Gilbert Dietrich |
Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Dietrich: Mit einer Management-Rolle bei Google habe ich die faszinierende Verschränkung von Business, Technik und Mensch schätzen gelernt und durch einige Weiterbildungen das Personalmanagement zu meinem Beruf gemacht. Ich führe in E-Commerce- und kreativen Internet-Unternehmen Personalabteilungen und versuche dort vor allem Themen wie Kultur, Digitalisierung und Analytics voranzutreiben.
Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Dietrich: Das ist enorm abhängig von der jeweiligen Firma. Eine Firma, die ihr Personal als ausschlaggebend für ihren Business-Erfolg begreift, wird auch ihre Personalabteilung entsprechend fordern und fördern. Ich hatte bereits das Glück, sowohl in Unternehmen zu arbeiten, in denen Personaler ein sehr schwieriges Standing hatten, als auch in Unternehmen, in denen sie sehr angesehen waren. Ich schätze an den Personalern, mit denen ich in Kontakt komme, dass sie sich sehr stark für Technologie und Kultur und die Weiterentwicklung ihres Berufsstandes interessieren und engagieren. Beispiele sehen wir auf Events wie dem Berliner HR BarCamp, das jetzt im März wieder die Szene aufmischt. Solche Personaler sollten auch in modernen Unternehmen ein gutes Standing haben.
Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Dietrich: Es geht ja gewissermaßen um einen Service. Denken wir mal an ein Callcenter oder Helpdesks und so weiter – solche Funktionen haben es immer schwer bei den Kunden, weil die in einer gewissen Abhängigkeit von diesen Funktionen sind und sich in der Regel an diese nur wenden, wenn sie sowieso schon ein Problem haben. Hinzu kommt, dass Personalmanagement die erste Front der internen Unternehmensvertretung ist.
Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Dietrich: Hier setze ich immer auf das Ausbauen von Autonomie der Mitarbeiter. HR soll Mitarbeitern nicht die Auskunft geben oder das Formular ausdrucken oder für die richtige Weiterbildung sorgen! HR soll zusammen mit dem Management die Mitarbeiter in die Lage versetzen, sich selbst zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die nötigen Dokumente selbst zu produzieren etc. Nebenbei: Wenn sich HR von diesen Admin-Themen entlastet, haben wir auch mehr Zeit für die guten Themen z.B. in der Organisationsentwicklung. Wie so etwas in kleinen bis mittleren Unternehmen geht, habe ich unlängst hier beschrieben. Es gibt noch viele andere Gründe, warum Unternehmensführung und Mitarbeiter das Personalmanagement kritisieren, wie z.B. das Hinterherhinken in analytischen und technischen Bereichen oder die Prozessorientierung auf Kosten der "Nutzerfreundlichkeit". In diesen Themen muss HR aufholen, denn zurecht erwarten die anderen von uns "State-of-the-Art" Prozesse, die sie aus anderen Teilen des Unternehmens und von externen Anbietern gewohnt sind.
Dietrich: Ich denke nicht, dass es dann das typische HR-Management noch geben wird. Die Kernprozesse können schon jetzt von Maschinen und Algorithmen besser erledigt werden. Dort, wo wir noch Mitarbeiter beschäftigen werden, müssen wir Themen wie Relocation, Onboarding, Organisationsentwicklung und auch das Management von "fluiden" Beschäftigungssituationen jenseits der Festanstellung managen. Und natürlich muss es ganz wenige Mitarbeiter geben, die diese Maschinen und ihre Algorithmen in Unternehmen betreuen.
Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Dietrich: Ich bin ja selbst kein ausgebildeter Personaler, sondern ein Quereinsteiger. Deshalb kann ich nicht beurteilen, wie ein Personalmanagement-Studium heute aussieht. Vielleicht ist es ja bereits sehr auf technische und analytische Expertise ausgerichtet, denn das ist es, was Personaler von heute an benötigen. Ganz persönlich würde ich niemandem mehr empfehlen, Personalmanagement zu studieren. Und wenn doch, dann bitte unbedingt darauf achten, Erfahrungen in anderen, heute schon technisch-analytischen Business-Bereichen wie Marketing, Unternehmensstrategie oder Unternehmensfinanzierung zu sammeln. Mir persönlich hat es gut getan, zuerst in technischen produkt- und supportnahen Unternehmensbereichen gearbeitet zu haben, denn dort habe ich verstanden, worum es der Firma am Ende wirklich geht und wie die Kunden oder Nutzer der Firma betreut werden. Letztlich ist es das Business, das wir als Personaler verstehen müssen, um die richtigen Entscheidungen für Personalstrategien zu treffen.
Wald: Lieber Herr Dietrich, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin zahlreiche neue Ideen, stets viele Erfolge bei der Umsetzung und eine gewogene Leserschaft Ihres Blogs.
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