Wald: Bereits vornweg vielen Dank für Ihre Beteiligung als Workshopanbieterin zum HR Innovation Day 2015 in Leipzig. Ich freue mich, dass es jetzt mit unserem Gespräch klappt.
Mallow: Mir geht es genauso. Und ich freue mich auf Ihre Fragen.
Wald: Agilität ist ein derzeit breit und oft diskutiertes Thema. Können Sie sich vorstellen, warum Agilität bei der Mitarbeiterführung nur sehr selten in der HR-Community thematisiert wird?
Mallow: Da sehe ich mehrere Gründe. Zum einen beobachte ich, dass in vielen Unternehmen Agilität immer noch als eine Art „Methode für die IT“ betrachtet wird. Da wird erwartet, dass die Entwickler halt ein bisschen anders arbeiten, aber dass das weiter keine Auswirkungen hat. Erst allmählich entwickelt sich dann in IT und Fachabteilungen aus dem operativen Alltag heraus ein besseres Verständnis, was Agiltiät tatsächlich bedeutet. Gerade Scrum ist da für viele Unternehmen mit „klassischer Führungskultur“ eine Herausforderung, denn nun kommen sukzessive Fragen hoch wie bspw.: Agile Teams sollen selbstorganisiert arbeiten – wie passt das zum bisher tradierten Führungsverhalten? Und wie führt man überhaupt agile Teams? Passen die Teamorientierung und die kurzgetaktete, ganz am Kundenwert orientierte Arbeitsweise noch zu den individuellen Jahres-Zielvereinbarungen samt Bonuszahlungen? Wie sehen mögliche Karrierewege aus, wenn es „nur noch“ das Team aus Entwicklern gibt? Wie kann eine Führungskraft ihre Mitarbeiter noch beurteilen, wenn sie dies im Alltag nicht mehr unmittelbar erlebt wie bisher? Wie soll Mitarbeiterentwicklung künftig von statten gehen wie wird über Weiterbildungsmaßnahmen entschieden? Wie können die bisherigen Rollen integriert werden, bspw. die Rolle „Projektleiter“? Wie muss man die Mitarbeiter und Teammitglieder, vor allem aber auch die Führungskräfte darauf vorbereiten und bei den Veränderungen begleiten? Auch wenn diese Fragestellungen schließlich erkannt werden, wird zum Teil versucht, eine Parallelwelt zu den etablierten Instrumenten des Personalmanagements aufzubauen. Das ist in anderen Themenfeldern ähnlich: Auch das Berichtswesen und Controlling/Reporting wird in vielen Unternehmen zunächst völlig unverändert beibehalten. IT-Intern wird dann agil gearbeitet und bspw. Scrum eingesetzt, z.T. auch bereits anders geführt; nach außen wird aber soweit möglich business-as-usual vermittelt. Eine sehr „förderliche“ Rahmenbedingung hierfür ist, wenn Unternehmen heterogen arbeiten, das heißt, klassisches Projektmanagement und agiles Vorgehen parallel in verschiedenen Projekten und Kontexten einsetzen.
In anderen Unternehmen wird ganz pragmatisch vorgegangen: Führungskräfte und Scrum Master orientieren sich dann bspw. an den Praktiken und Tools, die Management 3.0 zur Verfügung stellt und setzen diese im Alltag sukzessive und mit Erfolg ein. Gute Führungskräfte machen hier intuitiv sehr vieles richtig. Die Personalabteilungen solcher Unternehmen bekommen dann von all dem aber oft wenig mit.
Wald: Haben die HRler eventuell Angst sich mit einen Thema wie Agilität auseinanderzusetzen?
Mallow: Mein Eindruck aus vielen Gesprächen ist, dass diese Medaille tatsächlich zwei Seiten hat: Es gibt zum Teil tatsächlich ungestillten Informationsbedarf - und das löst Verunsicherung aus. Aber ich kenne auch die Enttäuschung gestandener Personaler, dass sie von ihrem IT-Bereich nicht einbezogen und als Business Partner im Veränderungsprozess gesehen werden. Für viele der Fragen zum Personalmanagement im Kontext von Agiltiät sitzen in HR halt genau die richtigen Experten, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten hier gut einbringen können. Ich kenne ein Unternehmen, dass aus meiner Sicht sogar deshalb so nachhaltigen Erfolg mit der agilen Transformationsprozess hat, weil das agile Transformationsteam direkt in HR integriert ist. Wenn HR als Partner stark einbezogen wird, fördert das aber nicht nur den agilen Einführungsprozess in der IT. Es kann das dann sogar den Effekt haben, dass der Personalbereich selbst ebenfalls Elemente agiler Vorgehensweisen in die alltägliche Arbeit übernimmt. Einfach, weil das nützlich ist und sogar Spaß macht.
Wald: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, darf man Agilität also nicht als „einfach machen“ interpretieren?
Mallow: Die Einführung von Agilität bedeutet für bestehende Unternehmen sehr oft eine große Transformationsaufgabe, die Fragen zur Führungskultur, Unternehmenskultur und auf der operativen Ebene zu den Instrumenten des Personalmanagements aufwirft. Die Gratwanderung, die hier zu bewältigen ist, heißt, einerseits einen Entwicklungsprozess im Unternehmen mit einer gewissen Offenheit zuzulassen, trotzdem den Umbau auf eine „geordnete Art und Weise“ zu bewerkstelligen. Und hier bieten sich als Vorgehensweise für den agilen Transformationsprozess die agilen Vorgehensweisen selbst an: Scrum ist ein äußerst planvolles und diszipliniertes Vorgehen – wenn man es richtig macht. Seine Stärke liegt in der empirischen Prozesssteuerung, denn es wird iterativ vorgegangen und permanent in Lernschleifen rückgekoppelt. So wird auch eine Reise in „unbekanntes Software-Entwicklungsland“ wieder beherrschbar, weil sie in kleine überschaubare Etappen zerlegt und der Kurs nach jeder Etappe wieder überprüft wird. Und genau so kann man auch die Entwicklung zu einer agilen IT oder gar agilen Organisation gestalten. Das heißt natürlich nicht zwingend, dass jetzt alle genau mit denselben agilen Vorgehensweisen der IT arbeiten müssen. Sie können das natürlich tun, wenn es nützlich ist. Der nach meiner Erfahrung beste Weg ist, wenn ein Unternehmen für sich selbst einen individuellen agilen Stil entwickelt und im Laufe der Zeit herausfindet, was wirksam und nützlich ist, um besser und wendiger mit den Herausforderungen der Märkte und der rasanten technologischen Entwicklung umzugehen. Da sind wir dann wieder bei der Unternehmens- und Führungskultur: Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie wird mit Fehlern umgegangen? Wie verhält man sich in Meetings? Wie werden Führungskräfte und Mitarbeiter gefördert und beurteilt?
Wald: Wie werden Sie mit den Workshop-Teilnehmern vorgehen? Inwieweit gewähren Sie auch einen Einblick in die Praxis bzw. konkrete Fragen der Umsetzung von Agilität im Bereich der Mitarbeiterführung.
Mallow: Ich stelle zunächst vor, welchen Herausforderungen sich viele Führungskräfte aktuell gegenüber sehen. Und welche Fragen dies für die Mitarbeiterführung aufwirft. Es gibt hier aber keine Musterlösungen. Es gibt nach meiner Überzeugung jedoch einen guten Lösungsraum – und in dem kann jedes Unternehmen seine passende Lösung finden und immer weiter entwickeln. Ich möchte mit den Teilnehmern deshalb auch an der Frage arbeiten, welche Werte und konkreten Fähigkeiten Führungskräfte in diesem Prozess brauchen.
Wald: Eine Frage zum Schluss. Warum nehmen Sie am auch am diesjährigen HR Innovation Day teil?
Mallow: Ich komme tatsächlich aus zwei Gründen: Zum einen schätze ich unseren regelmäßigen Austausch sehr und komme deshalb auch einfach wegen Ihnen. Letztes Jahr war ich schon als Teilnehmerin dabei und sehr angetan von der Qualität der Vorträge und Diskussionen. Die Teilnehmer aus Wirtschaft und Wissenschaft bringen sehr verschiedene Erfahrungen und Sichtweisen ein - das finde ich einfach sehr spannend und bereichernd. Und deshalb freue ich mich auch wieder sehr auf diesen Tag!
Wald: Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich freue mich sehr auf Ihren Workshop und die bestimmt lebhaften Diskussionen zum Thema „Agilität".
Birgit Mallow |
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