Heute setze ich meine Interviewreihe zum Thema Deskless Work. Ich freue mich sehr, dass mir Frau Alex Barber für das Gespräch in dieser Interviewreihe zum Thema Deskless Work zur Verfügung steht. Alex Barber ist Gründerin & CEO der Shift Changers GmbH. Sie beschäftigt sich mit Fragen der zielgruppengerechten Personal- & Organisationsentwicklung in den Bereichen Produktion und Logistik. Damit ist sie natürlich eine ideale Gesprächspartnerin für diese Interviewreihe. Begeistert hat mich ihr Statement unter der Überschrift „Warum JEDER mal eine Nachtschicht (mit-)arbeiten sollte“. Ich stimme ihr zu, dass dies vielen White-Collar bzw. Office-Workern bestimmt die Augen und auch die Herzen öffnen würde. Das Gefühl einer gewerblichen Tätigkeit in der Nacht nachzukommen, ist ansonsten nur schwerlich nachzuvollziehen. Auch, dass Sie hier die Rolle des Vertrauens herausgestellt hat ist mMn bemerkenswert. Ansonsten ist sie in der letzten Zeit für ihre Tätigkeit geehrt worden. Darüber und natürlich über ihre Erfahrungen beim Umgang mit Deskless Work will ich heute mit ihr sprechen.
Wald: Könnten Sie sich und die Shift Changers GmbH kurz vorstellen? Und: was steckt hinter dem Namen „Shift Changers“?
Barber: Ich bin Alex Barber, Gründerin & Geschäftsführerin von Shift Changers. Wir sind ein Beratungs- und Trainingsunternehmen und helfen Industrieunternehmen aus Produktion und Logistik, Personal- und Organisationsentwicklung vom Shopfloor aus zu denken. Ziel ist es, das volle Potenzial der gewerblichen (deskless) Belegschaft zu entfalten. „Shift Changers“ hat bewusst eine Doppelbedeutung. Zum einen bedeutet Shift Change auf Deutsch Schichtwechsel – das zeigt unseren Fokus auf die gewerbliche Belegschaft, die oft in Schichten arbeitet. Zum anderen stehen Shift und Change für Wandel und Veränderung. Wir stoßen diesen Wandel auf dem Shopfloor an und wir wollen unsere Kund:innen zu Shift Changern machen. Sie sollen den organisatorischen und kulturellen Wandel auf dem Shopfloor selbst gestalten.
Wald: Wie sind Sie auf den Bereich der Arbeit auf dem Shopfloor gekommen?
Barber: Ich habe Betriebswirtschaft studiert und eines meiner Wahlfächer war Supply Chain Management. In diesem Kurs sollten wir in den Supermarkt gehen, ein Produkt auswählen und erklären, wie es dorthin gekommen ist, vom Rohmaterial über die Produktion bis zum Transport. Das fand ich so spannend und praxisnah, dass ich meinen Master, meine Praktika und meinen Berufseinstieg im Bereich Supply Chain Management wählte. Ich begann als Supply-Chain-Trainee bei Beiersdorf und die erste Station war Pflicht im Werk. Dort habe ich mich in den praxisnahen, schnelllebigen und abwechslungsreichen Produktionsalltag und die sehr direkten Menschen in der Produktion „verliebt“. Später wurde ich Teamleiterin, führte 30–45 gewerbliche Mitarbeitende in der Intralogistik und habe viele Dinge, wie die veraltete Führungskultur, unpassenden oder nicht exsitierenden Weiterbildungsmöglichkeiten und schlechten Rahmenbedingungen aus erster Hand erlebt.
Wald: In der letzten Woche sind Sie von Business Insider Deutschland zu einer der TOP 25 Zukunftsmacherinnen 2025 gewählt worden. Was macht solche Anerkennung mit Ihnen?
Barber: Ich muss sagen, dass mich diese Auszeichnung sehr emotional berührt hat. Ich setze mich seit Jahren - auch schon vor meiner Selbstständigkeit - dafür ein, dass die Arbeitswelt der gewerblichen Belegschaft menschlicher wird, weil sie es verdient und weil Unternehmen stark davon profitieren. Diese Auszeichnung bedeutet nicht nur Wertschätzung für mich und meine Arbeit, sondern auch für eine Zielgruppe, die im Alltag oft übersehen wird, obwohl ohne sie nichts läuft. Und sie bedeutet vor allem Sichtbarkeit. Die versuche ich ihnen über meine LinkedIn-Beiträge, meinen Podcast „Sichtwechsel Schichtwechsel“, als Keynote-Speakerin auf Bühnen oder in Interviews, wie diesem hier, zu geben. Oft bleibt es aber ein Nischenthema. Mit der Auszeichnung von Business Insider hoffe ich, dass es mehr und mehr zu einem Thema wird, mit dem sich die Mehrheit unserer Gesellschaft und Wirtschaft beschäftigt.
Wald: Beeindruckt hat mich die Liste Ihrer Kunden. Gibt es hier vielleicht ein Projekt, das Sie kurz vorstellen können?
Barber: Neben unseren Trainertätigkeiten für Shopfloor-Führungkräfte haben wir auch größere Beratungsprojekte, die sehr unterschiedlich sein können. Ein Beispiel: Ein Großkonzern hat uns beauftragt, ihr Führungskräfteentwicklungsprogramm auf Logistik-Teamleiter:innen anzupassen. Es gab bereits ein Programm für kaufmännische Führungskräfte, aber man merkte, dass dieselbe Lösung für gewerbliche Führungskräfte nicht funktionierte: zu viel online, zu viel Theorie, zu wenig Praxisbezug. Wir haben Inhalte, Formate und Methoden so angepasst, dass das Programm nun auch für gewerbliche Führungskräfte wirksam ist. In anderen Projekten steigen wir tiefer ein. Oft startet es mit einer internen Umfrage, in der sichtbar wird, dass gewerbliche Mitarbeitende in einer Abteilung oder an einem Standort unzufrieden sind oder sich nicht wertgeschätzt fühlen. Dann kommen wir als neutrales Team dazu, führen Einzelgespräche und analysieren die Ursachen. Auf dieser Basis erstellen wir ein anonymes Gesamtbild. Gemeinsam mit dem Kunden – in einem cross-funktionalen Team inkl. Vertreter:innen der Shopfloor-Mitarbeitenden – erarbeiten wir in einem Workshop die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung. Anschließend begleiten wir den Kunden über mehrere Monate bei einigen Maßnahmen. Vielen können sie aber auch selbst wirksam umsetzen, da sie nach unserer Analyse nicht mehr Symptombekämpfung machen, sondern die Probleme an der Wurzel angehen. Bei einem Kunden kam z. B. heraus, dass alle das 4-Schichtmodell ablehnen und ändern wollen. Also haben wir gemeinsam (auf Basis der bestehenden Modelle im Unternehmen) ein neues Schichtmodell erarbeitet.
Wald: Ich habe gelesen, dass Sie ein Online-Programm für Personalentwickler aus Produktion und Logistik anbieten. Könnten Sie etwas zu den Schwerpunkten sagen?
Barber: Unser Online-Programm „Potenziale effektiv nutzen: Strategische Personalentwicklung auf dem Shopfloor“ richtet sich, wie Sie sagen, an Personalentwickler:innen aus Produktion und Logistik, die ihre gewerbliche Belegschaft durch zielgruppengerechte Weiterbildung endlich wirksam entwickeln möchten. Zu oft ist HR zu weit weg vom Alltag auf dem Shopfloor. Man kennt die Bedürfnisse und Bedarfe der Mitarbeitenden und Führungskräfte nicht gut genug und selbst gute Lernangebote erreichen die Zielgruppe häufig nicht. In acht Sessions gehen wir deshalb vier Schwerpunkte an. Wir sorgen zuerst dafür, dass die Zielgruppe wirklich verstanden wird, zeigen dann, wie man sie kommunikativ erreicht, wie Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitenden entsteht und welche Formate und Methoden in ihrem Alltag funktionieren, damit Entwicklung in der Praxis ankommt. Zwischen den Sessions lassen wir jeweils zwei Wochen Zeit, damit direkt an eigenen Themen gearbeitet werden kann. Am Ende steht eine praxisnahe Begleitung hin zur Entwicklung einer zielgruppengerechten Personalentwicklung für den Shopfloor. Wer also Interesse hat: Der nächste Durchgang startet am 28. Januar und die Plätze sind auf 16 Personen begrenzt. Mehr Infos gibt es auf unsere Webseite.
Wald: Zunehmend wird ja auch über das Thema Generative KI auf dem Shopfloor gesprochen. Haben Sie hier bereits Erfahrungen sammeln können?
Barber: Tatsächlich sehe ich das Thema noch viel zu selten auf dem Shopfloor. Deshalb bieten wir seit diesem Jahr Generative-KI-Basis-Trainings für Shopfloor-Führungskräfte an. In unserem Training „Führen mit KI“ helfen wir, konkrete Anwendungsfälle und Prompts zu entwickeln, eigene Agenten zu bauen und GPT & Co. als Sparringspartner im Führungsalltag zu etablieren. Außerdem sehen wir Generative KI vor allem bei der Content-Erstellung fürs Lernen: z. B. Apps, die Micro-Learning (kurze Lernnuggets) anbieten und Inhalte aus SOPs und Arbeitsanweisungen generieren. Im operativen Alltag sehen wir generative KI leider noch sehr sehr selten.
Wald: Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen und Shift Changers weiterhin viel Erfolg und vor allem offene Ohren. Mir ist bewusst, dass beim Thema Deskless Work „sehr dicke Bretter zu bohren sind“.
Barber: Vielen Dank für das Interview. Ich freue mich sehr, dass es immer mehr Menschen wie Sie gibt, die das Thema gemeinsam mit uns angehen.
Meine Gesprächspartnerin Alex Barber ist Gründerin und Geschäftsführerin der Shift Changers GmbH. Das Unternehmen entstand 2021 aus eigenen Beobachtungen und operativen Erfahrungen als Team- und Abteilungsleiterin in der Produktion und Logistik. Während ihrer Zeit als Shopfloor-Führungskraft bei Beiersdorf und Tesla führte Alex Barber zwischen 30 und 45 gewerbliche Mitarbeitende. Auf dieser Basis arbeitet sie heute als Personal- und Organisationsentwicklerin mit dem Fokus, die Frontline – die Menschen ohne Schreibtisch – sichtbar zu machen und wirksam zu befähigen. Sie hält Keynotes (u. a. TEDxUniMannheim), hostet den Podcast „Sichtwechsel Schichtwechsel“ und wurde 2025 von Business Insider Deutschland als eine der Top 25 Zukunftsmacherinnen ausgezeichnet. Ihre Mission: eine menschenzentrierte, zugleich leistungsstarke Arbeitswelt auf dem Shopfloor – mit Co-Design, zielgruppengerechter Weiterbildung und klarer, moderner Führung.

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