Und hier folgt der zweite Teil des Gespräches mit Barbara Josef.
Wald: Eine Frage zum Themenbereich Home Office. Dies ist in Deutschland ein viel beachtetes und breit diskutiertes Thema. Was meinen Sie, warum funktionieren Home Office-Lösungen in der Schweiz besser als in Deutschland? Arbeiten Schweizer smarter? Oder gibt es hier ein Geheimrezept?
Josef: Die Schweiz hat Ricola erfunden, also war es naheliegend, auch den Home Office Day zu erfinden. Spass beiseite: die Schweiz, genauer Microsoft Schweiz, hat tatsächlich den ersten nationalen Home Office Day ins Leben gerufen und darauf sind wir auch wirklich stolz. Die Frage, wie Arbeits- und Landeskultur korrelieren, finde ich persönlich höchst spannend. Wenn man sich anschaut, welche Länder besonders weit sind, was die Verbreitung und Akzeptanz von flexiblen Arbeitsformen betrifft, so fällt auf, dass die Niederlande die Nase vorn hat, dicht gefolgt von den skandinavischen Ländern. Auch wenn es dazu nicht sehr viele Studien gibt, liegt die Vermutung nahe, dass Länder, die über ein liberales Gesellschaftsmodell verfügen, auch in der Arbeitswelt mit schlanken Prozessen und wenig Hierarchien auskommen. In Ländern, in denen es formeller her und zu geht und Statusdenken wichtig ist, haben es neue Arbeitsformen eher schwierig, da die Führung noch nicht so weit ist. Ich sehe die Schweiz, was die Verbreitung von flexiblen Arbeitsformen betrifft, im Mittelfeld, aber sicher nicht an der Spitze. In Zahlen ausgedrückt: von den rund 5 Mio. Beschäftigten arbeiten gemäss einer Studie von «Work Smart» etwa ein Viertel bereits mobil und flexibel. Die Schweiz ist ein Denk- und Dienstleistungsstandort, d.h. es könnten noch viel mehr Menschen einen Teil ihrer Arbeitszeit ausserhalb des Büros arbeiten. Soweit ich es beurteilen kann, steht Deutschland das etwas ausgeprägtere Hierarchiedenken verbunden mit entsprechenden Kontrollmechanismen im Weg. Das Geheimrezept ist simpel: Führen über klare Ziele und eine Kultur des Vertrauens.
Wald: Mittlerweile laufen die betreffenden Aktivitäten in der Schweiz unter dem Label „Work Smart“ haben sich in diesem Zusammenhang die Schwerpunkte verschoben?
Josef: Nach fünf Jahren «Home Office Day» haben wir gemerkt, dass wir zwar die Individuen erreicht und einiges an Medienrummel für das Thema erzielen konnten, aber die Firmen noch nicht im Boot hatten. Die Kampagne «Home Office Day» hat super gepasst, um ganz zu Beginn auf das Thema aufmerksam zu machen. Wenn es aber darum geht, in den Firmen konkrete Veränderungen in Gang zu setzen – und das ist das grosse Ziel dieser Initiative – griff der Name und die Positionierung etwas zu kurz. Wir mussten immer wieder erklären, dass wir im Thema «Home Office» per se keinen Nutzen sehen, sondern es darum geht, eine Kultur der Eigenverantwortung zu schaffen und unternehmerisches Denken zu fördern. Und das geht nun mal schlecht, wenn einem der Chef neben der Stempeluhr abpasst. Im Zuge der Neupositionierung der Initiative unter dem Label «Work Smart» haben wir auch den Fokus von der reinen Sensibilisierung hin zur gezielten Unterstützung von Firmen verlagert, das heisst wir stellen Studien, Whitepaper und Instrumente zur Verfügung, die den Unternehmen helfen, die Flexibilisierung in ihrer Organisation vorantreiben.
Wald: Oft habe ich den Eindruck, dass die digitale Transformation bisher nur bei einer Minderheit von Führungskräften und Mitarbeitern angekommen ist. Häufig kommen mir auch Personaler eher als Getriebene und nicht als die Treiber dieser Entwicklung vor. Wie lässt sich das von Ihnen erwähnte neue Miteinander erreichen?
Josef: Zuerst möchte ich den HR Profis ein Kränzchen winden. Sie sind das Herz der Unternehmung und sorgen dafür, das es den Menschen in der Organisation gut. Oft sieht man dann ihren grossen Wert, wenn eine Organisation oder eine Person durch eine schwierige Phase geht. Aus diesem Betrachtungswinkel ist der typische Personaler vom Mindset her wohl eher «Caretaker» als «Disruptor». Auch wenn sie vielleicht selten Treiber von Veränderungen sind, kommt ihnen eine ganz wichtige Funktion zu. Sie stellen sicher, dass die Geeks und Freaks nicht die ganze Organisation auf den Kopf stellen. Fazit: es braucht immer beide Kompetenzen für den erfolgreichen Wandel – Menschen mit Visionen und Menschen, die Veränderungen begleiten können. Wenn wir ganz ehrlich sind, haben wir doch absolut keine Ahnung, wie wir in 5, 10 oder 20 Jahren zusammenarbeiten werden. In einem sind wir uns aber zu 100% einig: Erfolg werden diejenigen Firmen haben, die begeisterte und engagierte Mitarbeiter haben, die sich mit einer Firma identifizieren. Deshalb finde ich das «Miteinander» oder eben die «Caretaker» auch fast wichtiger als die Visionen. Übrigens haben zufriedene und motivierte Mitarbeiter ganz klar auch die besseren Ideen und sind bereit, diese zu teilen. Vielleicht sollten wir Personaler einfach als Innovations-Enabler anerkennen, statt sie zu kritisieren.
Wald: Ein Frage zum Schluss. Warum nehmen Sie am HR Innovation Day teil?
Josef: Weil ich es äusserst inspirierend finde, Menschen zu treffen, die sich ebenfalls damit auseinandersetzen, wie wir die Arbeitswelt verändern und bewusst gestalten können, so dass Firmen und Individuen profitieren.
Wald: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Ich freue mich sehr auf Ihre Keynote und die Diskussionen zum "neuen Miteinander im digitalen Zeitalter".
Meine Gesprächspartnerin Barbara Josef hat im Januar 2016 gemeinsam mit einer Partnerin die Firma „5to9 AG“ gegründet. Ihr Hauptfokus liegt auf dem Wandel von Organisationskulturen hin zu mehr Flexibilität und Agilität – eine Grundvoraussetzung für Erfolg von Organisationen im digitalen Zeitalter. Von 2008 bis November 2015 war Barbara Josef Leiterin Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Schweiz, ab Juli 2013 verantwortete sie auch das gesellschaftliche Engagement. Zuvor war sie bei Helsana und Swiss International Airlines. Ihre grösste Leidenschaft gilt dem Thema „Zukunft der Arbeit“. Unter anderem hat sie 2009 gemeinsam mit Partnern den „Home Office Day“ (heute „Work Smart Initiative“) ins Leben gerufen. Barbara hat als Erstausbildung das Primarlehrerpatent der Pädagogischen Hochschule Kreuzlingen erworben. Es folgten ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität St.Gallen (HSG), sowie ein Nachdiplomstudium in Kommunikation an der Universität Lugano.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen