Montag, 24. November 2025

Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie trifft auf Strukturen, die für Transparenz nie wirklich gebaut wurden - Gespräch mit Lars-Eric Strenske

Die Weihnachtsausgabe des HR Innovation Days 2025 steht endlich vor der Tür. Traditionell führe ich Interviews mit den Keynote-Speakern, um bereits im Vorfeld des Events Einblicke in Themen und Meinungen zu gewähren. Heute kann ich mit Lars-Eric Strenske sprechen, der mir für ein Interview zur Verfügung steht. Er ist Senior Berater bei der gradar und hat mittlerweile auch seine eigene Firma comptklar gegründet. Herr Strenske wird zu einem für Personalbereiche derzeit extrem wichtigen Thema sprechen. Es geht um die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtline und seine Keynote trägt den Titel „Die Gehalts-Offenbarung: Was die EU-Transparenzpflicht wirklich verändert“. Ich freue mich sehr, Herrn Strenske für eine Keynote zu diesem Thema gewonnen zu haben.

Wald: Lieber Herr Strenske, könnten Sie sich kurz vorstellen?
Strenske: Sehr gern. Mein Name ist Lars-Eric Strenske. Ich bin Gründer der Vergütungsberatung comptklar und arbeite als Senior Consultant für gradar, ein spezialisiertes System für Stellenbewertung und Jobarchitekturen. In den vergangenen gut fünfzehn Jahren habe ich an der Schnittstelle von Unternehmensstrategie, Vergütung und Organisation gearbeitet, unter anderem als Director of Global Compensation and Benefits in international ausgerichteten Industrieunternehmen sowie in Beratungen wie Kienbaum und Willis Towers Watson. Mich treibt eine einfache Frage an. Wie schaffen wir Vergütungssysteme, die fair und verständlich sind und zugleich die Leistung im Unternehmen stärken. Genau darum geht es bei comptklar und in meiner Arbeit mit gradar.

Wald: Bei einem Blick auf Ihre Biographie drängt sich mir die Frage auf, wie Sie zum Thema Vergütung gekommen sind?
Strenske: Ganz ehrlich. Eher zufällig hineingerutscht und dann aus Überzeugung geblieben. Ich habe Wirtschaftspsychologie und Personalentwicklung studiert und wollte ursprünglich als Trainer arbeiten. In einer frühen Beraterrolle im Jahr 2011 bin ich dann mit Compensation & Benefits im Rahmen der Entwicklung und Implementierung von Fachlaufbahnen in Berührung gekommen. Plötzlich ging es um Fragen wie:
  • Wie bewerte ich Rollen transparent und nachvollziehbar?
  • Wie viel Struktur braucht ein Vergütungssystem, bevor es in Bürokratie kippt?
  • Wie gehe ich mit dem Gerechtigkeitsempfinden von Fach- und Führungskräften um?
Mich hat fasziniert, dass Vergütung ein echter Schnittstellenhebel ist. Strategie, Markt, Kultur, Führung, Daten, alles kommt hier zusammen. Und wenn die Logik dahinter klar ist, werden viele Konflikte im Alltag kleiner. Ab diesem Moment war für mich klar. Das Thema Vergütung ist kein reines Zahlenthema. Es ist Organisationsgestaltung mit sehr direkter Wirkung.

Wald: Mittlerweile haben Sie ja auch eine eigene Firma gegründet. Was haben Sie damit vor?
Strenske: Mit comptklar verfolge ich ein klares Ziel. Vergütung raus aus der Blackbox, hin zu klaren Rollen, Bändern und Spielregeln. Konkret begleite ich Unternehmen in drei Bereichen.
  • Jobarchitektur und Stellenbewertung: Aufbau klarer Rollenprofile auf Basis einer konsistenten Bewertungslogik, häufig mit gradar.
  • Gehaltsbänder und Governance: Entwicklung marktkonformer Bänder und verständlicher Richtlinien, die Führungskräfte im Alltag wirklich nutzen.
  • EU-Entgelttransparenz: Vorbereitung auf die Anforderungen der EU-Entgelttransparenzrichtlinie von der Struktur der Stellen über die Daten bis zum Reporting und zur internen Kommunikation.
Ich arbeite bewusst an der Schnittstelle von Fachlichkeit, Technologie und Umsetzung. Also nicht nur Konzepte, sondern auch die Übersetzung in Tools, HR-Systeme und praktikable Prozesse. Langfristig möchte ich comptklar als spezialisierte Boutique für Vergütung und Entgelttransparenz im DACH Raum etablieren, gern im Verbund mit Partnern wie gradar und weiteren Technologieanbietern.

Wald: In Ihrer Keynote werden Sie auf Fragen der praktischen Umsetzung der EU-Transparenzrichtline eingehen. Gibt es hier aus Ihrer Sicht typische Hemmnisse bei der Umsetzung in den Unternehmen?
Strenske: Ja, da gibt es einige Muster, die sich in vielen Projekten wiederholen.
Erstens fehlt häufig das Fundament in Form einer konsistenten Jobarchitektur. Rollen sind historisch gewachsen, Titel uneinheitlich, Verantwortungsniveaus unscharf. Wenn dann Berichtspflichten oder Analysen zu Gender Pay Gaps und Arbeit von gleichem Wert kommen, fehlen die gemeinsamen Bezugspunkte.
Zweitens gibt es eine kulturelle Hürde. Gehalt ist immer emotional besetzt. Viele Unternehmen haben Sorge, mit mehr Transparenz Konflikte zu verstärken. Fragen wie "Was passiert, wenn alle sehen, wie wir wirklich zahlen", führen oft dazu, dass das Thema aufgeschoben wird.
Drittens wird der Aufwand unterschätzt. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist kein reines Reporting-Projekt. Sie verlangt saubere Daten, klare Kriterien für Arbeit von gleichem Wert, abgestimmte Governance und eine gute Kommunikationsstrategie. Studien und Fachbeiträge weisen darauf hin, dass viele Arbeitgeber sich noch nicht ausreichend vorbereitet fühlen, obwohl die Richtlinie bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt sein muss. Zusammengefasst trifft die Richtlinie auf Strukturen, die für Transparenz nie wirklich gebaut wurden. Genau das macht das Thema anspruchsvoll, aber auch chancenreich.

Wald: Kurz gefragt, gibt es auch Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung der EU-Entgeltransparenz-Richtline in den Unternehmen?
Strenske: Ja. Man sieht einige gemeinsame Erfolgsfaktoren bei Unternehmen, die gut vorankommen.
Ein erster Erfolgsfaktor ist ein Zielbild, das über reine Compliance hinausgeht. Wer Transparenz als Chance zur Verbesserung von Fairness, Attraktivität und Klarheit versteht, gestaltet die Umsetzung ganz anders als jemand, der nur Pflichten abarbeitet.
Ein zweiter Erfolgsfaktor ist eine robuste, nachvollziehbare Bewertungsmethodik. Systeme wie gradar schaffen eine fachlich saubere Grundlage für die Bewertung von Arbeit und damit für das Prinzip gleiches Entgelt für Arbeit von gleichem Wert. Das ist zentral, weil die Richtlinie genau darauf abzielt.
Drittens binden erfolgreiche Unternehmen wesentliche Stakeholder früh ein. HR, Compensation, Betriebsrat oder Employee Representatives, Finance, Legal, IT und Kommunikation. Wenn diese Gruppen gemeinsam Leitplanken definieren, etwa zu Bandbreiten, Ausnahmen und Kommunikationsregeln, werden spätere Schleifen deutlich geringer.
Viertens gehen sie schrittweise vor. Etwa mit Pilotbereichen, bevor das Modell auf das gesamte Unternehmen ausgerollt wird. So lassen sich Governance, Datenlogik und Kommunikation im kleineren Rahmen testen.
Und fünftens formulieren sie einen ehrlichen Narrativ. Also eine klare Botschaft, wo das Unternehmen heute steht, welche Lücken es beim Thema Pay Equity hat und welche konkreten Schritte vorgesehen sind. Mitarbeitende merken sehr schnell, ob Transparenz ernst gemeint ist oder nur als Pflichtübung daherkommt.

Wald: Ohne hier zu viel zu kommunizieren, was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Ihrer Keynote erwarten?
Strenske: Die Teilnehmenden können vor allem drei Dinge erwarten.
Erstens Klartext zu den praktischen Folgen der Richtlinie. Ich übersetze die EU-Vorgaben in HR-Sprache. Was bedeutet das für Stellenbewertung, Gehaltsbänder, HR-Systeme, Führungskräfte und Kommunikation im Unternehmen.
Zweitens eine pragmatische Roadmap. Ich zeige einen möglichen Weg vom heutigen Status quo zu einer tragfähigen Transparenzarchitektur. Dazu gehören Jobarchitektur und Bewertungslogik, Gehaltsbänder und Richtlinien, Datenstrukturen und Reporting sowie der Umgang mit Fragen von Mitarbeitenden.
Drittens Einblicke aus Projekten mit echten Widerständen. Also nicht nur glänzende Erfolgsstories, sondern auch Beispiele, wo es schwierig wurde und was wir daraus gelernt haben. Und ich zeige, wie gradar als Jobbewertungssystem und Teil eines Pay Equity Software Ökosystems helfen kann, diese Reise strukturierter zu gestalten. Mein Ziel ist, dass jede Person im Raum mit einer konkreten Idee hinausgeht, wie der nächste sinnvolle Schritt im eigenen Unternehmen aussehen kann.

Wald: Meine Standardfrage zum Schluss. Warum kommen Sie zu unserem Event?
Strenske: Ich komme, weil das Thema Entgelttransparenz gerade sehr konkret wird und wir genau jetzt Orte brauchen, an denen offen und praxisnah darüber gesprochen wird. Der HR Innovation Day bietet dafür einen Rahmen, in dem Verantwortliche für Vergütung, Kultur und Transformation miteinander ins Gespräch kommen können, ohne dass es nur um Paragrafen oder Schlagworte geht.
Mich reizt besonders die Mischung aus Praxis, Wissenschaft und jungem HR-Nachwuchs.
Ich möchte Erfahrungen aus Projekten teilen, aber genauso hören, welche Fragen und Zweifel die Teilnehmenden mitbringen. Wenn wir es schaffen, dass jede Person im Saal mit einem klareren Bild zu den nächsten Schritten im eigenen Unternehmen nach Hause geht und vielleicht mit etwas mehr Mut zum Thema Transparenz, dann hat sich dieser Tag für mich gelohnt.

Mein Interviewpartner Lars-Eric Strenske hat an der Hochschule Harz und der Otto-von-Guericke-Universität Wirtschaftspsychologie und Personalentwicklung studiert. Nach ersten Stationen im HR Consulting, unter anderem bei Kienbaum und Willis Towers Watson, übernahm er die Verantwortung als Director of Global Compensation and Benefits in international aufgestellten Industrieunternehmen. Im Oktober 2025 hat er die Vergütungsboutique comptklar mit dem Claim "Pay right, perform better." gegründet. Sein Ziel ist es, Unternehmen mit klaren Jobstrukturen, fairen Gehaltsbändern und EU konformer Entgelttransparenz dabei zu unterstützen, Vergütung aus der Blackbox zu holen und als wirksamen Hebel für Kultur und Performance zu nutzen. Parallel ist er als Senior Consultant für den Jobbewertungsanbieter gradar tätig und begleitet Organisationen weltweit beim Aufbau moderner Jobarchitekturen und Vergütungsframeworks.

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