Mit einer Keynote dabei: Dr. Annina Hering |
Hering: Ich freue mich sehr, bei den HR Innovation Days mit einer Keynote dabei zu sein. Auch wenn ich einen wissenschaftlichen Hintergrund habe, brauchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des HR Innovation Days nicht fürchten, dass ein theoretischer Vortrag mit mathematischen Formeln auf sie wartet. Wie der Titel meiner Keynote schon erahnen lässt, können sich die Zuhörerinnen und Zuhörer auf spannende Einblicke freuen. Wir bei Indeed verfügen über einen unglaublichen “Datenschatz”. Large Scale Data auf die ich als Indeed Economists für Analysen zugreife. Bei diesen Daten handelt es sich einerseits um die Stellenanzeigen mit all ihren Informationen, 420.000 neue Jobs gibt es jeden Monat auf de.indeed.com (Stand Juli 2018). Andererseits nutze ich das Such- und Klickverhalten der Jobsuchenden auf Indeed. Insgesamt mehr als 6,5 Millionen Menschen nutzen Indeed jeden Monat für die Jobsuche (comScore-Daten, Januar 2019, bezogen auf Unique monthly Visitors). Auf das Jobsuchverhalten werde ich einen Schwerpunkt in meiner Keynote legen und zeigen, welche einzigartige Arbeitsmarktforschung wir machen, die sowohl für Personaler als auch Wissenschaftler komplett neue Einblicke bietet.
Wald: Daran schließt sich gleich meine nächste Frage an. Gibt es aus Ihrer Sicht Tendenzen bei der Jobsuche? Existieren Muster, die im Recruiting bzw. von den Recruitern berücksichtigt werden sollten?
Hering: Ich möchte natürlich noch nicht zu viel von meiner Keynote verraten. Was ich aber schon einmal sagen kann ist, dass es nicht die eine Muster-Jobsuche gibt. Die Jobsuche ist ein sehr individueller Prozess. Aus diesem individuellen Verhalten von Millionen von Menschen lassen sich allerdings Muster ablesen. Softwareentwickler suchen anders nach einem Job als Altenpfleger oder etwa Schulabsolventen nach einer Ausbildung. Ich greife einmal angehende Azubis als Beispiel heraus. Hier können wir beobachten, dass Azubis und Unternehmen oft aneinander “vorbeisuchen”. Nicht nur mit Blick darauf, “was” gesucht wird, sondern auch “wann” gesucht wird. Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage mit niedriger Arbeitslosenquote suchen viele Recruiter die Nadel im Heuhaufen. Zu verstehen, was Jobsuchende heute wollen, wird immer wichtiger.
Wald: Damit sind wir bei Ihrer aktuellen Studie (Link). Hier fand ich Ihre Aussage bemerkenswert, dass trotz nachweisbaren Engpässen an Fachkräften viele Unternehmen keine strategische Personalarbeit betreiben. Nur eine Minderheit von Unternehmen bemühen sich offensichtlich um vorausschauende Annahmen über Personalengpässe, Talentbedarf, Fluktuation und Austritte aus Altersgründen.
Hering: Gleichzeitig haben wir aber auch herausgefunden, dass immer mehr Betriebe die Relevanz einer strategischen Planung bei der Personalsuche erkennen. Denn 29 Prozent der befragten Unternehmen haben in den letzten drei Jahren begonnen eine strategische Personalplanung aufzubauen. Zudem geben 23 Prozent an, diesbezüglich konkrete Pläne zu haben. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen ist eine strategische Personalplanung aktuell noch selten anzutreffen. Das Fehlen einer Personalabteilung in diesen Unternehmen dürfte dafür auch verantwortlich sein. Unsere Studie hat insgesamt gezeigt, dass es noch viele Bereiche gibt, in denen Unternehmen ihr Recruiting von besonders gefragten Kandidatinnen und Kandidaten verbessern können.
Wald: Welche Rolle sollte hier das Personalmanagement in den Unternehmen spielen? Oder anders gefragt: Wie kann "HR Unternehmen in Bewegung bringen“?.
Hering: Wir haben vier Indeed-Empfehlungen zusammengestellt, wo wir – aus den Ergebnissen der Studie abgeleitet – besonders große Chancen für das Personalmanagement sehen.
Erstens, dass Online-Recruiting auszubauen oder sogar erst einmal zu starten. Man mag es kaum glauben, aber gerade in ländlichen Gebieten sind viele Unternehmen noch nicht digital aufgestellt. Die Jobsuche findet heute allerdings online statt. Ein Job, der nicht online ist – den gibt es für den Jobsuchenden quasi nicht.
Zweitens empfehlen wir Unternehmen ihre Zielgruppe besser kennen zu lernen. Nur 23 Prozent der befragten Unternehmen haben ein zielgruppengenaues Employer Branding, obwohl hier 7 von 10 Unternehmen gute Erfahrungen gemacht haben.
Unsere dritte Empfehlung bezieht sich auf die Kommunikation von Benefits. Wir raten hier Unternehmen so transparent wie möglich zu sein, um den Jobsuchenden die Unternehmensvorteile nicht zu verheimlichen. Über die Hälfte der befragten Unternehmen bietet besonders gefragten Kandidaten spezielle Anreize, das ist super. Das Problem ist allerdings die mangelnde Kommunikation. Nur 26 Prozent machen das öffentlich in der Stellenanzeige oder auf der Karriereseite. 13 Prozent sogar nur, wenn ein Kandidat danach explizit fragt.
Und viertens, möchten wir Unternehmen motivieren, mehr Mut und Kreativität im Recruiting zu zeigen, denn unsere Studie hat gezeigt, dass sich das auszahlt. Unsere vier Indeed-Empfehlungen haben ein gemeinsames Ziel: Das Arbeitskräftepotenzial zu erhöhen und den Kreis möglicher Bewerberinnen und Bewerber zu vergrößern. Der Bewerbungsprozess ist keine Einbahnstraße mehr. HR kann mit Kreativität, Flexibilität und Mut Unternehmen bewegen und erfolgreich qualifizierte Kandidaten finden.
Wald: Eine wichtige Frage zum Schluss. Sie nehmen zum ersten Mal am HR Innovation Day teil, auf was freuen Sie sich am meisten?
Hering: Ich bin sehr auf den Austausch mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern gespannt. Ich freue mich sehr darauf, zu hören, welche Themen die Recruiting-Szene gerade besonders beschäftigen, um dann auch wieder Anregungen und Ideen für meine nächsten Forschungsprojekte zu sammeln.
Wald: Herzlichen Dank für dieses informative Interview, liebe Frau Dr. Hering. Ich freue mich sehr auf Ihre Keynote.
Zu meiner Gesprächspartnerin: Dr. Annina Hering ist DACH Economist im Indeed Hiring Lab, dem Arbeitsmarktforschungsinstitut von Indeed. Sie erforscht Trends und Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt mit nationaler und globaler Relevanz. Hierfür nutzt sie sowohl Indeed-Daten als auch amtliche Statistiken. Annina Hering ist promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin. Vor Indeed war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.
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