Donnerstag, 6. Juni 2024

So viel KI-Expertise suchen die Unternehmen in Deutschland - Ein Blick auf aktuelle Stellenanzeigen

Die Interviews mit Jürgen Grenz, CEO der Index Gruppe in Berlin, zählen zu den Evergreens und den meistgelesenen Beiträgen des Leipziger HRM-Blogs. Ich freue mich daher sehr, dass es mir erneut gelungen ist, ihn hier für ein Gespräch zu gewinnen. Und dies umso mehr, da seine Personalmarktforschung Index Research kürzlich eine spannende Analyse zur Erwähnung von KI-Kenntnissen im Anzeigentext von Stellenangeboten durchgeführt hat. Da KI-Lösungen derzeit eines der meistdiskutierten Themen im HR-Kosmos sind, trifft es sich gut, dass ich Herrn Grenz dazu einige vertiefende Fragen stellen kann.

Wald: Lieber Herr Grenz bereits an dieser Stelle ganz herzlichen Dank, dass es erneut mit einem Gespräch geklappt hat.
Grenz: Sehr gerne, ich freue mich über Ihr Interesse.

Wald: Bereits in unserem letzten Gespräch im Januar 2024 hatten Sie hervorgehoben, dass allein zwischen Januar und April 2023 deutschlandweit fast 44.000 Stellen mit KI und sinnverwandten Begriffen im Anzeigentext ausgeschrieben wurden. Wo stehen wir heute bei den Stellenanzeigen mit KI-Bezug?
Grenz: KI kommt in immer mehr Arbeitsbereichen zum Einsatz – sei es ChatGPT für die Texterstellung, Midjourney für die Bildgenerierung oder Matching-Lösungen für die Personalauswahl. Unternehmen suchen daher gezielt nach Fachkräften, die KI-basierte Technologien entwickeln und anwenden können. Zwischen Januar und April 2024 tauchten die Begriffe Künstliche Intelligenz, KI und die englischen Bezeichnungen Artificial Intelligence und AI deutschlandweit in über 92.000 Stellenanzeigen auf.


Wald: Die aktuelle Microsoft Work Trend Index Studie von Microsoft und LinkedIn zeigt, dass die Erwähnung von KI in Stellenanzeigen auf LinkedIn zu einem Anstieg der Bewerbungen um 17 % führt. KI hat sich nach dieser Studie zu einem wichtigen Arbeitgeberattraktivitätsfaktor entwickelt. Ist diese Erkenntnis in den Unternehmen angekommen? Oder anders gefragt: Schlägt sich dies auch in der quantitativen Entwicklung der Stellenanzeigen über die Jahre nieder?
Grenz: So ist es. Die Analyse meiner Personalmarktforschung index Research ergab, dass KI und verwandte Schlagwörter immer häufiger in Stellenanzeigen vorkommen. 2022 stand der Begriff in fast 183.000 Stellenausschreibungen. 2023 nannten ihn Arbeitgeber in über 217.000 Jobinseraten. Das entspricht einem Anstieg von nahezu 16 Prozent – Tendenz steigend. Wie bereits gesagt, wurde KI allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres in über 92.000 Anzeigen erwähnt, das sind mehr als halb so viele wie im gesamten Jahr 2022.

Wald: Ist es möglich, zwischen der Anzahl der Stellenanzeigen für KI-Entwickler und den Stellen für KI-Anwender zu differenzieren?
Grenz: Ein Blick auf die Berufsgruppen gibt Aufschluss darüber, wie viele KI-Entwickler bzw. KI-Anwender die Unternehmen suchen. Eine genaue Abgrenzung ist jedoch schwierig. Von Januar bis April 2024 stand Künstliche Intelligenz in den Anzeigentexten aller Berufsgruppen. Am häufigsten wurden KI-Kompetenzen in Stellenanzeigen für Informatiker, Wissenschaftler und technische Fachkräfte, wie zum Beispiel Ingenieure gefordert. Diese Berufsgruppen entwickeln neue, auf künstlicher Intelligenz basierende Technologien, optimieren bestehende Lösungen und wenden eigens oder fremdprogrammierte KI-Technologien in verschiedenen Projekten auch an.


Wald: Und wie sieht es bei den klassischen Wissensarbeitern aus?
Grenz: Auch im Anforderungsprofil von Stellenanzeigen für klassische Wissensarbeiter, wie zum Beispiel Consultants, Projektmanager aber auch bei Vertrieblern, stehen KI-Kenntnisse. Bei diesen Profilen handelt sich um Anwender. Mit fundierten KI-Kompetenzen bleiben sie auch in Zukunft arbeitsmarktfähig. Ich bin überzeugt: Künstliche Intelligenz wird nicht per se Fachkräfte arbeitslos machen. Es werden vor allem diejenigen ihren Job verlieren, die nicht mit KI umgehen können.

Wald: Wie wird es hier aus Ihrer Sicht weitergehen?
Grenz: Künstliche Intelligenz ist aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. OpenAI hat ChatGPT erst im November 2022 für die breite Öffentlichkeit live geschaltet. Seitdem ist viel passiert, viele weitere leistungsfähige KI-basierte Sprachmodelle sind auf den Markt gekommen. Und wir stehen noch ganz am Anfang. Wer als Unternehmen nicht auf den KI-Zug aufspringt, wird es in den nächsten Jahren immer schwerer haben und irgendwann vom Markt verschwinden.

Wald: Wie steht es um die Nutzung von KI-Lösungen in der index-Gruppe? Gibt es hier Lösungen, die Sie erwähnen können?
Grenz: Index setzt bei seinem Kernprodukt, der Stellenanzeigen-Datenbank index Anzeigendaten, schon lange auf Künstliche Intelligenz. Gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz haben wir eine so genannte skillbasierte Suche mit KI entwickelt.

Wald: Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Grenz: Personaldienstleistungen finden in unserer Stellenanzeigen-Datenbank index Anzeigendaten Stellen für ihre Kandidaten. Nehmen wir an, ein Personaldienstleister hat einen Hausmeister in seinem Bewerberpool. Bei der bisherigen semantischen Suche in index Anzeigendaten wurden ihm nur Stellenanzeigen mit Hausmeister im Jobtitel angezeigt. Unsere skillbasierte Suche mit KI geht einen Schritt weiter. Sie spielt zum einen zusätzliche Stellenanzeigen mit neueren Berufsbezeichnungen wie Facility Manager und Anzeigen für Hausmeister mit Rechtschreibfehlern im Titel aus. Zum anderen werden auch Stellenanzeigen mit ähnlichem Anforderungsprofil angezeigt, z.B. für Schlosser und Elektroniker. Damit eröffnen wir den Personaldienstleistern deutlich mehr Vermittlungsmöglichkeiten.

Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch.
Grenz: Sehr gerne, ich freue mich schon auf unser nächstes Gespräch.

Mein Interviewpartner Jürgen Grenz ist CEO der index Gruppe, die 1994 gegründet wurde und heute rund 190 Mitarbeiter beschäftigt. index berät als Spezialist für HR-Marketing, Personalmarktforschung, Karriereportale und Outplacement Unternehmen, Personaldienstleister, öffentliche Einrichtungen und Verbände zu Personalthemen. Mit index Anzeigendaten ist seine Unternehmensgruppe europäischer Marktführer in der Stellenmarkt-Auswertung. 2023 gründete Jürgen Grenz gemeinsam mit Hartmut Lüerßen und Oliver Saul die index Business Innovation Consulting, die Personaldienstleister mit Smart Data unterstützt.

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