Bernd Slaghuis |
Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Slaghuis: Im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen im Coaching-Markt bin ich kein Ex-Personaler, sondern kenne HR nur von der anderen Seite des Tisches. Selbst früher als Bewerber, vor allem jedoch aus der Sicht meiner Klienten als Bewerber auf Jobsuche oder als Dienstleister für Führungskräfte-Coachings. In meiner Zeit als Angestellter habe ich mich intensiv mit Strategieentwicklung beschäftigt und hier spielte natürlich auch HR eine wichtige Rolle. Heute bin ich zudem durch die Nähe meiner Themen zu HR sowie meiner teilweise ungewöhnlichen Perspektiven im Blog häufig im kollegialen Austausch oder auf Veranstaltungen im Gespräch mit HR-Verantwortlichen.
Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Slaghuis: Wenn ich selbst bei mir in den Blog schaue, schätze ich, ich mache mir nicht nur Freunde bei den Personalern. Ich schimpfe über fehlende HR-Strategien, keine nachhaltige Personalentwicklung, Worthülsen in Stellenausschreibungen, kein echtes Interesse am Bewerber und respektlose Absagen. Ich hoffe, dies nicht so pauschal, wie es hier klingt und immer mit einer Portion Lösungsorientierung. Ja, Personal hat es vielerorts heute schwer. Sowohl als Einheit in einer Organisation, die sich im Trubel um Neues Arbeiten und Digitalisierung irgendwie neu erfinden soll, als auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Ob die merkwürdige Diskussion um den Fachkräftemangel und die Rolle von HR dabei oder die Suche nach der Antwort auf die fast schon rhetorische Frage, ob HR denn nun Verwalter oder Gestalter sein muss. In den Medien lesen wir weiterhin von den fiesen Fangfragen, die „böse Personaler“ verängstigten Bewerbern stellen und erfahren, auf welche Füllwörter sie unbedingt beim Sprechen verzichten sollten, um den Job zu bekommen. Ein Bild, das aus Personalern kalte Monster mit detektivischem Röntgenblick werden lässt, denen sämtliche Menschlichkeit abhanden gekommen scheint. Ist es das, was bei solchen zugegeben sehr klickstarken Bewerbungstipps am Ende hängen bleibt, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass Bewerber und HR, aber auch intern Mitarbeiter und HR keinen guten Draht zueinander finden.
Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute so oft und teilweise heftig kritisiert?
Slaghuis: Ich bin mir nicht sicher, ob Personal heute das Bauernopfer ist auf der Suche nach Schuldigen in den Wirrungen einer sich verändernden Arbeitswelt und daraus resultierenden Problemen, oder ob der Bereich Personal tatsächlich in den letzten Jahren noch eine Insel der Glückseligkeit in Organisationen war, den nun der Wandel mit umso stärkerer Härte trifft und dies eher zu Stillstand durch Überforderung statt zu Veränderung durch Gestaltung führt.
Ich vermute, es ist eine Mischung aus beidem. Wenn ich mich heute in Personalabteilungen umsehe, dann sitzen dort weniger die Visionäre, Querdenker und Strategen, das mussten sie bisher auch eher nicht. In Leitungsfunktionen treffe ich auf Juristen, Psychologen oder studierte Personal-Manager/innen, in der Hierarchie unter ihnen „fleißige Bienchen“ im Recruiting, der Personalentwicklung und der Gehaltsabrechnung – und das meine ich wirklich sehr wertschätzend! Es mag zu pauschal von mir sein, doch Personal ist die Rolle als Gestalter in vielen Organisationen nicht gewohnt, soll es als ökonomisch bedeutender Teil der Wertschöpfungskette im heutigen dynamischen Umfeld jedoch zunehmend sein. Wir haben es also nicht nur mit einem Thema abweichender Eigen- und Fremdwahrnehmung zu tun, sondern auch mit Erwartungshaltungen sowohl des Top-Managements als auch von Bewerbern an HR, die die zuvor über Jahre auf Kosteneffizienz getrimmten Ressourcen einfach nicht erfüllen können.
Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Slaghuis: Ich bin der Meinung, HR muss aus seiner Passivität der sekundären Wertschöpfung heraus. HR-Prozesse und -Leistungen sollten konsequenter auf das Ziel ausgerichtet sein, die richtigen Ressourcen für die Erreichung der strategischen Unternehmensziele zu schaffen. Es macht einen Unterschied in der Personalauswahl und -entwicklung, ob sich eine Organisation marktüberdurchschnittliches Umsatzwachstum, die Innovationsführerschaft oder die Maximierung des Gewinns auf die Fahnen schreibt. Die HR-Prozesse sind aus meiner Wahrnehmung heute zu sehr auf operatives Tagesgeschäft, Kosteneffizienz bei maximal juristischer Sicherheit sowie Kennzahlensteuerung ausgerichtet. Solange HR nur als interner Dienstleister gemessen wird, der mit seinen Unterstützungsfunktionen im Wertschöpfungsprozess zu funktionieren hat, ist genau das stimmig. Doch in Zukunft sollte aus meiner Sicht nicht mehr die höchste Anzahl der auf eine Stellenausschreibung eingegangenen Bewerbungen oder die kürzeste Zeit bis zur Stellenbesetzung als Erfolg für HR verbucht werden, sondern der langfristige Beitrag eines Mitarbeiters zum Erfolg einer Organisation.
Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Slaghuis: Folge ich meinen Ansichten zur Rolle von HR in die Zukunft, dann habe ich ein Bild vor Augen, in dem Menschen in HR an allen Themen einer Organisation arbeiten, die direkt mit Menschen als Mitarbeiter zu tun haben:
Welche Menschen mit welchem Fachwissen, welcher Berufserfahrung und welcher Persönlichkeit werden tatsächlich (!) in welchen Funktionen benötigt, wer passt am besten zum Chef, zum Team und zur Kultur? - Also echtes Interesse am Menschen für nachhaltig gute Stellenbesetzung anstatt Copy/Paste-Stellenauschreibungen und Gleich-sucht-Gleich-Denke. Wie müssen Menschen weiterentwickelt, gefördert und begleitet werden, um dauerhaft einen Wertbeitrag zum Unternehmen zu leisten und dabei gesund zu bleiben? Welche Werte und Ziele hat jeder einzelne Mitarbeiter und was können Führung und HR gemeinsam dazu beitragen, damit diese erfüllt sind? – Also individuelle Führung und Personalentwicklung statt Gießkannen-Führung und verordnete Weiterbildung. Wie erfolgt die Kommunikation zwischen Menschen innerhalb einer Organisation sowie auch nach außen? – Also authentische, transparente und ehrliche Kommunikation mit Mitarbeitern und Bewerbern statt Machtdemonstration, Schauspiel und bunte Fassade. HR ist mehr als Hüter der Personalkosten! Personal muss hierfür als Managementfunktion auch stärker in die Ergebnisverantwortung genommen werden. Weniger Erfüllungsgehilfe, mehr Stratege, Berater und Entwickler. HR darf nicht länger nur der lästige Wurmfortsatz für die wertschöpfenden Fachbereiche sein, sondern muss zum integralen Wertschöpfungsbestandteil analog zu Produktentwicklung, Einkauf, Produktion oder Marketing und Vertrieb werden.
Digitale Führung bedeutet Menschen führen. So abgedroschen dieser Satz auch ist, bin ich überzeugt davon, dass der Mensch in unserer digitalisierten Arbeitswelt morgen noch viel stärker in den Mittelpunkt rücken wird. Wenn HR das Management von Menschen in einer Organisation bedeutet, gilt es, hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Notwendige Voraussetzung sind ein entsprechendes Standing von HR innerhalb eines Unternehmens sowie zugehörige Entscheidungs- und Handlungsspielräume, die heute vielfach so nicht vorhanden sind – und natürlich auch die entsprechenden Kompetenzen sowie die Haltung der Mitarbeiter in HR selbst.
Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Slaghuis: Ich bleibe in diesem Bild. Wenn es in Zukunft vor allem um gute Beziehungen zu und zwischen Menschen (Bewerber, Mitarbeiter, Ex-Mitarbeiter, ...) geht, dann sollten Studierende und junge Personaler vor allem an ihren Soft-Skills arbeiten. Haltung entwickeln statt Methoden lernen heißt für mich die Devise. Sie sollten ein echtes Interesse an anderen Menschen entwickeln, neugierig sein, offen Neuem gegenüber, etwa alternativen Karriere- oder Arbeitszeit-Modellen.
Prozesse und Standardaufgaben werden immer stärker automatisiert bzw. ausgelagert werden, dagegen werden die strategischen sowie die individuellen, menschlichen, schlecht automatisierbaren Themen stärker in den Vordergrund rücken. Stärken als Netzwerker, Koordinator und Coach werden die heutigen Alltagsmanager und Ordnungsmenschen in HR in Zukunft wohl ablösen.
Studierende sollten sich selbst ein Bild von ihrer Perspektive des HR der Zukunft machen – und Ihre Interviewreihe, lieber Herr Wald, bietet hierfür viele wertvolle Impulse – und sich überlegen, welche individuellen Werte, Stärken und Fähigkeiten sie hierfür bereits einbringen können und woran es wichtig und sinnvoll sein könnte, bewusst zu arbeiten. Wir haben zu Beginn über die heutigen Schwächen von und negativen Sichtweisen auf HR gesprochen. Für den „HR-Nachwuchs“ ist dies die Chance, die nächsten in vielen Unternehmen mit Nachholbedarf so wichtigen Entwicklungsschritte im Personalmanagement aktiv mit zu gestalten.
Wald: Sehr geehrter Herr Slaghuis, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, zahlreiche neue Ideen, offene Ohren sowie immer einen frischen Blick auf die Themen rund um Karriere und persönlicher Entwicklung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen