Peter: Vornweg herzlichen Dank, dass Du beim HR Innovation Day dabei bist und Deine Schritte nach Leipzig lenken wirst.
Barbara: Gern, ich freue mich sehr über die Einladung und habe sehr gern zugesagt. Nachdem ich die Themenliste gesehen habe, bin schon noch gespannter auf die anderen Vorträge und auf den Austausch.
Peter: Das Internet bzw. die sozialen Netzwerke gelten vielen als das Wundermittel im Kampf um Talente. Oft fehlt es jedoch den Recruitern m. E. an Kenntnissen zum richtigen Umgang mit den verfügbaren Informationen. Woran liegt das?
Barbara: Ich denke, dass viele auch außerhalb von HR und dem Recruiting noch der Meinung sind, dass wir nicht über das Web sprechen, sondern dieses ‚Internet‘ das gleiche wie vor 15 Jahren ist. Damals konnte man das Internet und die Informationen darin intuitiv verstehen und bedienen. In einer Marketing und Werbung dominierten Welt, in der alles und alle um Aufmerksamkeit buhlt, ist es schwer, den Wandel, der teilweise noch unter der Oberfläche brodelt, wirklich in allen Konsequenzen nachzuvollziehen. Und schließlich funktioniert die alte Welt ganz gut weiter. Das zeigt sich zum Beispiel an den Jobboards, die mehrheitlich immer noch Kandidaten generieren, auch wenn es zunehmend schwerer wird und nicht mehr überall funktioniert. Durch die Diskussionen um den Datenschutz, wissen zwar viele, dass die Währung des ‚Internets‘ Informationen sind. Aber was dabei übersehen wird, ist dass Suchmaschinen unser einziger Zugang zu diesen Informationen, also Data ist. Und auch, dass diese Informationen ein Volumen angenommen haben, das alle Vorstellungen übersteigt: Deshalb wird dafür der Begriff Big Data benutzt. Umso mehr brauchen wir hochentwickelte Suchmaschinen, also Programme (sogenannte Algorithmen), die das Ziel haben, Informationen auch in Big Data zu finden, auszuwerten und ein Ergebnis auszugeben. Diese Programme der Suchmaschinen sind nicht fix, sondern müssen sogar zu Ergebnissen gesteuert werden. Und so ist das Ergebnis der Anwendung auch dieser Maschinen nur so gut, wie der jeweilige Anwender, der heute den Titel "Data Analyst" trägt. Im Fall des Einsatzes von Suchmaschinen zur Personalbeschaffung steuern die sogenannten Active Sourcer die Suchmaschinen. Active Sourcing bedeutet also HR Data Analyse. Sourcer steuern und kombinieren die Suchmaschinen so, dass sie die Webdaten bzw. Daten aus Social Media für sie analysieren und die passenden Talente finden. Ich denke, das Missverständnis ist, dem viele Recruiter unterliegen, die proaktiv Talente suchen und finden wollen, zu denken, dass man intuitiv Suchbegriffe eingeben kann und damit einen komplizierten Algorithmus, der oft gar nicht für das Recruiting programmiert wurde, zu besten Kandidaten steuert. Deshalb steckt das echte Active Sourcing in Deutschland noch in den Kinderschuhen und erst nach und nach wird erkannt, dass man sich nicht von Suchmaschinen abhängig machen muss, sondern, sie steuern kann und muss, wenn man gute und beste Kandidaten erreichen möchte.
Peter: Was könnte/sollte getan werden, um hier (abgesehen von Anfragen bei intercessio) Verbesserungen zu erreichen?
Barbara: Die Digitale Welt und die reale Welt vermischen sich immer mehr – in so gut wie allen Disziplinen. Es entstehen sogar ganz neue Aufgabenstellungen wie z.B. DevOps Experten. Gleichzeitig werden viele Professionen verschwinden, weil Algorithmen den Platz von Menschen einnehmen wie z.B. beim fahrerlosem Fahren. Erfolgreiche Organisationen werden sich dadurch auszeichnen, dass sie die richtigen Entscheidungen für Anpassungen treffen, also je nachdem Innovationen oder Modernisierungen - und die richtigen handfesten Umsetzer haben. Was nützt die beste Idee, der beste Steuermann, wenn nicht die richtige Mannschaft an Bord ist und rudert? Recruiter sollten dazu einen maßgeblichen Beitrag leisten, indem sie die passenden Menschen aktiv suchen, finden und gewinnen, die diese Zukunft mitgestalten. Der moderne Recruiter muss dazu Informationen/Data auswerten können, und die Tools dazu sind Suchmaschinen, die er erst verstehen und dann steuern lernen muss. Die richtige Einstellungsentscheidung wird also in der Zukunft durch den Einsatz von (Algorithmen)Tools und die richtige Interpretation der Ergebnisse und die daraus resultierende Empfehlungen und Erfahrung des Recruiters/Sourcers in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen getroffen. Jeder der HR Data analysieren oder HR Big Data Ergebnisse interpretieren möchte, muss also Suchmaschinenkenntnisse besitzen.
Peter: Was empfiehlst Du Unternehmen, die systematisch an die Suche von Mitarbeitern herangehen wollen?
Barbara: Man kann nur finden, wenn man genau weiß, wen man finden möchte. Deshalb ist das Fundament jeder erfolgreichen Stellenbesetzung ein klares Bild vom zukünftigen Stelleninhaber, dessen Skills und dessen Mindset. Eine daraus abgeleitete passend formulierte Stellenbeschreibung gehört im nächsten Schritt dazu, daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Allerdings wird dies immer schwieriger, da sich durch die Digitale Transformation Veränderungen selten linear und oft sehr schnell ergeben. Eine gute Personalplanung ist deshalb sehr wichtig, wenn man erfolgreich, systematisch Mitarbeiter suchen will und finden will und eine Übersicht über diejenigen Positionen, die in der nächsten Zeit zu besetzen sind und ein jeweils klares Bild der Talente und zukünftigen Mitarbeiter. Denn wenn man dann auf die Suche geht, wird für man für eine Position auch weitere erfolgsversprechende Kontakte zu Talenten knüpfen, die für andere Positionen passen. Deshalb empfehle ich dringend zumindest einen Talent Pool zu planen und damit Active Sourcing in das Talent Management einzufügen. Auch ist wichtig zu wissen, dass das Finden von Talenten nur 40-50% des Erfolgs einer proaktiven Mitarbeitersuche ausmacht. Der schwerste Teil nach dem Finden ist nicht nur eine Antwort vom jeweiligen Kandidaten zu erhalten, sondern die sogenannte ‚Conversation‘: Die Einstellung eines neuen Mitarbeiters. Die Absprungrate ist hoch und deshalb ist ein solcher Talent Pool der Goldschatz jeder erfolgreichen HR-Abteilung. Mein Ratschlag ist nicht nur ein Active Sourcing Team aufzubauen und das Finden in den Fokus zu stellen, sondern auch die moderne erfolgreiche Ansprache (Talent Akquisition) professionell zu lernen. Ohne gutes Employer Branding inklusive professioneller Profile von Recruitern und Vorgesetzten wird allerdings eine hohe Conversation Rate selten erreicht, daran sollte man als Fundament denken.
Peter: Zunehmend wichtiger ist es auch im Netz von den richtigen Akteuren gefunden zu werden. Hast Du vielleicht hier einige Tipps für meine Studierenden?
Barbara: In der Weite des Webs wirklich aufzufallen ist schwer, also macht es Sinn, dorthin zu gehen, wohin auch alle Personaler gehen: In Social Media und dort mit gut gepflegten Profilen präsent zu sein. Recruiter suchen allerdings dort meist nicht nur einen ‚Ingenieur‘ oder ‚Kaufmann‘ und auch nicht nur nach Überbegriffen wie Automatisierungstechnik oder Controlling bzw. Einkauf. Sie suchen nach Spezialkenntnissen wie ’Optronik‘ oder ‚International Rechnungslegung‘ oder ‚Materialeinkauf‘. Deshalb empfehle ich alle diese Suchbegriffe in den Social Media Profilen festzuhalten und dabei darauf zu achten, dass man nur eine Persönlichkeit aber viele Profile haben kann (Profilübereinstimmung). Wenn ein Personaler einen Kandidaten gefunden hat, wird es immer üblicher, dass er diesen googelt, um dessen Glaubwürdigkeit und die Reputation zu überprüfen. Deshalb sollte jeder sich mindestens einmal im Monat googeln, um zu testen, was andere dort finden.
Peter: Und eine wichtige Frage zum Schluss: Warum kommst Du nach Leipzig?
Barbara: Ich finde die Gestaltung eines Events, in dem sich Experten, HR-Interessierte, Praktiker und studierende, zukünftige Personaler zu innovativen HR-Themen austauschen, eine spannende Zusammensetzung und erhoffe mir wichtige Impulse aus verschiedenen Sichtweisen.
Peter: Barbara, ich danke Dir ganz herzlich für dieses Gespräch. Ich freue mich sehr, dass wir uns am 30. Mai 2015 in Leipzig sehen werden.
Barbara Braehmer |
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