Samstag, 10. Mai 2025

Sayonara Innovationsfrust! Was deutsche Unternehmen von Japan lernen können - Keynote von Babette Sonntag zum HR Innovation Day 2025

Der HR Innovation Day 2025 steht in den Startlöchern. Heute gibt es erneut ein Vorab-Interview mit einer Keynote-Speakerin. Dafür darf ich Dr. Babette Sonntag begrüßen. Sie wird zum diesjährigen HR Innovation Day eine Keynote zum Thema „Sayonara Innovationsfrust! Was deutsche Unternehmen von Japan lernen können“ anbieten. Ich freue mich sehr, mit Dr. Babette Sonntag eine Keynote-Speakerin gewonnen zu haben, die den Teilnehmern aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds sowie eigenen Erlebens und Gestaltens zeigen kann, was wir nach wie vor oder gerade doch von japanischen Unternehmen lernen können. Ganz herzlichen Dank bereits an dieser Stelle an Babette Sonntag für ihren Input zum HR Innovation Day 2025. 

Wald: Vornweg herzlichen Dank, dass Sie unser Event mit einer Keynote zu einem so „ungewöhnlichen“ Thema unterstützen. 
Sonntag: Vielen Dank! Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit. Insbesondere bin ich gespannt auf die Impulse, die sich aus der Verknüpfung von Innovationsdenken und HR-Arbeit aus den vielen verschiedenartigen Beiträgen ergeben werden. Innovation, Unternehmenskultur und HR-Management müssen zusammen gedacht werden, um erfolgreich zu sein.

Wald: Könnten Sie sich kurz vorstellen? Wie sind Sie zum Themenbereich Innovation gekommen?
Sonntag: Durch meine Kenntnisse verschiedener asiatischer Kulturen und der japanischen Sprache hat es sich ergeben, dass ich bei meinen ersten Arbeitgebern neben den von mir verantworteten Projekten auch automatisch für die Betreuung von Kunden und Geschäftspartnern vor allem aus Japan, aber auch aus Taiwan und Korea zuständig war. Die Kulturen in diesen Ländern zeichnen sich durch eine große Neugier auf neue Dinge aus. Neues ausprobieren, Neues erfinden und für Neues Geschäftspartner suchen, sind dort wirklich starke Businesstreiber. Und so kam es, dass ich schon bei meinen ersten Arbeitgebern immer mehr in den Technologieentwicklungsprojekten mit Partnern insbesondere aus Japan und Korea mitgearbeitet habe. Auf diesem Weg war der Schritt zum Innovationsmanagement vorgezeichnet und ich bin bis heute mit der Kombination aus Innovations- und Projektmanagement und interkulturellem Management sehr glücklich.

Wald: Ich erinnere mich an Zeiten, wo sehr oft und auch mit erhobenem Zeigefinger auf die Erfolge des japanischen Managements verwiesen wurde. Warum war das so und wie sieht es heute aus?
Sonntag: Sie spielen sicher auf die Zeiten in den 70er und 80er Jahren an, in denen den Japanern vorgeworfen wurde, dass sie mit Kopien unsere Märkte überschwemmen und sich auf´s Nachahmen spezialisiert hätten. Tatsächlich gab es nicht wenige Fälle von Industriespionage. Die Zeiten sind vorbei. Heute sind japanische High Tech-Produkte wirklich state-of-the-art und die japanische Pop-Kultur erlebt gerade einen internationalen Boom. Japan ist in nur 100 Jahren von einem abgeschotteten Feudalsystem zu einer der führenden Industrienationen geworden. Die Geschwindigkeit ist atemberaubend. Und weitere Länder setzen ebenfalls an: China, Indien, … Wir hier im Westen müssen Wege finden, uns technologisch nicht mehr so einfach überholen zu lassen, wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen. In Bezug auf das „japanische Nachahmen“ möchte ich etwas anmerken: Der Erfolg japanischer Unternehmen, wie z.B. Sony, bestand ja auch darin, Produkte wesentlich besser zu machen, sie also nicht einfach zu kopieren. Das Motto war: Verstehen, aufbrechen, übertreffen – frei übersetzt nach einem Mechanismus zum Erlernen von Kampfkunst, der sich auf Innovationsmanagement übertragen lässt.

Wald: Können Sie dies vielleicht anhand von weiteren Beispielen erläutern?
Sonntag: Panasonic hieß zum Gründungszeitpunkt Matsushita Denki, nach dem Namen eines der Unternehmensgründer. Die ersten Produkte waren Adapter und Doppelfassungen für Glühbirnen. Aus dieser Zeit, den 1920er Jahren, kommt die von mir „2x30er-Regel“ genannte Maxime von Konosuke Matsushita (nicht zu verwechseln mit der 30% Rule von Steve Jobs), die einen kompromisslosen Qualitätsfokus zeigt: Die Produkte müssen 30% günstiger sein und 30% besser als die der Konkurrenz. Konnte eins von beidem nicht erfüllt werden, wurden die Elektronikprodukte, teilweise im Monatsturnus, abgestoßen. Oder Sony, das sich auf die Miniaturisierung und Qualitätssteigerung von Elektronikprodukten spezialisiert hatte und so auf der Basis bestehender Erfindungen Neues schaffen konnte. Die technischen Basiserfindungen dazu stammten z.B. von Hitachi (VHS) oder Bell Laboratories (Transistor). Sony gelang es, den bis dahin kleinsten, kompaktesten Videorekorder, den CCD-TR55, zu entwickeln und sich so von der Konkurrenz abzuheben.

Wald: Nach meiner Erfahrung braucht es gerade beim Umgang mit japanischen Managementmethoden auch ein Verständnis der zugrunde liegenden Werte.
Sonntag: Das stimmt. Ich habe den Eindruck, dass sich ohne Grundwissen zu den japanischen Werten der Sinn bestimmter Problemlösungsansätze dem westlichen Betrachter nicht erschließt. In manchen Fragen ist unsere deutsche Kultur einfach ganz anders als die japanische Kultur. Zum Beispiel ist in Japan die Langfristigkeit einer Geschäftsbeziehung enorm wichtig. Ebenso wie Konsens und damit das Vermeiden offener Konflikte. Diese Werte haben Auswirkungen auf die Art und Weise von Entscheidungsfindungen oder Change Management und damit wiederum auf Kommunikation oder Vorschlagswesen etc. Ein Verständnis der zugrundeliegenden Werte ist die Voraussetzung dafür, sich selbst die Fragen stellen zu können: Passt das zu mir? Möchte ich das auch? Auf dieser Basis können wir dann erst die passenden Managementmethoden aus einer anderen Kultur annehmen.

Wald: Können wir in Zeiten von Agilität und KI noch von Japan lernen?
Sonntag: Ich würde das eher so formulieren: Wie können uns japanische Denkweisen dabei helfen, besser mit Agilität und KI umzugehen? Beides kann als Bedrohung oder als Chance betrachtet werden. Und dazwischen gibt es viele Abstufungen. Ich beobachte, dass wir uns gerade bei den Themen Change Management oder der Einführung neuer Tools wieder öfter folgende Fragen stellen: Wie können wir agil und flexibel sein, aber dennoch unseren Mitarbeitenden ein Wir-Gefühl geben? Wie können wir technologische Veränderungen so nutzen, dass wir mehr Wertschätzung erleben? Darauf können japanische Unternehmensgrundsätze und Managementstandards sehr gute Antworten geben. Das Interessante daran: sie sind – wie bei Mitsubishi - teilweise über 100 Jahre alt und werden heute noch genauso eingesetzt. Was wir von Japan lernen können ist: Menschen lieben ihren Job, wenn sie gerecht und höflich behandelt werden. Kreativität und Zusammengehörigkeit sind Schlüsselfaktoren. Traditionen haben ihren Sinn. Kleine Dinge dürfen nicht übersehen werden. Das wird in Japan z.B. durch Bonding, Geduld und viel Kommunikation erreicht. Dazu wird es in meinem Vortrag mehr zu hören geben.

Wald: Was können Sie deutschen Unternehmen in diesem Zusammenhang empfehlen?
Sonntag: Ich halte es für enorm wichtig, Phasen des Erfolges für Vorsorge und Stabilisierung zu nutzen. Und ich bin der Meinung, dass jeder Mensch kreativ sein und einen wertvollen Meinungsbeitrag beisteuern kann, man muss das nur zulassen. Jedes Unternehmen sitzt auf einem Schatz an Erfahrungen und Lösungsansätzen.

Wald: Welche Rolle kann HR dabei spielen?
Sonntag: Akio Morita, der Gründer von Sony sagte: „…es ist ein großer Fehler zu denken, dass Geld der einzige Weg ist, Menschen für ihre Arbeit zu entlohnen. Menschen… wollen auch glücklich bei ihrer Arbeit sein und stolz.“ HR spielt eine entscheidende Rolle dabei, eine offene und innovative Unternehmenskultur zu schaffen. HR übt Einfluss aus durch die Auswahl der besten Kandidaten für eine Position, das Konzipieren von Trainings oder dadurch, Vertrauenspersonen für das Stimmungsbarometer in den Abteilungen zu sein. Die HR-Rolle sehe ich darin, zu verstehen, was Mitarbeitende brauchen, um ihre Arbeit zu lieben und das immer wieder anzumahnen und anzustoßen.

Wald: Meine Standardfrage zum Abschluss der Vorab-Interviews lautet wie immer. Warum kommen Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Sonntag: Ich habe 10 Jahre lang in Dresden bei der Telekom MMS gearbeitet. In dieser Zeit haben wir im Bereich Innovation und Internationalisierung einige Kooperationsprojekte mit Ihnen und der HTWK Leipzig durchgeführt. Ich kann mich auch an einige sehr kompetente Studierende von Ihnen erinnern, die bei uns gearbeitet haben. Das war eine tolle Zeit! Daher habe ich mich über die Einladung gefreut. Und das Programm ist natürlich auch sehr überzeugend und interessant!

Meine Gesprächspartnerin Dr. Babette Sonntag hat Betriebswirtschaftslehre und Japanologie in Berlin und Kyoto (Japan) studiert. Sie verfügt über 25 Jahre internationale Erfahrung durch die Arbeit in verschiedenen Unternehmen, unter anderem Invest in Germany (GTAI), Telekom MMS, der Basler AG oder aktuell bei der SWL Digital GmbH. Dr. Sonntag ist auf die Verbindung von Innovationsmethoden, Projektmanagement und strategischer Beratung spezialisiert. Ihre spezielle Expertise liegt darin, bei Fragen zu Unternehmensentwicklung und Innovationsmanagement asiatische Managementmethoden einfließen zu lassen. Durch ihr Leben in Japan, die Arbeit mit asiatischen Geschäftspartnern und das Innovationstraining sowie die Kooperation mit dem Stanford Research Institute, dem SRI International, hat sie verinnerlicht, wie sehr Innovation mit Geschwindigkeit, einem offenen, neugierigen Mindset und Anpassungsbereitschaft zusammenhängt. Zu diesen Themen bloggt sie auf ihrer Webseite www.dieinnonautin.de

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