Barbara Braehmer |
Barbara: Die Reihe Sourcing Summit ist ein reines Learning Event – es gibt keine Sponsoren, die dort reines Marketing betreiben. Wir haben dieses Jahr bei der Organisation der SoSuDe noch mehr als sonst auf die Praxisrelevanz der Themen für DACH Sourcer geachtet. Wir werden berücksichtigen, dass es Tipps, Hacks & Tools oder Plattformen aus den USA gibt, die sich zwar gut anhören, aber eine beachtliche Zahl von diesen können wir aus verschiedenen Gründen leider in Europa bzw. speziell in DACH nicht nutzen. Wir haben in diesem Jahr auch zum ersten Mal ein sehr breites Publikum von Anfängern bis hin zu Profi-Wiederkehrern. Die Themen sind auch nach Branchen und Alltags-Problemlösungen für Sourcer erstellt – ich spreche zum Beispiel über die 10 wichtigsten Praxis-Tipps, wie man - zusätzlich - passive Talente erkennt, sie erfolgreich kontaktiert und gewinnt. Wir haben eine große Zahl internationaler Speaker, doch deren Themen und Inhalte sind erkennbar an unsere DACH-Fokussierung angepasst. Wir bieten auch eine Simultanübersetzung in beide Richtungen an (Englisch in Deutsch und umgekehrt), so dass jeder die Chance hat, diese auch zu verstehen. Alle Speaker und Workshop sind insoweit Trainer bzw. Lehrer in der digitalen Lernreise der Teilnehmer.
Peter: Beim letztjährigen Sourcing Summit hat mich besonders fasziniert, dass es Keynotes gab, die zum Teil weit über die reine Sourcing-Praxis hinausgingen. Wird es in diesem Jahr auch Keynotes mit dieser Ausrichtung geben?
Barbara: Das haben wir dieses Mal auch sehr stark bei allen Themen beachtet. Die Keynotes sind nicht alle inhaltlich "Sourcing Hacks", sondern beziehen angrenzende Bereiche ein, die die Personalbeschaffung insgesamt beeinflussen. Wir konnten Christoph Athanas gewinnen, der über das Thema Unternehmenskultur spricht (Die Rolle des Cultural Fit im Active Sourcing) und dabei natürlich auch deren Bezug zum Recruiting und Sourcing herstellt oder Henrik Zaborowoski, der erklärt, wo die Möglichkeiten einer besseren Zusammenarbeit von HR und Recruiting bzw. Sourcing und den Linienmangern bzw. Fachbereichen oder Kunden liegen ("Sourced du noch oder besetzt du schon? Bring die Hiring Manager auf deine Seite!")
Peter: Welche wichtigen Entwicklungen im Sourcing werden sich in den Angeboten des Summits wiederfinden? Kannst Du bestimmte Beiträge oder auch Highlights nennen?
Barbara: Deshalb haben wir dieses Mal 4 Räume mit 3 Lern-Linien und Themen von Anfänger über Intermediate bis hin zu Fortgeschrittenen wie Tech-Hacks dabei. So kommt jeder auf seine Kosten. Deshalb wird es auch sogenannte Sourcing Buddys geben, die den Teilnehmern helfen, aus den Inhalten, die richtigen Sessions auszusuchen und sie beraten. Ebenso gibt es Ask-the-Experts Sessions, in denen jeder in einer besonderen Art Sprechstunde, direkt seine Fragen mit den Spezialisten besprechen kann – wir hoffen damit löst dich das Problem, dass sich oft nur wenige trauen, die Experten direkt anzusprechen. Hinzu kommen auch Mitmachformate – hervorzuheben ist unsere Sourcing Challenge. Das ist eine Online-Schnitzeljagd nach einem exponierten Talent. Hier treten Gruppen gegeneinander an. Sie sourcen gemeinsam Information, tragen sie zusammen und interpretieren sie. Dieses Format hatten wir bereits beim ersten SoSuDe und es hat allen einen riesigen Spaß gemacht, denn so konnten die Anfänger mit den Fortgeschrittenen zusammen gemeinsam die Chance auf den Gewinn wahren. Die Sieger sind auf der ersten SoSuDe den ganzen Tag mit ihrer goldenen Krone (die wird es erneut geben) herumgelaufen. Es wird einen ersten, zweiten und dritten Preis geben, die Teilnehmer der Siegergruppe werden zum Beispiel ein Exemplar meines neuen Buches „Praxiswissen Talent Sourcing“ erhalten, die uns der Haufe Verlag zur Verfügung stellt. So werden wir auch auf diese Weise Akzente in der digitalen Lernreise der Teilnehmer setzen können.
Peter: Gibt es Keynote-Speaker, die Du hier besonders hervorheben möchtest?
Barbara: Neben den vorherigen zentralen Speakern Christoph Athanas und Henrik Zaborowski finde ich das Thema von Balazs Paroczay sehr wichtig: "Building a Culture of 2000 Sourcing Lovers". Er wird darauf eingehen, wie man in dem manchen Mal doch frustrierenden Aufgabenbereich Sourcing bei so vielen Absagen und Schwierigkeiten, die Lust und Laune am Sourcing behält und sie sogar an andere erfolgreich weitergeben kann. Ich bin mir sicher, das wird eine echte „Mut-mach“ und „Feelgood-Session“, denn Balazs lebt diese Einstellung vor.
Peter: Zum Abschluss noch einige Fragen zum Sourcing - zu aktuellen Entwicklungen und wichtigen Trends: Was ist hier aus Deiner Sicht besonders hervorzuheben?
Barbara: Die Social Media Portal XING und LinkedIn haben beide im letzten Jahr deutliche Einschränkungen für alle Sourcer vorgenommen. Anfänger merken dies noch nicht sehr, außer dass sie zum Beispiel in XING nur noch wenige Nicht-Kontakte ansprechen können. Das wesentliche Ziel dieser Maßnahmen ist bei beiden gleich: Die User vor Sourcern zu schützen, die aggressiv und „belästigend“ ansprechen. Wir in allen technischen Eingriffen ging das nicht ohne gewissen Einschränkungen, die alle treffen – so spürt man das in mancher Expertensuche und muss sich hier mehr anstrengen. So ist das einfache, so schnell nebenbei mal Active Sourcing „Pi-mal-Daumen“ zu betreiben und dennoch viele gute Leute finden und erfolgreich gewinnen, vorbei. Erfolgreiche Sourcer arbeiten alle deshalb professionell und systematisch. Wir haben viele Sessions auf der SoSuDe, die genau dabei helfen werden.
Peter: Wie sieht es mit den im letzten Jahr erwähnten vertikalen Netzwerken aus?
Barbara: Man kann auch sagen, dass die sogenannten vertikalen Netzwerke die Communities und Plattformen oder Foren der Spezialisten sind im Gegensatz zu den horizontalen Netzwerken wir XING, LinkedIn oder Facebook, in denen man viele verschieden fachliche Orientierungen findet. Je schwerer es wird, Experten in diesen klassischen Netzwerken zu finden, um so mehr werden die Sourcer, die zum Beispiel Tech Talente suchen, noch mehr in vertikale Netzwerke wie GitHub, StackOverflow oder Hakerrank ausweichen. Dazu muss allerdings ein Sourcer nicht nur die Sprache seiner Talente genauer verstehen und in diese Welt eintauchen, sondern sein Sourcing Knowhow deutlich verbessern. Sourcing in vertikalen Netzwerken läuft oft mit komplett anderen Regeln, anderen Booleschen Befehlen – manches Mal darf man dort gar nicht ansprechen, aber kann finden. Dies war also bereits schon früher zeitintensiv und erfordert ausgeprägtes Sourcing-Spezialwissen.
Peter: Was meinst Du? Gibt es Besonderheiten beim Sourcing von Kandidaten in der DACH-Region?
Barbara: Ich denke wir in DACH sind in fast allen Sourcing Prozessschritten sehr viel restriktiver als andere Länder. Wir dürfen weniger suchen, „speichern“, bearbeiten und nützen. Wir werden bei Handynummern nervös (was in Italien oder Spanien zu echten Überraschungen führt) oder wir interpretieren die DSGVO manches Mal so eng, dass wir selbst wenn private Email-Adresse öffentlich sind, wir teilweise denken, wir können sie nicht ansprechen (obwohl andere europäische Länder hier keine Bedenken bei analoger Gesetzeslage haben). Insgesamt gibt es so zu dem tatsächlichen Regeln und Gesetzen auch noch viele „subjektive“ Einschränkungen und viele "Überinterpretationen", so dass DACH Sourcer sich viel mehr mit No-Gos beschäftigen als alle anderen Sourcer. Das halte ich für einen Wettbewerbsnachteil und deshalb für keine gute Situation, da wir so erkennbar weniger Talent Pools und Talent Pipelines aufbauen und für die Zukunft vorsorgen.
Peter: Was sollten Studierende mitbringen, die einen Einstieg in das Sourcing in Erwägung ziehen?
Barbara: Persönlich denke ich, dass die Voraussetzung, ein guter Sourcer zu werden ist, gleichzeitig auch ein guter Recruiter zu sein. Denn Sourcing ist - so wichtig und effizient es ist - nur der Turbo des Recruitings bzw. der Talent Acquisition und ist deshalb keine Standing-Alone-Funktion. Der erfolgreiche Sourcing Prozess unterscheidet sich aber deutlich von dem des Recruitings – also sollten Anfänger den Ehrgeiz haben, beides zu lernen und sich bewußt machen, dass sie beides nur durch Übung und Praxis erfolgreich kombinieren werden. Gutes Sourcing ist wie gutes Autofahren: man muss eine Theorieprüfung machen, aber letztlich kommt es auf die Praxis und damit das Üben, Üben und nochmals Üben an. Der Sourcing-Rookie sollte lernen, wie er/sie die verändernden Regeln der Straße beachtet und die unterschiedlichen Tools (Autos) für die unterschiedlichen Wege beherrschen. Wie in jeder Disziplin ist auch ein Master-Sourcer nicht vom Himmel gefallen und tauscht sich immer mit anderen Sourcern aus. Was ich den Anfängern ebenso rate.
Peter: Liebe Barbara, ich danke Dir herzlich für das Gespräch. Ich freue mich sehr auf das Treffen in München und viele neue Einblicke in die gegenwärtige Sourcing-Praxis.
Meine Interviewpartnerin, Barbara Braehmer, ist Geschäftsführerin der Intercessio GmbH in Bonn. Sie sieht sich als pragmatische Talentfinderin, Expertin im ‚Finden‘ talentierter Mitarbeiter und ist Talent Acquisition Expertin, Master-Sourcerin und Autorin. Sie ist als Rednerin und Expertin sowohl Organisatorin als auch geschätzter Gast auf verschiedenen Konferenzen. Nach 20 Jahren HR-Berufserfahrung sowohl als langjährige Personalmanagerin als auch Personalberaterin gründete sie 2005 die Intercessio GmbH. Intercessio ist ein Recruiting-Consulting- und Service-Unternehmen, das seine Kunden auch durch Recruiting/Sourcing Aufträge (RPO) unterstützt und wurde vor 4 Jahren um die Intercessio-Akademie erweitert, die auf Human Resource, Recruiting und Sourcing Trainings spezialisiert ist. Barbara Braehmer ist Autorin des Buches „Praxiswissen Talent Sourcing“ und Co-Autorin des Praxishandbuches "Social Media Recruiting: Experten Know-How/Praxistipps/Rechtshinweise“ - dem bislang umfangreichsten Buch zu dieser Thematik.
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