Meine Gesprächspartnerin Britta Redmann |
Wald: Liebe Frau Redmann, auch an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch zum vorliegenden Buch. Ich freue mich, dass Sie mir heute dazu Rede und Antwort stehen.
Redmann: Sehr gerne J
Wald: Wie ist es zu diesem Buch gekommen? Gibt es eine Vorgeschichte?
Redmann: Hier haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt. Zum einen beschäftige ich mich seit mehreren Jahren mit neuen Arbeitsformen in Organisationen. Darunter fällt z.B. agile Zusammenarbeit aber auch der gesamte Transformationsprozess, wie es in Unternehmen gut und vor allem arbeitsrechtlich konform gelingen kann sich von „OldWork“ zu „NewWork“ zu wandeln. Hier stoßen Unternehmen automatisch irgendwann an die Frage, ob zu den „neuen Formen“ einer Zusammenarbeit das vorhandene Vergütungssystem im Unternehmen noch passt oder ausreicht. Vergütungssysteme in einem Unternehmen sind daher eine wichtig Unterstützung für eine Kultur bzw. eben auch für einen Kulturwandel. Zum anderen ist mir aber auch in der letzten Zeit in meinen unterschiedlichen Funktionen als Personalleiterin und als Anwältin aufgefallen, was Unternehmen alles möglich machen, um Mitarbeiter überhaupt zu erreichen, also anzusprechen und für sich zu gewinnen. Auch hier geht es nicht zentral um das Geld als vielmehr das, was noch „on top“ kommt, wie eigenes gekochtes Essen, besondere Arbeitszeitmodelle, Vertrauensurlaub, etc. Ein Vergütungssystem ist also aktuell ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen, sich zum einen attraktiv zu machen und zwar genauso für diejenigen Mitarbeiter, die man gewinnen will als auch für die, die man unbedingt behalten möchte.
Wald: Einige Anmerkungen und Fragen zum Inhalt des Buches. Auffallend für mich ist, dass Sie die Brücke einerseits zwischen Fragen der Vergütung und aktuellen Entwicklungen und andererseits zwischen monetären und nicht-monetären Anreizen geschlagen haben. Gibt es für diese komplexe und viele Facetten umfassende Betrachtung einen Grund?
Redmann: Wenn in Unternehmen eine partizipative Mitgestaltung auf Augenhöhe wichtig ist, Entscheidungen von Mitarbeitern getroffen werden sollen, Teams sich am besten selbst organisieren oder auch sich Arbeitsorte auflösen und Arbeitszeiten flexibel sein sollen, so kann die Vergütung hier nicht außen vor gelassen werden. Damit dieses erfolgreich umgesetzt werden kann, bedingt dies ein Umfeld oder einen kulturellen Rahmen, der entsprechende Partizipation, Offenheit, Freiheiten, etc. auch ermöglicht. Und natürlich auch Menschen, die diesen Rahmen gerne ausfüllen wollen und auch Spaß daran haben, mitzugestalten, Entscheidungen selber zu treffen und lieber ergebnisorientiert statt nach Präsenz zu arbeiten. Kurzum: Sowohl für Unternehmen – die ja mit neuen Arbeitsformen sich auch einen Nutzen versprechen – als auch für Mitarbeiter bestehen sehr vielseitige und teilweise auch unterschiedliche Bedürfnisse, die durch weitere „Währungen“ als alleine Geld und monetäre Faktoren erfüllt werden wollen. Der rein monetäre Ansatz über ein hohes Gehalt macht aus Mitarbeitern keine „Challengepartner“ die mit dem Unternehmen loyal durch dick und dünn gehen, die Unternehmensinteressen genauso wie die eigenen im Blick haben und eigentlich immer wie ein Mit-Unternehmer im Sinne des Unternehmens entscheiden….
Wald: Den persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter geben Sie den entsprechenden Raum. Warum fällt es vielen Unternehmen nach wie vor so schwer, diese Erwartungen und Bedürfnisse in das Zentrum der Überlegungen zur Weiterentwicklung ihrer Vergütungs- und Anreizsysteme zu rücken?
Redmann: Ich glaube, wir sind das in Unternehmen einfach nicht gewohnt. Neben der Bereitschaft, sich mit den Interessen und Bedürfnissen zu beschäftigen, erfordert es natürlich auch eine große Vielfalt, Kreativität und Offenheit in Unternehmen. Menschliche Bedürfnisse sind unterschiedlich, vielleicht auch von Lebensphasen abhängig, verändern sich… Und nach wir vor lieben wir in Deutschland und in Unternehmen ja einfach immer noch feste Pläne… Wenn ich ein bedürfnisorientiertes Vergütungssystem habe, erfordert das immer wieder neue Aufmerksamkeit auf den anderen, einen Austausch und individuelle auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Lösungen. Hier gibt es dann einfach weniger „von der Stange“. Das ist für Unternehmen immer noch eine große Herausforderung und erfordert Mut, ihre „eigenen“ Modelle zu entwickeln.
Wald: Im zweiten Teil des Buches widmen Sie sich den Themen Agilität, New Pay und Arbeitszeitfragen. Hier hat mich Ihre Überschrift „Agiles Arbeiten als Währung“ erstaunt. Was steckt hinter dieser Formulierung? Und: Glauben Sie, dass agiles Arbeiten in jedem Fall den Erwartungen und Bedürfnissen der Unternehmen und Mitarbeiter entspricht?
Redmann: Dahinter verbirgt sich, dass agiles Arbeiten sowohl von Unternehmen angestrebt wird, um sich den diversen Veränderungen in unserer heutigen Arbeitswelt schnell und kundenorientiert anpassen zu können. Gleichermaßen besteht bei Mitarbeitern oft ein starkes Bedürfnis in einem agilen Arbeitsumfeld tätig zu sein. Damit verbunden wird oft eine bestimmte Art der Zusammenarbeit wie z.B. in selbstorganisierten Teams oder in Netzwerkstrukturen, die wenig Hierarchie sondern mehr eigene Mitgestaltung zulassen. Es gibt also ganz unterschiedliche Aspekte von Agilität, die z.B. die die Art der Arbeitsmethodik, die Arbeitsweise, die Kommunikation oder auch kreative Arbeitsorte wie z.B. in einem Lab zusammen zu arbeiten und neue Ideen zu entwickeln, umfassen können. Ob die jeweilige agile Form dann immer zu den einzelnen Erwartungen bzw. Vorstellungen davon passt, wird – wie eigentlich bei allen Fragen der richtigen Passung zueinander – soweit möglich im Gespräch vorab oder sich dann spätestens beim Erleben herausstellen.
Wald: Passen agile Arbeits- und Vergütungsformen oder auch das erwähnte agile Performance Management wirklich zu allen Unternehmen? Oder wird es hier nicht eher zu einem Zweiklang alter und neuer Formen kommen?
Redmann: Agilität als Heilslösung für alle – das glaube ich nicht. Weder gibt es die EINE richtige agile Arbeitsform noch passt eine agile Arbeitsweise auf jedes Unternehmen. Entscheidend ist aus meiner Sicht der Nutzen, den ein Unternehmen mit einer agilen Zusammenarbeit erzielen möchte. Dieser sollte klar im Vorfeld herausgearbeitet und fokussiert sein. Das gilt genauso für eine agile Vergütungsform. Agilität nur weil es „hipp“ ist und für die es keine Antwort auf die Frage gibt, „Warum wollen wir agil arbeiten?“ gibt wird meines Erachtens scheitern.
Wald: Viele Unternehmen - auch am Standort meiner Hochschule - beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema „Zeit statt Geld“. Im Kapitel 4 Ihres Buches sind Sie ausführlich auf bereits vorhandene Tarifverträge und konkrete Erfahrungen von Unternehmen eingegangen. Gibt es hier Beispiele, die Sie besonders hervorheben können?
Redmann: Sehr ausführlich habe ich mich mit dem Tarifertrag der Metall- und Elektroindustrie beschäftigt, der mobile Arbeit und nun ausdrücklich auch die Wahloption „Zeit statt Geld“ beinhaltet. In diesem Zusammenhang ist auch der „Innovationstarifvertrag“ bei Bosch zu erwähnen, der in der gleichen Branche jedoch nur für Bosch als Firmentarifvertrag mit der IG Metall abgeschlossen wurde. Oder auch der Tarifvertrag der Deutschen Bahn aus diesem Jahr, der sogar Arbeitgeberattraktivität als tarifliches Ziel beinhaltet.
Wald: Lassen sich hier aus Ihrer Sicht bereits Tendenzen beim weiteren Umgang mit Arbeitszeit ableiten?
Redmann: Zeit als tarifliches Thema nimmt nach meinen Beobachtungen weiter zu. Auch in der chemischen Industrie, die jetzt im Herbst die Verhandlungen starten, wird ein wesentlicher Aspekt des neuen Tarifabschlusses wohl zeit- und ortsflexibles Arbeiten sein.
Wald: Sehr interessant ist auch das fünfte Kapitel mit Checks zu Fragen der konkreten Umsetzung der behandelten Themen am Arbeitsplatz. Dabei reichen die Cecks von Budgetfragen, über Unternehmenskultur, den Bürohund bis hin zu Möglichkeiten zum sozialen Engagement im Unternehmen. Wie sind Sie auf die Inhalte dieser Checks gekommen?
Redmann: Die Inhalte der Checks sind abgeleitet aus den Bedürfnissen und zwar sowohl der Mitarbeiter als auch der Unternehmen. Jede Komponente wurde von mir am Ende betrachtet, welche verschiedenen Bedürfnisse auf beiden Seiten damit erfüllt werden kann.
Wald: Abgeschlossen wird das Werk mit Vorlagen, Checklisten und Mustern. Dabei handelt es sich um Materialien, die in ihrer Bandbreite nicht oft in der Literatur zu finden sind. Dazu zählen Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträge und Leitfäden. So haben die Leser die Möglichkeit (auch mit einer sehr instruktiven Checkliste für nicht-monetäre Maßnahmen, Ziele und Messgrößen) die behandelten Themen mit konkreten Hilfsmitteln anzugehen.
Redmann: Ja, das stimmt. Neben einer ganzheitlichen Betrachtung ist mir persönlich wichtig, auch Mittel an die Hand zu geben, die die Menschen in den Organisationen handlungsfähig machen und sie darin unterstützen, die Dinge auszuprobieren und anzuwenden und sich dadurch auch anregen zu lassen. Meine Muster sind als Vorschläge zu verstehen, Mut - und Lust – auf eigene Lösungen zu bekommen.
Wald: Viele meiner Studierenden mit dem Schwerpunkt Personalmanagement werden bei bestimmt bei ihrem Berufseinstieg gefragt, wo ein modernes Unternehmen bei der Einführung neuer Arbeits- und Organisationsformen anfangen sollte. Gibt es hier vielleicht einen Tipp oder auch Hinweise von Ihnen, wo die jungen Personaler ansetzen sollten, um die entsprechende Akzeptanz für innovative Vorschläge zu erreichen?
Redmann: In direkten Austausch mit den Menschen gehen, herausfinden, welche Bedürfnisse diesen wichtig sind genauso wie zu recherchieren, was das Unternehmen braucht. Im weiteren Schritt dann gemeinsam - am besten in einer Runde aus Mitarbeitern und/oder Betriebsrat und Geschäftsleitung – Vorschläge erarbeiten und einführen. Der Fokus liegt im Gemeinsamen und im Miteinander.
Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich bin mir sicher, dass dieses Buch eine aufgeschlossene und vor allem veränderungsbereite Leserschaft finden wird.
Redmann: Vielen Dank für die Einladung zu diesem Gespräch J
Ein Blick auf das Werk |
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