Gerhard Kenk |
Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Kenk: Über 30 Jahre war ich als Abteilungsleiter/Fachbereichsleiter mit Linienverantwortung im IT-Bereich tätig und war - neben den Fachgebieten der IT-Anwendungen und IT-Projekten - auch verantwortlich für alle Aspekte des Personalmanagements meiner Abteilung. Dazu zählten u.a. Recruiting, Onboarding, Leistungsbeurteilung, Weiterentwicklung von Mitarbeitern. Dazu gehörten auch Entscheidungen und Umsetzung von Mitarbeiter-Entlassungen aus Gründen der Minderleistung. Das Zusammenspiel mit den Personalabteilungen war immer geprägt von einer klaren Rollenverteilung: HR liefert den Service, aber alle wichtigen Personalentscheidungen bei Einstellungen usw. lagen in meiner Hand.
Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Kenk: Wenn man das Standing der Personaler aus Aspekten der Einflussnahme im Firmenentscheidungsprozess betrachtet, muss man eingestehen, dass Unternehmensbereiche wie Fertigung, Vertrieb oder Controlling einen wesentlich größeren Einfluss haben. Personalabteilungen werden im Standing eher "geduldet", denn für die Bürokratie der Personalverwaltung und Gehaltsabrechnungen muss ja jemand zuständig sein. Dieses interne Standing innerhalb einer Firma steht jedoch in krassem Gegensatz zur Bedeutung der "Resource" Mitarbeiter. In vielen Unternehmen entfallen in der Gewinn-/Verlustrechnung oft über die Hälfte des Aufwandes auf die Mitarbeiter.
Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Kenk: Gelegentlich nimmt das "HR-Bashing" skurrile Züge an, die man aus der Hype-Berichterstattung kennt und den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie entsprechen. Wenn dann diese Einschätzungen auch noch mit Umfragen untermauert werden, gestaltet sich eine Therapie der notleidenden Unternehmensfunktion "Personal" sehr schwierig. Viel eher sollten sich CEOs Gedanken machen, wie sie mit einer besseren Budgetausstattung, mehr Mitarbeitern oder geringerer Überlastung in den operativen Angelegenheiten ein Umfeld schaffen können, damit das Personalmanagement besser und strategischer performen kann.
Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Kenk: Eine der zentralen Ergebnisse, die das Personalmanagement konkret verbessern muss, ist die Besetzungsdauer von offenen Positionen und eine fundiertere Einschätzung der Arbeitsmarktsegmente. So geht aus einem IAB-Bericht hervor, dass sich die Besetzungsdauer in den letzten 10 Jahre von 70 auf 85 Tage verlangsamt hat - trotz aller Möglichkeiten eines verbesserten IT-Einsatzes. Hinzu kommt noch eine kritische Lücke: Die tatsächliche Besetzungsdauer einer Vakanz lag etwa 46% über der erwarteten Besetzungsdauer. Unternehmensbereiche wie Einkauf, Logistik oder Produktion haben das Timing der Material-Belieferungen mit dem Konzept "Just-in-Time" revolutioniert - jeder Brummi auf den deutschen Autobahnen ist Sinnbild dieses Paradigmenwechsels. Personalmanagement sollte ähnliche Konzepte umsetzen und die Gesamtdauer der Recruiting-Prozesse wesentlich beschleunigen. Woran liegt eigentlich die Unfähigkeit, eine eingegangene Bewerbung am gleichen Arbeitstag hinsichtlich Ablehnung oder Einladung zum Jobinterview zu entscheiden? Weshalb kann nicht am Folgetag eines Jobinterviews eine Einstellungsentscheidung getroffen werden? Recruiting produziert zu viel "Auf Halde" und zu wenig auf "Durchsatz". Vor dem Hintergrund der Besetzungsschwierigkeiten in vielen kritischen Tätigkeitsbereichen muss auch die zeitnahe Mitwirkung der Fachabteilung eingefordert werden, ihren Beschleunigungsbeitrag zu leisten.
Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Kenk: Das Personalmanagement der Zukunft muss sich viel stärker um einen strategischen Ansatz kümmern, der in der Finanzwirtschaft als "Portfolio Management" bekannt ist. Dort geht es um die zentrale Frage, wie die Gesamtrendite des Portolios ohne Verschlechterung der Risikoeinschätzung verbessert werden kann. Auch das strategische Personalmanagement muss diese Fragen beantworten. Welche strategischen Veränderungen müssen wirken, um Verfügbarkeit, Kapazität, Qualifikation und Fluktuation der Mitarbeiter zu verbessern? Nicht nur seit Beginn des Bundestagswahlkamps spielt die soziale Gerechtigkeit eine Rolle. Die Ungerechtigkeiten, die sich hinter den Schlagworten wie Gender Pay Gap, Management-Bonifikationen, Gini-Koeffizienten oder der Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen zeigen, offenbaren einen Handlungsbedarf, der wichtiger und brisanter ist als jede Diskussion um agile disruptive Digitalisierung der HR-Funktionen, Mobile Bewerbungen oder Robot-Recruiting.
Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Kenk: Studierende und junge Personaler brauchen ein fundiertes Verständnis der IT, denn der Einfluss von IT-basierten Tools, Prozessen und Datenanalysen wird weiterhin stark ansteigen und eine Investition in die persönliche Lernkurve wird unabdingbar. Wesentlich ist ebenfalls, dass sich Studierende und junge Personaler auch mit den Erkenntnissen der strategischen Unternehmensführung auseinandersetzen. Der stetige Wandel, die durch die Internet-Ökonomie (Schlagworte Start-ups, Freelancer, Remote Work, Gig-Beschäftigung, Beschleunigung) auf uns eindringen, sollte zumindest ansatzweise verstanden werden und Erkenntnisse gewonnen werden, wie sich dieser Wandel auf die Zukunft des Personalmanagements auswirkt.
Wald: Lieber Herr Kenk, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, stets zahlreiche neue Ideen und aufmerksame Leser des Crosswater-Portals.
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