliegen zu bringen. Wenn wir in die Zukunft schauen, so werden sich die Ökosystemgrenzen der Firmen noch weiter öffnen; die Zusammenarbeit mit Externen nimmt zu. Deshalb wird auch die Bedeutung dieser Vermittler- und Übersetzerrolle, die das Personalmanagement in meinen Augen sehr gut wahrnimmt, zunehmen.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Josef: Ich kann das nur aus meiner Brille „Change Management und neue Arbeitswelten“ beurteilen. Da würde ich sagen – nicht böse sein – „they’re coming late to the party“. Zum einen hatten sie die Folgen der Digitalisierung, z.B. neue Formen der Zusammenarbeit, lange nicht auf dem Radar; zum andern nehmen viele Personalverantwortliche in Change Projekten (etwa wenn der Umzug in ein neues Büro ansteht) eine sehr zurückhaltende Rolle ein bzw. beschränken sich auf die klassischen HR-Verantwortlichkeiten. Das sagt sich relativ einfach - ich habe aber grossen Respekt vor den Herausforderungen, mit denen das Personalmanagement konfrontiert ist; eigentlich ist es ein doppelter Wandelprozess. Dank Big Data und Prozessautomatisierung wandelt sich ihr eigens Aufgabengebiet massiv; gleichzeitig müssen sie den Wandel in der Organisation begleiten oder im Idealfall antreiben.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Josef: Wir sind im Zeitalter der Unsicherheit und des Umbruchs – viele Organisationen werden gerade kräftig durchgeschüttelt. In schwachen Kulturen schiebt jeder die Verantwortung auf den andern – manchmal ist es einfacher Schuldige statt Lösungen zu suchen. Unsicherheit kann man aber nur mit vereinten Kräften sowie „try and error“ begegnen. In starken Kulturen stehen daher gemeinsame Lernprozesse statt Schuldzuweisungen im Vordergrund. Ich glaube aber nicht, dass das Personalmanagement mehr Kritik abbekommt als andere Bereiche.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Josef: Das Aufgabenspektrum wird um neue Felder anwachsen. Ich verzichte auf die Auflistung der üblichen, meist technologiegetriebenen Neuerungen. Für mich sind zwei Themen besonders wichtig:

  1. Change Management: die Fähigkeit, die Organisation gezielt weiterzuentwickeln. Im Vergleich zur „alten“ Vorstellung von Change Management geht es dabei aber nicht um das Umlegen des Schalters von A nach B, sondern den Prozess, wie man mittels partizipativem Vorgehen die gemeinsame Zukunft erarbeitet, definiert und anpeilt.
  2. Employee Experience Management: unser Verhältnis zu Organisationen ändert sich bedingt durch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeit, aber auch der Arbeitsverhältnisse. Identifikation, Werte und gemeinsame Erlebnisse werden daher wichtiger. Die gezielte Gestaltung dieser Interaktionen und die Schaffung von Plattformen zum Austausch, Netzwerken aber auch die laufende Konfrontation mit den Werten gewinnen an Bedeutung. Wenn diese Momente noch gezielter und intensiver gestaltet werden, kann das der Angst entgegenwirken, dass Organisationen aufgrund zunehmender Flexibilisierung den Zusammenhalt verlieren.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Josef: Ich denke, es gibt drei Felder, die an Gewicht gewinnen: Die gezielte Nutzung modernster Technologien (nicht nur punkto Recruiting, Analytics und Performance Management sondern auch für die bessere Vernetzung und damit verbunden kollektive Lernprozesse), die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur bzw. die Verankerung der Werte und nicht zuletzt die Rolle der Vermittler im Unternehmen. Innerhalb der Unternehmen werden die Tempi und damit verbunden die Profile immer unterschiedlicher; da ist es sehr wichtig, eine neutrale Instanz zu haben, die unterstützen kann, wenn Rolle und Profil nicht optimal zusammenpassen.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Josef: Ich würde entweder in ein Startup oder sehr dynamisches KMU einsteigen, wo man in kurzer Zeit ganz viele Erfahrungen sammeln kann. Oder in ein Technologieunternehmen, weil die einfach schneller unterwegs sind und meist die Risikobereitschaft auch höher ist. Für junge Leute „gefährlich“ finde ich Organisationen, die sehr träge und politisch funktionieren – auch wenn das Logo auf der Visitenkarte viel Prestige ausstrahlt. Es wäre schade, wenn die Energie und das breite Fachwissen aus dem Studium nicht tatkräftig eingesetzt werden könnten, nur weil man noch nicht ausreichend graue Haare hat.

Wald: Liebe Frau Josef, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge mit 5to9, immer offene Ohren Ihrer Partner und zahlreiche neue Ideen.


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