Ein Blick in die Literatur zum Thema „Führung“ lässt die Leserinnen und Leser oft ratlos zurück, denn es existiert eine nahezu unendlich scheinende Anzahl von zum Teil modisch klingenden neuen Führungstheorien und -konzepten. Dabei haben gerade die letzten Jahre eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig Führung und Zusammenarbeit sind.
Mit ihrem Buch „Aktuelle Führungstheorien und -konzepte“ wollen die Autoren für mehr Klarheit sorgen und für das Thema „Führung“ aus wissenschaftlicher Sicht sensibilisieren. In ihrem Buch beleuchten sie die aktuelle Entwicklung der Führungstheorien, vergessen dabei aber auch den Blick auf die Führungspraxis nicht.
Frage: Ein Lehrbuch zum Thema Führung spielt in Wissenschaft und Ausbildung bestimmt eine große Rolle. Richtet sich das von Ihnen vorgelegt Buch auch an die Praktiker in den Unternehmen und Organisationen, die tagtäglich vor der Herausforderung stehen, Mitarbeitende zu führen? Was können diese aus Ihrem Buch entnehmen?
Irma Rybnikova: Zwar richtet sich unser Lehrbuch zunächst an die Hochschulwelt (Lehrende, Studierende), aber wir haben es bewusst für alle Interessierten geschrieben, die zum Thema Führung und Führungstheorien Neues erfahren und lernen möchten. Somit ist das Buch auch für die Praktiker:innen in der Wirtschaft eine inspirierende Lektüre, sofern sie Anregungen suchen, wie bestimmte Konflikt- oder Problemfälle des Alltags eingeordnet und erklärt werden können - bekanntlich ein erster Schritt zur Lösung. Enttäuscht werden hingegen all jene sein, die Rezeptlösungen für tägliche Herausforderungen der Mitarbeiterführung erwarten - das bietet das Lehrbuch ganz sicher nicht. Wir sehen Führungstheorien als unterschiedliche, systematische Sichtweisen auf Führungsprobleme, die jeweils einen eigenen Erklärungs- und manchmal auch Lösungsansatz bieten, und unsere erfahrungsgeleiteten "Alltagstheorien" zur Führung erweitern und ergänzen können. Wie ein roter Faden zieht sich der aus der Führungspraxis übernommene "Fall Mittermayer" durch alle Kapitel des Buches. Indem wir den Fall Mittermayer aus der jeweiligen Führungstheorie heraus betrachten, werden die Führungstheorien gut greifbar und das Praxisbeispiel weitaus facettenreicher als zu Beginn. Auch das Kapitel "Intermezzo" hält ein paar unerwartete Hinweise bereit, die z.B. aus der Tierwelt kommen und frappierende Ähnlichkeiten zur Wirtschaftswelt haben.
Frage: Noch ein Buch zum Thema Führung. Warum sollten Studierende und an Führungsthemen Interessierte Ihr Buch lesen. Und: Gibt es Konzepte oder Ansätze der Führung, die Sie aufgrund Ihrer Aktualität hier besonders hervorheben wollen?
Rainhart Lang: Die klassischen Bücher und Artikel zur Führung konzentrieren sich oft auf das Handeln der Führungspersonen und den Mikrokosmos der Führungsbeziehung. Im Gegensatz dazu haben wir vor allem auch Führungstheorien und Ansätze ausgewählt, die diesen Rahmen sprengen und weitere Kontextfaktoren der Führung aus Organisation und Gesellschaft mit einbeziehen. Dazu gehören zum Beispiel die Ansätze zur geteilten und verteilten Führung, die nicht nur eine Teilung der Führung zwischen Gruppenmitgliedern im Sinne einer Partizipation, sondern auch andere Führungsinstanzen wie Führungsinstrumente, Normen, Regeln und Organisationskultur einbeziehen. Auch das Konzept der impliziten Führungstheorien muss hier erwähnt werden. Es geht davon aus, dass Akzeptanz und Wirkung von Führung vor allem davon abhängen, welche Vorstellungen Führungskräfte und Geführte von "guter Führung" haben. Während eine weitgehende Übereinstimmung ("fit") positive Wirkungen hat, können größere Abweichungen zu Führungsproblemen und Konflikten führen.
Frage: Sie haben sich mit dem Thema „Frauen und Führung“ beschäftigt. Inzwischen sind Frauen in Führungspositionen zwar keine Seltenheit mehr, sie sind jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Gibt es dafür aus wissenschaftlicher Sicht eine Begründung?
Viktoria Menzel: Ja, und nicht nur eine! Im betreffenden Kapitel bieten wir eine Übersicht dieser vielfältigen Begründungen. Beispielsweise besagt das Konzept der Rolleninkongruenz von Eagly und Karau (2002), dass Frauen in Führungspositionen eine Irritation für tradierte Geschlechterrollen verursachen, so dass Frauen meist unbewusst als weniger geeignet für Führungspositionen eingeschätzt und dafür nicht berücksichtigt werden. Eine der neueren Begründungen beschreibt die Existenz einer „impliziten Geschlechterquote“. Solange es keine verpflichtende Geschlechterquote gibt, werden die wenige Frauen im Gremium als „genug“ angesehen. Im Ergebnis wird eine Aufnahme weiterer Frauen nicht unterstützt und deren Anteil steigt nicht an. Zu erwähnen ist auch das Konzept der „gläsernen Klippe“, welches darauf hinweist, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Frau, in eine prekäre/ungünstige Führungsposition zu gelangen, relativ hoch ist, denn das Unternehmen oder die Abteilung befinden sich dann oftmals in einer wirtschaftlichen oder (mikro)politischen Krise. Ein Scheitern ist dann kaum zu vermeiden, und zwar nicht, weil die Kompetenzen von Frauen nicht ausreichen, sondern weil es von Beginn an ungünstige Positionen waren. Lediglich wird im Nachhinein ein solches Scheitern gern auf Frauen alleine zurückgeführt und ihnen damit ihre Führungskompetenz abgesprochen.
Frage: Es gibt im Buch ein Kapitel zum Thema „Virtuelle Führung“. Was ist darunter zu verstehen und warum dazu eigentlich ein eigenes Kapitel?
Peter M. Wald: Führungsprozesse haben insbesondere in den letzten Jahren gravierende Änderungen erfahren, die durch technologische Innovationen bei den Medien für Information und Kommunikation geprägt sind. Das Internet und die sozialen Medien haben hier eine ähnliche infrastrukturelle Rolle wie in der Vergangenheit die Elektrizität übernommen. Der zunehmende Einsatz dieser Medien ermöglicht Führung und Zusammenarbeit in geografisch und zeitlich verteilten Strukturen. Da viele der traditionellen Führungsmodelle grundsätzlich auf direkten Interaktionen basieren, sind diese nicht geeignet, um die geänderte Führung zu beschreiben. Dabei wird virtuelle Führung hier als wechselseitige Einflussnahme zwischen Führungskräften und Geführten hauptsächlich über die erwähnten Medien verstanden. Für die Beteiligten ist es deshalb wichtig, neue Medien kompetent zu nutzen sowie ihren Einsatz auch mit physischer Präsenz zu verbinden. Damit sind wir bei den derzeit diskutierten hybriden Lösungen, d.h. den Wechsel zwischen traditioneller und virtueller Führung. Hier ist erforderlich, passende organisatorische Lösungen zu entwickeln sowie diese systematisch und rasch zu implementieren. Die Fragen virtueller Führung erfahren darüber hinaus eine weitere Zuspitzung durch die zunehmende Nutzung von Lösungen des maschinellen Lernens bzw. der sogenannten KI-Lösungen.
Zu den Autoren bzw. Interviewpartnern
Prof. Irma Rybnikova ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personal und Organisation an der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL).
Rainhart Lang ist emeritierter Professor für Organisation und Arbeitswissenschaft an der TU Chemnitz.
Peter M. Wald arbeitet als Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig.
Viktoria Menzel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSHL.
Frage: Ein Lehrbuch zum Thema Führung spielt in Wissenschaft und Ausbildung bestimmt eine große Rolle. Richtet sich das von Ihnen vorgelegt Buch auch an die Praktiker in den Unternehmen und Organisationen, die tagtäglich vor der Herausforderung stehen, Mitarbeitende zu führen? Was können diese aus Ihrem Buch entnehmen?
Irma Rybnikova: Zwar richtet sich unser Lehrbuch zunächst an die Hochschulwelt (Lehrende, Studierende), aber wir haben es bewusst für alle Interessierten geschrieben, die zum Thema Führung und Führungstheorien Neues erfahren und lernen möchten. Somit ist das Buch auch für die Praktiker:innen in der Wirtschaft eine inspirierende Lektüre, sofern sie Anregungen suchen, wie bestimmte Konflikt- oder Problemfälle des Alltags eingeordnet und erklärt werden können - bekanntlich ein erster Schritt zur Lösung. Enttäuscht werden hingegen all jene sein, die Rezeptlösungen für tägliche Herausforderungen der Mitarbeiterführung erwarten - das bietet das Lehrbuch ganz sicher nicht. Wir sehen Führungstheorien als unterschiedliche, systematische Sichtweisen auf Führungsprobleme, die jeweils einen eigenen Erklärungs- und manchmal auch Lösungsansatz bieten, und unsere erfahrungsgeleiteten "Alltagstheorien" zur Führung erweitern und ergänzen können. Wie ein roter Faden zieht sich der aus der Führungspraxis übernommene "Fall Mittermayer" durch alle Kapitel des Buches. Indem wir den Fall Mittermayer aus der jeweiligen Führungstheorie heraus betrachten, werden die Führungstheorien gut greifbar und das Praxisbeispiel weitaus facettenreicher als zu Beginn. Auch das Kapitel "Intermezzo" hält ein paar unerwartete Hinweise bereit, die z.B. aus der Tierwelt kommen und frappierende Ähnlichkeiten zur Wirtschaftswelt haben.
Frage: Noch ein Buch zum Thema Führung. Warum sollten Studierende und an Führungsthemen Interessierte Ihr Buch lesen. Und: Gibt es Konzepte oder Ansätze der Führung, die Sie aufgrund Ihrer Aktualität hier besonders hervorheben wollen?
Rainhart Lang: Die klassischen Bücher und Artikel zur Führung konzentrieren sich oft auf das Handeln der Führungspersonen und den Mikrokosmos der Führungsbeziehung. Im Gegensatz dazu haben wir vor allem auch Führungstheorien und Ansätze ausgewählt, die diesen Rahmen sprengen und weitere Kontextfaktoren der Führung aus Organisation und Gesellschaft mit einbeziehen. Dazu gehören zum Beispiel die Ansätze zur geteilten und verteilten Führung, die nicht nur eine Teilung der Führung zwischen Gruppenmitgliedern im Sinne einer Partizipation, sondern auch andere Führungsinstanzen wie Führungsinstrumente, Normen, Regeln und Organisationskultur einbeziehen. Auch das Konzept der impliziten Führungstheorien muss hier erwähnt werden. Es geht davon aus, dass Akzeptanz und Wirkung von Führung vor allem davon abhängen, welche Vorstellungen Führungskräfte und Geführte von "guter Führung" haben. Während eine weitgehende Übereinstimmung ("fit") positive Wirkungen hat, können größere Abweichungen zu Führungsproblemen und Konflikten führen.
Frage: Sie haben sich mit dem Thema „Frauen und Führung“ beschäftigt. Inzwischen sind Frauen in Führungspositionen zwar keine Seltenheit mehr, sie sind jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Gibt es dafür aus wissenschaftlicher Sicht eine Begründung?
Viktoria Menzel: Ja, und nicht nur eine! Im betreffenden Kapitel bieten wir eine Übersicht dieser vielfältigen Begründungen. Beispielsweise besagt das Konzept der Rolleninkongruenz von Eagly und Karau (2002), dass Frauen in Führungspositionen eine Irritation für tradierte Geschlechterrollen verursachen, so dass Frauen meist unbewusst als weniger geeignet für Führungspositionen eingeschätzt und dafür nicht berücksichtigt werden. Eine der neueren Begründungen beschreibt die Existenz einer „impliziten Geschlechterquote“. Solange es keine verpflichtende Geschlechterquote gibt, werden die wenige Frauen im Gremium als „genug“ angesehen. Im Ergebnis wird eine Aufnahme weiterer Frauen nicht unterstützt und deren Anteil steigt nicht an. Zu erwähnen ist auch das Konzept der „gläsernen Klippe“, welches darauf hinweist, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Frau, in eine prekäre/ungünstige Führungsposition zu gelangen, relativ hoch ist, denn das Unternehmen oder die Abteilung befinden sich dann oftmals in einer wirtschaftlichen oder (mikro)politischen Krise. Ein Scheitern ist dann kaum zu vermeiden, und zwar nicht, weil die Kompetenzen von Frauen nicht ausreichen, sondern weil es von Beginn an ungünstige Positionen waren. Lediglich wird im Nachhinein ein solches Scheitern gern auf Frauen alleine zurückgeführt und ihnen damit ihre Führungskompetenz abgesprochen.
Frage: Es gibt im Buch ein Kapitel zum Thema „Virtuelle Führung“. Was ist darunter zu verstehen und warum dazu eigentlich ein eigenes Kapitel?
Peter M. Wald: Führungsprozesse haben insbesondere in den letzten Jahren gravierende Änderungen erfahren, die durch technologische Innovationen bei den Medien für Information und Kommunikation geprägt sind. Das Internet und die sozialen Medien haben hier eine ähnliche infrastrukturelle Rolle wie in der Vergangenheit die Elektrizität übernommen. Der zunehmende Einsatz dieser Medien ermöglicht Führung und Zusammenarbeit in geografisch und zeitlich verteilten Strukturen. Da viele der traditionellen Führungsmodelle grundsätzlich auf direkten Interaktionen basieren, sind diese nicht geeignet, um die geänderte Führung zu beschreiben. Dabei wird virtuelle Führung hier als wechselseitige Einflussnahme zwischen Führungskräften und Geführten hauptsächlich über die erwähnten Medien verstanden. Für die Beteiligten ist es deshalb wichtig, neue Medien kompetent zu nutzen sowie ihren Einsatz auch mit physischer Präsenz zu verbinden. Damit sind wir bei den derzeit diskutierten hybriden Lösungen, d.h. den Wechsel zwischen traditioneller und virtueller Führung. Hier ist erforderlich, passende organisatorische Lösungen zu entwickeln sowie diese systematisch und rasch zu implementieren. Die Fragen virtueller Führung erfahren darüber hinaus eine weitere Zuspitzung durch die zunehmende Nutzung von Lösungen des maschinellen Lernens bzw. der sogenannten KI-Lösungen.
Zu den Autoren bzw. Interviewpartnern
Prof. Irma Rybnikova ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personal und Organisation an der Hochschule Hamm-Lippstadt (HSHL).
Rainhart Lang ist emeritierter Professor für Organisation und Arbeitswissenschaft an der TU Chemnitz.
Peter M. Wald arbeitet als Professor für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig.
Viktoria Menzel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSHL.
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