Tom Sperschneider |
Sperschneider: Guten Tag Professor Wald und danke für die Möglichkeit, mich in dieser Reihe mit einbringen zu können. Wie Sie ja bereits eingangs sagten, heiße ich Tom Sperschneider und wenn ich mir Ihre bisherigen Interviewpartner anschaue, bin ich im Grunde das Küken in der Reihe. Ich habe im vergangenen Jahr mein BWL-Studium mit den Schwerpunkten Personalmanagement und Marketing an der HTWK Leipzig abgeschlossen und mache nun meine ersten eigenen Schritte im Personalwesen bei einem größeren deutschen Personaldienstleister.
Sperschneider: Meine Position im Firmenjargon nennt sich Personal Manager Rekrutierung, das klingt für den Einstieg ein wenig höher angesetzt als es am Ende ist. Man könnte die ersten 2/3 "wegstreichen" und hätte dann meine derzeitige Tätigkeit und Selbsteinschätzung. Ich bin gern Recruiter und lerne dort gerade den Spagat zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, was nicht immer einfach, aber in jedem Fall mit einem täglichen Erkenntnisgewinn verbunden ist.
Sperschneider: Das ist tatsächlich eine gar nicht so einfache Frage für mich. Meistens kommuniziere ich mit Ansprechpartnern im Bereich des Einkaufs unserer Kundenunternehmen und die sehen mich und mein Unternehmen teilweise weniger als Personaldienstleister, sondern eher als Personallieferanten. Somit wird unser Stand von einem strategischen Partner der den ersten und ungefilterten Blick auf Potentiale hat meist auf den eines Lieferanten reduziert mit dem man mehr um Preise als um Profile verhandelt. Das macht es nicht einfach, da besonders die Anforderungsprofile aus den Firmen selbst oft sehr knapp gehalten sind, wenn es denn überhaupt etwas Schriftliches gibt. So kann man jeden Tag zwischen exakter Suche aufgrund eines Stellenprofils und Massenrekrutierung aufgrund eines Stellentitels schwanken. Den Grund dafür sehe ich allerdings auch in den gesuchten Qualifikationen, da es häufig Anfragen im Helfersegment sind und eher selten spezialisierte Fachkräfte gesucht werden.
Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Sperschneider: Ich kann mir vorstellen, dass die Kritik daher rührt, dass sowohl in der BWL wie auch in der VWL, die ja häufig Startpunkte für Karrieren in großen Firmen darstellen, ein zu starker Fokus auf Kennzahlen und exakt bestimmbare Fakten gelegt wird. Nun kann man natürlich auch im Personalmanagement über verschiedene Controllingtools ermitteln wie erfolgreich die Rekrutierung war oder wie gut die Mitarbeiterbindung funktioniert. Viele Faktoren und Tätigkeiten passieren jedoch eher subtil unter der Oberfläche. Man kann es eben nicht quantifizieren wie gut oder schlecht es ist, wenn ich dem motivierten Schuhverkäufer meine Karte gebe um sich bei mir zu melden, weil ich denke der könnte gut in die Firma passen. Es ist genauso schwer zu quantifizieren, was ein großes und qualitativ gutes Netzwerk ausmacht. Ich denke da an die Ideen von Martin Gaedt zu Firmenclustern in denen man sich Bewerber zuspielt, die vielleicht nicht bei einem selbst aber bei anderen Unternehmen in der Region passen. Das Personalwesen ist und bleibt eben eine weiche Wissenschaft bei der es mehr darum geht zu analysieren, was Menschen motiviert und wie sie in Gruppen agieren, anstatt einer harten mathematisch begrenzbaren Struktur. Das kann verwirren oder sogar Angst erzeugen, da man eben nicht genau sagen kann „Wenn ich an der Schraube drehe - passiert exakt das.“
Peter: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Sperschneider: Ich denke, und da schließe ich mich manchen der bisherigen Interviewgäste an, dass das Personalwesen offener und transparenter werden muss. Es muss mit allen Leistungs- und Funktionsträgern eines Unternehmens offen darüber in einen Dialog treten, was und vor allem wie es seinen Beitrag leisten kann und das dann auch so umsetzen. Dafür muss aber auch ein Umfeld geschaffen werden, in dem es möglich ist, offen zu sprechen und auch einmal die eigenen Grenzen festzustellen über die man nicht hinauskommt. Weiterhin kann es nicht schaden, wenn sich mehr getraut wird. Ich sehe es ja aktuell selbst: Viele Stellenanzeigen und Absagen sind im Grunde unnötig da sie keinerlei Aussagekraft für den Kandidaten haben, was denn nun genau gefordert ist oder was der Grund für die Absage war. Diese Beliebigkeit wird dann häufig mit dem AGG begründet und dass es ja Menschen gibt, die sich über entsprechende Klagen finanzieren. Das kann schon sein, ich denke jedoch die eingesparten Kosten durch exaktere Bewerbungseingänge und ein besseres Feedback bei den Kandidaten (Stichworte: Candidate Experience und Journey) können das Klagerisiko einfangen. Außerdem hilft es jungen Menschen ungemein bei der Selbsteinschätzung, wenn Sie ein ehrliches und Personenbezogenes Feedback bekommen und lernen können, was sie verbessern müssen.
Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Sperschneider: Da ich erst so kurz dabei bin, kann ich mir hier kaum eine Antwort anmaßen, ich denke allerdings, dass es vor allem um agile Unternehmen mit dynamischen Personalstrukturen geht, um die Kosten kalkulierbarer zu halten. Daher denke ich, dass auch viele Personalabteilungen zu Shared Service Centern und in Endkonsequenz zu Dienstleistern ausgegründet werden, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Ein weiterer Ast, der vermutlich an Wichtigkeit noch zunimmt, wird Learning and Education sein, da nur an diesem Punkt dem Arbeitsplatzverlust durch Digitalisierung und Automatisierung entgegengewirkt werden kann.
Sperschneider: Ich empfehle jungen Personalern und Nochstudenten gern das gleiche, was ich in meiner Zeit als Fachschaftsrat und StuRa-Sprecher allen Erstis empfohlen habe. Nehmt euch selbst nicht so ernst und lernt auch mal zu scheitern, solange es noch nicht irreversibel ist. Es ist in meinen Augen sehr wichtig, an sich selbst zu arbeiten und sowohl Durchhaltewillen wie auch Demut zu lernen und zu kultivieren. Sicher sind auch die Punkte meiner Vorredner in Sachen Digitalisierung und Berufserfahrung richtig. Man sollte nur immer im Blick behalten, wofür man Dinge lernt und angeht. Macht man es, weil es einen interessiert und man dafür brennt ist es super, dann lebt man für die Sache. Fängt man Sachen an, weil sie gut für einen Job sind und man damit Geld verdienen kann wird das über kurz oder lang in einer Spirale führen die einen kaputt macht. Deswegen alles zusammengefasst, lernt euch selbst kennen, lernt das Leben kennen und macht euch Gedanken womit ihr glücklich werden könnt und wozu ihr euch berufen fühlt, anstatt nur einen Job zu suchen.
Wald: Lieber Herr Sperschneider, ganz herzlichen Dank für die offenen Antworten und die Ratschläge für die HR-Youngster. Ich wünsche Ihnen weiterhin einen erfolgreichen Einstieg, viele neue Erkenntnisse und nachhaltige Erfolge bei Ihrer Tätigkeit.
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