Gleich zum Start lieferte Jo Diercks Zahlen, die die immense Bedeutung der Berufs- und Studienorientierung unterstreichen und sicher zum Nachdenken anregen: 25% der Azubis und 28% der Bachelor-Studierenden brechen ihre Ausbildung ab. Über die damit zusammenhängenden Kosten kann nur spekuliert werden.
Gero Hesse (embrace) offerierte Lösungen für die offensichtlich mangelnde Berufsorientierung. Er verwies auf blicksta - das neue Netzwerk für Schüler (seit 3 Monaten am Netz) und das bereits bestehende Netzwerk für Studierende (careeloft) und avisierte darüber hinaus mittelfristig ein entsprechendes Angebot für die Berufsorientierung von Professionals. Ins Zentrum seiner Ausführungen zu blicksta rückte er erwartungsgemäß Verhaltensweisen und Einstellungen der Generation Z. Dabei kam sowohl die die wachsende Bedeutung von Bewegtbildern (Youtube!) als auch die Rolle des Smartphones als das mit Abstand wichtigste Kommunikationsinstrument zur Sprache. Mobil wird damit zum wichtigsten Kommunikationskanal. Er plädierte für die konsequente Individualisierung der Informationen oder anders gesagt, ging es ihm darum zu sichern, dass die Generation Z die richtigen Informationen im richtigen Kontext erhält. Dies klappt beispielsweise bei einem klassischen Besuch von Schülergruppen im BIZ der Arbeitsagentur nicht, weil die bestehenden Angebote weder von der Form noch vom Inhalt auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Demgegenüber sollte sich nach Hesse die Berufsorientierung bei der Zielgruppe entwickeln. Dies soll mit dem Portal blicksta durch die Umsetzung der Kernhypothesen Berufsorientierung (Interesse wecken!), Individualisierung, Beziehungsmanagement und Targeting erreicht werden. Blicksta bietet dabei jedem Nutzer individuelle Angebote, die auf zuvor erhobenen Präferenzen basieren. blicksta ist somit in der Lage, massgeschneiderte Angebote mit individuellem Mehrwert zur Verfügung zu stellen. Gero Hesse lieferte mit seinen Ausführungen einen hervorragenden Einstieg in die Thematik und erbrachte darüber hinaus den Nachweis, dass es gegenwärtig immer um konkret auf das Individuum bezogene Informationsangebote gehen muss.
Im Anschluss daran hat sich Christian Langkafel (Einstieg GmbH) mit dem Übergang von der Berufsorientierung zur Entscheidung für einen Beruf auseinandergesetzt. Eltern und Lehrer identifizierte er dabei als wichtige Zielgruppen, weil Impulsgeber und Begleiter für die Schüler. Mit einer Reihe von Abkürzungen (BRAFO, BOGY, P-Seminar, KOBO, KAoA) verwies er auf bereits vorhandene Systeme und Programme, die Schülern bei der Ausprägung der Berufsorientierung helfen bzw. den Übergang von der Schule zum Beruf durch Einblicke in die reale Welt erleichtern. Dabei differenziert er zwischen den Lebenswelten Schule - Lehrer nutzen gern externe Angebote - und Familie - hier wird über die Berufs- und Studienwahl diskutiert. Hinzu kommen reale Kontakte zur Unternehmenswelt, die z. B. auf Messen erfolgen oder auch über Printmedien vermittelt werden. Zusammengefasst findet nach Langkafel die Berufsorientierung ihre Prägung im Spannungsverhältnis zwischen Schule, Familie und Medien, wobei das persönliche Erleben und Gespräche eine wichtige Rolle spielen.
Oberstleutnant Holger Leute vom Amt für Personalmanagement der Bundeswehr widmete sich in seinem Beitrag der spannenden Frage: Wie kann Schülern das Berufsbild "Soldat" erlebbar vermittelt werden? Er beschrieb die Herausforderung, die trotz breiter Neugier bestehende Distanz zu möglichen Bewerbern zu überwinden und die Besonderheiten der Bundeswehr als Arbeitgeber zu vermitteln. Zu diesem Zweck informiert die Bundeswehr über ihre Aktivitäten und beschreibt die besonderen Anforderungen der hier zu übernehmenden Aufgaben. Zur Unterstützung wird dabei - beginnend in einigen Tagen - auf ein besonderes Tool - den Karrierekompass - zurückgegriffen.
Sehr interessant war der Input von Dorota Rautiainen (Potentialpark) zum Thema „Matching expectations go young generations“. Potentialpark ist bekannt für seine Employer Rankings, wobei in der letzten Befragungsperiode weltweit fast 24000 Jobsuchende befragt wurden. Gefallen hat mir neben den zahlreichen Fakten auch die Betrachtung der Zusammenhänge zwischen dem Generation Shift, Technology Shift und dem Attitude Shift, wobei erneut die Generationen Y und auch Z in das Blickfeld rücken. Hier konnte Frau Rautiainen mit vielen Fakten aufwarten, wie Nutzung von Smartphones für Bewerbungen (48%) und Tablets (75%). Beim Attitude Shift konnte auch Potentialpark Work-Life-Balance; Mobility und Development Opportunities als wichtige Faktoren identifizieren. Auch die Form und der Inhalt der Ansprache der Kandidaten ist wichtig oder „How to tell your story?“. Hinzu kommt die Aufforderung: „Be where the job seekers are!“ Im Klartext bedeutet dies, dass Kandidaten meistens auf die Karriereseiten (94%); auf Facebook (71%); auf XING (71%) und LinkedIn (49%) zurückgreifen. Dabei werden mobile Kanäle wichtiger. Mit der Orientierung auf Bewegtbilder, die gewählte Sprache, neue Tools und der Forderung nach Aufrichtigkeit („Tell it like it is!“) befand sich Frau Rautiainen in guter Gesellschaft mit den anderen Referenten. Zu den Erwartungen von Kandidaten an die Kommunikation mit den potenziellen Arbeitgebern führte sie aus, dass 60% der Bewerber eine persönliche Mail wünschen, aber nur 20% diese auch erhalten! Zu den Erwartungen hinsichtlich der Reaktionszeit merkte sie an, dass Bewerber (Generation Y) eine E-Mail innerhalb von drei Tagen bzw. einen Social Media-Kontakt (Generation Z) innerhalb von 12 Stunden nach der Kontaktaufnahme erwarten. Die Empfehlungen von Potentialpark zur Professionalisierung des Recruitings lauteten:
- Mobilize your recruitment
- Socialize your recruitment
- Show it how it really is
- Dare to experiment
- Listen to job seekers
Danach informierte Wolfgang Brickwedde über die Leistungen seines Institutes for Competitive Recruiting (ein Mitveranstalter dieses Praxisseminars) und stellte einige Tools zum Orientierung von Professionals vor. Diese hat er aus Praxissicht anschaulich bewertet (Zu den vorgestellten Tools zählten u. a. FutureMe, CompanyMatch sowie Feelgood at Work).
Ein Blick auf den Quereinstiegs-Zwerg! |
Frau Land von A. Lange & Söhne hat im Anschluss das Vorgehen bei der komplizierten Beschaffung von besonderen Mitarbeiter dargestellt. Ihr Unternehmen benötigte Finisseure, ein Beruf der nicht ausgebildet und deshalb auch nicht am Arbeitsmarkt vorhanden sind. Die Lösung („Quereinstiegs-Zwerge“) bestand in der Rekrutierung von Zahntechnikern ("Von Zähnen zu Zeitmessern"), Goldschmieden und Porzellanmalern.
Ich bedaure sehr, dass ich die letzte Präsentation nicht mehr erleben konnte. Es hätte mich sehr interessiert, wie Tim Verhoeven und Birger Meier an das Thema „Candidate Experience“ herangegangen sind. Gern hätte ich auch gefragt, wie die 170 touchpoints "aussehen" und auch, warum so wenige Bewerber auf das XING-Profil bei Bewerbungen zurückgreifen (nur 4 von 600). Den Feeds entnehme ich eine Reihe ähnlicher Schlussfolgerungen („Bedeutung der Kommunikation“), wie sie in der CandEx-Studie von metaHR und mir zu finden sein werden. Wir werden hier aber auch weitere Schwerpunkte für eine bessere Candidate Experience identifizieren.
Der Blick zurück zeigt: Es war ein tolles, informatives Event mit einem breiten Überblick zu den aktuellen Themen im Recruiting. Herzlichen Dank an Jo Diercks! Und: Bis zum nächsten Mal.
Viele freundliche Grüße - diesmal aus Köln
Peter M. Wald
Einen Bericht zu diesem Event hat auch Volker Seubert geschrieben - der Link lautet http://seuberthr.com/de/2014/09/26/bruecken-zu-kandidaten-bauen-was-employer-branding-mit-berufsorientierung-zu-tun-hat/ Freundliche Grüße in den Norden!
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