Timm Kuhlmann |
Wald: Vielen Dank für die Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Kuhlmann: Mein direkter Bezug zum Personalmanagement bestand vor allem während meiner Zeit als Werkstudent, als Headhunter und in der Selbstständigkeit als Personalberater. Hier konnte ich vielfältige Einblicke in die verschiedensten Recruiting-Prozesse, von kleinen Handwerksbetrieben bis hin zum Großkonzern, sammeln und aktiv mitgestalten. In meiner jetzigen Tätigkeit als Teamleiter für eine Maßnahme im Auftrag der Agentur für Arbeit, sitze ich mit meinen Teilnehmern wieder als „Kandidat/Bewerber“ auf der anderen Seite des Personaler-Tisches. Meine tägliche Arbeit ist dabei die Betreuung der Teilnehmer hinsichtlich der Erfassung und Entdeckung ihrer Stärken, Talente und Qualifikationen, sowie das Coaching in den Bereichen Bewerbungserstellung und Bewerbungsprozesse im Allgemeinen. Ein riesiger Vorteil ist natürlich meine vorherige Erfahrung als Personaler, da ich meinen Teilnehmern sozusagen aus erster Hand berichten kann, wie Vakanzen ausgelöst werden und wie Recruiting-Prozesse in Unternehmen gestaltet sind.
Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Kuhlmann: Es ist spannend zu beobachten, wie die verschiedenen Perspektiven der Interessengruppen auf die Personaler verteilt sind. Aus Sicht einiger meiner Teilnehmer nehmen Personaler immer noch die Position des „strengen Schwellenwächters“ ein, dem man bestmöglich gefallen muss und dem es vor allem auf die richtige „Präsentation“ ankommt. Aber auch hier dreht sich scheinbar langsam das Bild. Denn auch unter den Teilnehmern der Maßnahme, gab es schon angeregte Diskussionen über die Art und Weise, wie Personaler bzw. Unternehmen ihre Rolle in der Personalauswahl definieren. Selbst Teilnehmer, die weit außerhalb ihres eigentlich erlernten Berufsfeldes nach Arbeit suchen, um überhaupt wieder in Arbeit zu kommen, weigern sich zum Teil bei Unternehmen anzufangen, bei denen der Personaler die Bewerber als Bittsteller behandelt oder wo die Wertschätzung nicht spürbar ist. Auch im niedriger Qualifizierten Bereich ist das Thema „Candidate Experience“ schon längst angekommen.
Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Kuhlmann: Ich glaube, dass vor allem in einigen kleinen Unternehmen und bei einer Handvoll mittelständischer Unternehmen bereits ein Wandel (Geisteswandel) in Bezug auf den Sinn und Zweck der Personalabteilung eingesetzt hat. Hier erlebe ich immer öfter, dass Prozesse überdacht werden und Entscheidungskriterien für eine Einstellung aufbrechen. Es zählt dann eben nicht mehr die beste Präsentation, sondern wirklich die reine Qualifikation und an erster Stelle die „kulturelle Passung“. Trotz dieses Wandels trifft die Vielzahl der Bewerber_innen heute immer noch auf alte Strukturen und Denkweisen aus Zeiten der Personalverwaltung. Das beste Beispiel hierfür, ist die immer noch oft vorherrschende Meinung unter „Bewerbungscoaches“ das ein Lebenslauf max. eine Seite umfassen darf und das bloß keine Tätigkeitsbeschreibung eingefügt werden sollte. Zudem sei das Anschreiben das aller wichtigste und der Einleitungssatz des Schreibens müsse hoch individuell und schmeichelhaft für das Unternehmen sein. Als ich das von meinen Teilnehmern gehört habe, die bereits schon mal an einer Maßnahme teilgenommen hatten, wurde mir klar, wieviel Erfahrung ich aus meiner Zeit als Personaler in meine tägliche Arbeit einbringen kann und wie veraltet das Wissen und das Handeln bei vielen Akteuren heute noch ist.
Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Kuhlmann: Hier möchte ich, wie eben schon einmal erwähnt, die „Candidate Experience“ anführen. Die immer noch schlechte Bewerbererfahrung vom Absenden der Bewerbung bis hin zum Einstellungsgespräch ist der größte Kritikpunkt, den sich Unternehmen bzw. Personaler gefallen lassen müssen. Zu oft erlebe ich, wie ganze Lebensläufe nochmals in das Bewerbermanagement-Tool manuell abgetippt werden müssen, um dann am Schluss trotzdem den Lebenslauf zusätzlich hochzuladen. Hier ist immer noch riesen Nachholbedarf! Aber auch die Auswahlkriterien sollten weiter überdacht werden. Nicht mehr die „schönste“ und beste Bewerbung mit der am besten einstudierten Präsentation, sollte maßgeblich für einer Einstellungsentscheidung sein, sondern die individuelle Betrachtung der Stärken (verborgende Talente) und Qualifikationen sollten im Vordergrund stehen. Aus meiner Arbeit als Personalberater weiß ich aus erster Hand, dass fachliche Kenntnisse und Qualifikationen (recht schnell) erlernbar bzw. nachholbar sind. Passt hingegen die Persönlichkeit des Bewerbers nicht ins Team bzw. in die Unternehmenskultur ist dies nicht durch Schulungen ausgleichbar. Zu oft wird immer noch nach der „eierlegenden Wollmilchsau“ gesucht.
Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Kuhlmann: Eine spannende Frage und schwer zu beantworten. Wir wissen ja alle, wie anfällig die Wahrscheinlichkeiten für Prognosen sind. Ich denke, das die Entwicklung des Personalmanagement noch viel Stärker durch die Digitalisierung geprägt werden wird, als es bisher schon der Fall war. Zudem kann ich mir gut vorstellen, dass es den klassischen Personaler in Zukunft gar nicht mehr braucht. Die administrativen Aufgaben, lassen sich durch digitalisierter Prozesse automatisch bearbeiten und das Fachwissen im Arbeitsrecht lässt sich auch an anderer Stelle sammeln und generieren. Viel mehr wird die Arbeit durch die Abteilungen bzw. Teams selbst übernommen werden können. Das Wissen über die Anforderungen, fachlich sowie menschlich, ist am stärksten da wo es entsteht bzw. heimisch ist, nämlich in den Fachabteilungen selbst. Warum sollten dann nicht diese, vor allem im Recruiting, diese Prozesse selbst in die Hand nehmen. Das Erstellen von Stellenanzeigen und die Festlegung der optimalen Suchstrategie lassen sich heute durch Algorithmen und Digitalisierung fast schon komplett automatisieren. An den Vorstellungsgesprächen sollten sowieso immer Menschen aus der Fachabteilung, für welche recruitiert wird, teilnehmen. Warum dann nicht gleich den Prozess den Abteilungen überlassen? Wenn wir vom Prinzip des „Selbstorganisierten Unternehmens“ ausgehen, kann die Personalstrategie ebenfalls über interdisziplinäre Meetings der Fachabteilungen besprochen und bestimmt werden. Die Rolle des Personalers könnte sich dann eher darauf beziehen, dass er zum Entdecker und Implementierer neuer Technologien und „Kultur-Entwicklungs-Werkzeuge“ wird.
Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Kuhlmann: Wenn ich an meinen eigenen Werdegang denke, fällt mir immer auf, dass es eben nicht „DEN“ einen Weg gibt. Ich bin über die verschiedensten Stationen zum Personaler geworden bzw. arbeite heute an der Schnittstelle zum Personalwesen. Wenn ich also eine Empfehlung geben möchte dann, seid Neugierig, sammelt Erfahrungen und findet selbst euren Weg und eure Leidenschaft für die Arbeit als Personaler. Ich dachte am Anfang meiner Studienzeit oft daran, schnell „Karriere“ zu machen und irgendwann Personalleiter zu werden. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Praxiserfahrung hat sich mein Bild von „Karriere“ stark geändert. Heute ist es mir wichtiger, Menschen und Unternehmen auf „kulturelle Ebene“ zusammenzubringen und diese dann zu fördern. Für mich hat das Wort „K.O-Kriterium“ an Bedeutung verloren, auch wenn es natürlich immer noch wichtig bei Spezialisten ist. Findet euren Weg und seid nicht erschrocken, wenn sich eure Zielvorstellung im Laufe der Zeit und durch zunehmende Erfahrung ändert.
Wald: Lieber Herr Kuhlmann, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge, neue Ideen und immer jede Menge Zuspruch.
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