Daniel Mühlbauer |
Wald: Lieber Herr Mühlbauer, wie ist es Ihnen und function(HR) seit Ihrem sehr erfolgreichen Workshop im letzten Jahr ergangen?
Mühlbauer: Rundum positiv, Herr Professor Wald. Das Thema People Analytics erfreut sich großer Aufmerksamkeit und wir sind froh unseren Kunden – Unternehmen zwischen 1.000 und 25.000 Mitarbeitenden – bei der Umsetzung dieser komplexen Thematik zur Seite zu stehen. Insbesondere freut mich der nachhaltige Erfolg bei FlixBus. Nachdem wir dort nach nur drei Monaten eine deutliche Erhöhung der Mitarbeiterbindung nachweisen konnten, hat diese nach sechs Monaten sogar noch einmal deutlich angezogen. Unser Einsatz für eine ganzheitliche Betrachtung von People Analytics und das Aufbrechen von Datensilos wirkt und hat u.a. zur Auszeichnung mit dem HR Innovation Award 2017 der Zukunft Personal, dem österreichischen HR Award und einer Finalplatzierung beim HR Excellence Award 2017 geführt. Mit diesem Rückenwind sind wir dann ins Jahr 2018 gestartet und sind wirklich dankbar für das Vertrauen, dass uns entgegengebracht wird.
Wald: Herzlichen Glückwunsch für diese Auszeichnungen, die eine hohe Wertschätzung Ihrer Arbeit zum Ausdruck bringen. Was meinen Sie, ist das Thema „People Analytics“ endlich bei den Personalern angekommen? Gibt es mittlerweile ein Verständnis für den Nutzen und die Ziele von People Analytics?
Mühlbauer: Ich erlebe, dass sich das Verständnis für die Vorteile einer intelligenten Datennutzung im HR als Ergänzung zur Intuition und Erfahrung auf allen Führungsebenen schärft. Entscheidend ist letztlich, dass wir uns von den bereits existierenden Erfolgsgeschichten einzelner Unternehmen nicht einschüchtern lassen. Die praktischen Hürden für die effektive Nutzung von HR-Daten sind oft geringer als viele HR-Professionals zunächst glauben. Ich sehe momentan, dass viele Unternehmen bei der Klärung des internen Zielbilds für People Analytics Unterstützung suchen. Wie Sie wissen, ist es nicht für jedes Unternehmen sinnvoll ganz rechts oben auf der so oft zitierten „Reifegrad-Kurve“ zu landen. Es ist wichtiger ein relevantes Businessproblem zu identifizieren und dann gezielt die passenden Analytics und Nutzeroberflächen zu schaffen. Im Kern zielen wir immer auf die Förderung einer analytischen Kultur.
Wald: Ich war erstaunt, dass in dem von Ihnen vorgeschlagenen Keynote-Thema das Konzept „Employee Experience“ enthalten ist. Wie gehen Sie mit dem m. E. eher weichen Thema „Employee Experience“ als HR Analyst um?
Mühlbauer: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Ich habe da einen sehr klaren Standpunkt. Für mich ist die Trennung in einerseits eher „harte“ Datenthemen von People Analytics und andererseits „weiche“ Themen des modernen Personalmanagements eine künstliche Grenze. Eigentlich ist das doch eine Zweck-Mittel-Beziehung. People Analytics ist ein sehr wirksames Werkzeug zur gezielten Analyse der Treiber einer positiven „Employee Experience“. People Analytics ergänzt so die vorliegende Intuition und Erfahrung der HR-Professionals zur gezielten Steigerung von Talentmotivation und -bindung. „Employee Experience“ ist ein wichtiges Maß für den professionellen und proaktiven Umgang seitens der HR-Funktion mit immer knapper werdenden Talenten und sollte als übergreifendes Ziel einer jeden Personalstrategie fungieren.
Ein Beispiel: Die „Employee Experience“, also die grundsätzliche Qualität aller Interaktionen zwischen Mitarbeitenden und HR, entscheidet sich entlang des gesamten Mitarbeiterpfads. Sie lässt sich z.B. in Form von Prozesszeiten, Weiterempfehlungsquoten, öffentlichen Bewertungsportalen und Befragungsergebnissen messen und klar mit Daten zu Weiterbildungsanteilen und -budgets, Diversitätsquoten, Führungsspannen, Engagement, HR-Budgetallokationen, Karriereentwicklungen, Fluktuationsverhalten und Fehlzeiten in Beziehung setzen. Auch eine Analyse zum Zusammenhang mit harten Geschäftszahlen (z.B. EBIT oder Umsatzentwicklung) ist möglich.
Aus meiner Sicht ist es schlichtweg unvollständige Personalarbeit, wenn ich mir erlaube einen so wichtigen Faktor allein „aus dem Bauch heraus“ zu steuern. Es liegt in der Verantwortung moderner HR-Funktionen alle verfügbaren Informationen (Intuition, Erfahrung und Datenanalysen) zur bestmöglichen Gestaltung attraktiver Arbeitsplätze zu nutzen.
Wald: Wenn ich Ihnen hier Fragen stellen kann, dann auch diese: Wie geht es weiter mit den Themen People Analytics, maschinelles Lernen und KI?
Mühlbauer: Die Entwicklung dieser Themen wird durch die Entwicklung der Technologien dahinter entschieden. In der technologischen Entwicklung zeichnet sich der Eintritt in das sogenannte „Second Machine Age“ (McAfee & Brynjolfsson, 2014) ab und daher ist ein Rückgang der Nutzung solcher Technologien für den HR Kontext kaum zu erwarten. Entgegen vieler Meinungen denke ich, dass auch die EU-Datenschutz-Grundverordnung nur dazu führt, dass sich der Markt für transparente und rechtskonforme Technologie positiv entwickelt. Allerdings glaube ich, dass es Zeit ist für eine „Entzauberung der Technologie“. Wenn sich das klare Verständnis für die Fähigkeiten und Schwächen der verwendbaren Technologien innerhalb der HR-Community schärft, dann verliert sie auch etwas ihren Wunderkind-Status und das ist auch gut so. Aber generell werden uns diese Technologien weiter begleiten und die Arbeitsplätze der Zukunft werden deutlich von „Mensch-Maschine-Kooperationen“ geprägt sein.
Wald: Wie werden sich dadurch die Anforderungen an Personaler in der Zukunft ändern?
Mühlbauer: Die eben gezeichnete Entwicklung bedarf eines klaren Verständnisses für die Mechanismen der eingesetzten Technologien. Muss der HR Professional der Zukunft fließend „Code“ sprechen? Sicherlich nicht! Benötigt er ein Grundverständnis der Funktionsweise gängiger Technologien entlang des gesamten Mitarbeiterzyklus? Absolut! Sonst sind wir unfähig den wirklichen Nutzen von technologischen Lösungen zu erkennen und sie gegen deren Schwächen abzuwägen. Das Problem zeichnet sich bereits heute im Bereich People Analytics ab. Wenn ich als HR Professional die Unterschiede zwischen deskriptiver und prädiktiver Statistik nicht kenne, dann laufe ich Gefahr, dass mir ein normales KPI-Dashboard unter dem Label „Predicitve Analytics“ verkauft wird. Die Folgen für die HR-Funktion sind immens. Denn die vermeintlichen Prognosen entpuppen sich als aufwendig visualisierte Mittelwerte und Beschreibungen der Vergangenheit. Der Endnutzer dieser Systeme, z.B. die Führungskraft, kann anhand solcher Zahlen kaum steuern und die Nutzung sowie der ROI des eingesetzten Tools bleiben aus. Was mich hier wirklich wundert, ist, dass sich nicht mehr Kooperationen zwischen Bildungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen zur Förderung solcher Fähigkeiten abzeichnen. Das ist wirklich schade und auch fahrlässig.
Wald: Eine wichtige Frage zum Schluss. Warum kommen Sie erneut zum HR Innovation Day?
Mühlbauer: Ich habe mich wirklich sehr über Ihre Einladung gefreut. Danke nochmal an dieser Stelle! Für mich ist der HR Innovation Days eine tolle Plattform zum fachlichen Austausch mit HR-Expertinnen und Experten. Ich habe letztes Jahr viel gelernt und mag insbesondere die breite Abbildung des Themas „HR Innovation“ über den gesamten Mitarbeiterlebenszyklus.
Wald: Bereits heute herzlichen Dank für Ihre erneute Unterstützung des HR Innovation Days. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit beim HR Innovation Days 2018.
Mein Gesprächspartner Dr. Daniel Mühlbauer ist Mitgründer des Beratungs- und Softwareunternehmens function(HR), welches mit seiner preisgekrönten Softwarelösung HR Keyboard, als Vorreiter auf dem Gebiet der intelligenten Datennutzung gilt. Er ist leidenschaftlicher Netzwerker und wird häufig als Evangelist in Sachen People Analytics bezeichnet. Nach seiner Promotion an der LMU München ist er zudem Associate Lecturer am dortigen Institut für Human Capital Management. Er ist Autor und Kurator von || NERD WORDS for HR || und Mitinitiator des „People Analytics Readiness Check (PARC)“.
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