Stefan Döring |
Peter: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Deine Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Deine konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Stefan: Lange Jahre war ich Recruiter, dann Leiter Personalmarketing. Heute bin ich vor allem Berater, Redner oder Trainer. Diese Rolle als Externer habe ich sehr schätzen gelernt, denn ich kann offen Vorschläge machen und Dinge hinterfragen. Ich helfe Personalabteilungen dabei, Recruitingprozesse zu optimieren. Meine Kunden erkennen, dass mit den bisherigen Wegen Stellen nicht oder nicht mehr gut besetzt werden können. Immer öfter bekomme ich den Auftrag, das Personalmarketing neu auszurichten. Das Feedback der Bewerber und Mitarbeiter zeigt, dass der Brand nicht der Realität entspricht. Beides bedeutet nicht selten eine komplette Neuaufstellung inklusive Organisation und Qualifikation der Personaler. Ich habe dahingehend Kontakt mit Geschäftsleitung, Personalabteilung, Mitarbeitern, Dienstleistern und Bewerbern.
Peter: Wie schätzt Du den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Stefan: Ich stelle fest, dass die Kunden mit HR sehr unzufrieden sind. Das Personalmanagement wird nicht als wertschöpfend und damit als überflüssig wahrgenommen. Personalbetreuung, Gehaltsabrechnung und auch das Recruiting funktionieren eher schlecht als recht und es gibt viele Fehler. Die Kunden von HR verstehen die Prozesse nicht und empfinden sie als zu starr und wenig effizient. Führungskräfte kritisieren dies genauso wie Mitarbeiter und Bewerber. Managementstudien und wissenschaftliche Forschung kommen regelmäßig zum selben Ergebnis. Schnell wird die Professionalität von HR in Frage gestellt, was auch daran liegt, dass es keine Mindest-Qualifikationen für diesen Beruf gibt. Der Trend geht daher aktuell zum Outsourcing von HR-Aufgaben in der Hoffnung, dass Externe professioneller arbeiten.
Peter: Was meinst Du, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Stefan: Interessanterweise habe ich beim Thema Employer Branding tatsächlich nicht nur mit HR, sondern oft mit Marketingleitern zu tun. Diese berichten von einem starken Silodenken der Personalabteilungen. Meiner Ansicht nach liegt das Grundproblem darin, dass Personalmanagement immer noch als Comand and Control betrieben wird. Daher hört man den internen Kunden nicht richtig zu. Ich kenne nur sehr wenige Personalabteilungen, die wirklich ernsthaft eine Service-Kultur leben und für die Kundenintegration, Qualitätsmanagement sowie eine Kosten-Nutzen-Berechnungen selbstverständlich sind. Lass es mich so erklären: Selbst wenn ein Dienstleister eine optimale Lösung bietet, gleichzeitig aber nicht die Sprache der Kunden spricht, intransparent ist und keinerlei Marketing betreibt, wird er pleite gehen. Für HR bedeutet das beispielsweise, dass die schnelle Besetzung einer Stelle nicht zwingend zur Zufriedenheit der Führungskräfte führt. Beratung und Kundenbetreuung sowie maximale Transparenz sind genauso wichtig. Kurz: Die Kritik hat den Hintergrund, dass Personalarbeit nicht professionell als Dienstleistung gemanagt wird.
Eine anderer Grund für das schlechte Standing ist ebenso berechtigt: Das Ignorieren wissenschaftlicher Forschung und neuer Methoden. Solange Motivationsschreiben, Fotos oder das "Gefühl" trotz nachgewiesener Invalidität wesentliche Auswahlkriterien im Recruiting sind und Stellenanzeigen als PDF auf der Homepage "versteckt" werden, ist jede Kritik berechtigt.
Peter: Wo siehst Du in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Stefan: Peter, stell dir vor, dass eine Personalleitung morgen in der früh sagt: "Ab heute sind wir Dienstleister!" und den Schalter in Richtung Servicekultur umlegt. So einfach ist es natürlich nicht. Aber wenn, dann würde HR vollkommen neu gedacht werden. Durch Service Engineering fielen vermutlich viele HR-Prozesse weg, weil es dafür keine Kunden gibt. Andere Aufgaben bedürften einer deutlichen Professionalisierung. Das betrifft aus meiner Sicht vor allem das Recruiting und die Personalbetreuung. Nicht selten stünde eine Neuorganisation der Personalabteilung aus der Perspektive der Kunden an. Gegebenenfalls müsste sich die Personalabteilung eingestehen, dass man für bestimmte Herausforderungen nicht ausreichend qualifiziert ist. Auf der Dimension Ergebnis ginge es dann um Kundenzufriedenheit und den Nachweis von Effektivität sowie Effizienz. Interne Preisverrechnung für die HR-Services wäre selbstverständlich. Viele meiner Vorredner in Deiner Interviewreihe sehen in der Digitalisierung die Zukunft für HR. Dafür besteht angesichts der geschilderten Kritik wenig Verständnis bei den Kunden. Ich sage daher: Erst professionelle HR-Dienstleistungen, dann gerne Treiber der Digitalisierung sein. Nur so wird sich das Standing der Personaler wesentlich verbessern.
Peter: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Stefan: Peter, ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Klar könnten es NewWork, Bots oder Data Driven HR sein. Andererseits nehme ich aktuell die Renaissance von Print für Stellenausschreibungen wahr. Auch erlebe ich Bewerber, die keine Lust auf Werbung und schon gar nicht auf Bewerbermanagementsysteme haben und sich einer mobilen Bewerbung verweigern. Auch ist ihnen nicht selten der Employer Brand vollkommen egal, solange Aufgabe, Team und Bezahlung im Großen und Ganzen stimmen. Was ich weiß, ist, dass HR nicht nochmal 25 Jahre nach Ulrich Zeit hat, um professionell als Dienstleister zu agieren. Das bedeutet, für die dann bestehenden Kundenbedarfe oder Trends neue HR-Services zu entwickeln. Mir geht es nicht nur darum, dass sich Personalabteilungen heute mit der Digitalisierung beschäftigen. Vielmehr sollen sie grundsätzlich in der Lage sein, auf die Trends von morgen und übermorgen zu reagieren. Nur durch professionelles Servicemanagement kann HR neue Angebote für seine internen Kunden entwickeln, Bedarfe durch internes Marketing wecken und so Mehrwert leisten. Damit wird auch klar: Dienstleistung heißt nicht Dienen!
Peter: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfiehlst Du den jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Stefan: Ich kann den Studenten erstens empfehlen, sich neben dem HRM auch im Dienstleistungsmanagement zu schulen, um professionell und auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung agieren zu können. Zweitens empfehle ich, in den Fachabteilungen zu hospitieren und den Bewerbern zuzuhören, um Bedarfe zu erkennen. Silos abzubauen und zu kooperieren, muss für Personaler zum Selbstverständnis gehören. Drittens sollte nie die Neugier verloren gehen: Das Lesen von Blogs, die Auseinandersetzung mit aktueller HR-Forschung und neuen Trends ist wichtig, um sich weiterzuentwickeln. Aber bitte nicht jedem Trend folgen, sondern die Erkenntnisse auf das eigene Unternehmen übertragen. Mein letzte Empfehlung ist, sich selbst immer wieder kritisch zu hinterfragen, um besser zu werden.
Peter: Stefan, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Dir weiterhin viele und nachhaltige Erfolge, insbesondere für die laufende Promotion, große Resonanz bei Deinen Vorträgen und Projekten sowie immer freundliche Partner.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen