Mein Gesprächspartner Thomas Zuliani |
Wald: Lieber Herr Zuliani, würden Sie sich und Loopline kurz vorstellen? Meine Leser interessiert in diesem Zusammenhang wie ein klassischer Personaler wie Sie zu einem Unternehmen kommt, dass sich mit der Entwicklung und Anwendung moderner Feedbacksysteme beschäftigt.
Zuliani: Loopline Systems wurde 2014 aus der Taufe gehoben und unterstützt Organisationen bei der Einführung und Optimierung von agiler Führung, Mitarbeiter-Feedback und Performance Management. Mit der Cloud-Lösung können Unternehmen Feedback-Prozesse digitalisieren und vereinfachen. Durch regelmäßige, automatisierte Umfragen kann das Mitarbeiter-Engagement gesteigert und können Ideen entwickelt werden, die die gesamte Organisation voranbringen. Darüber hinaus bietet die Loopline Akademie Beratung und Trainings zu Themen wie Mitarbeiter-Feedback und Change Management an. Ich bin als Feedback-Überzeugungstäter seit 2017 bei Loopline Systems GmbH tätig. Als Director Human Resources eines großen Elektronik-Konzerns habe ich am eigenen Leib miterleben dürfen, wie es eine Organisation nach vorne bringt, wenn sie auf eine gelebte, konstruktive Feedback-Kultur setzt. Meine Erfahrung mit diesem Cultural-Change-Projekt war so positiv, dass ich möglichst vielen Organisationen ermöglichen will, ihre eigene Feedback-Erfolgsgeschichte zu schreiben und damit erfolgreich zu sein.
Wald: Josh Bersin hat Feedback als „Killer App“ bezeichnet aber dabei auch auf Probleme bei der Anwendung moderner Feedback-Systeme hingewiesen. Wie sehen Sie das? Wie gestaltet sich die Einführung von Feedback-Systemen aus Ihrer Sicht? Wo sehen Sie Hindernisse?
Zuliani: Meine Erfahrung ist, dass Menschen nur ungerne Feedback geben und, dass es für uns noch schwieriger ist, Feedback – insbesondere kritisches Feedback – anzunehmen. Wir wollen nicht, dass an dem Image, das wir mühevoll aufgebaut haben und pflegen, gekratzt wird. Kritisches Feedback kann besser akzeptiert und aufgenommen werden, wenn es richtig formuliert wird. Außerdem zeigt die Person, die mir eine kritische Rückmeldung gibt, dass sie mich wertschätzt. Konstruktives Feedback ist also immer auch ein Zeichen, dass jemand an mir und meiner Entwicklung interessiert ist. Hierzulande gibt es auch kulturelle Widerstände, die einer konstruktiven Feedback-Kultur im Wege stehen. Die meisten deutschen Unternehmen sind hierarchisch strukturiert und traditionell prozess- und projektorientiert aufgestellt. Oben wird gedacht und gesteuert, an der Basis wird ausgeführt. Feedback „von unten nach oben“, untereinander oder von Gruppe zu Gruppe kommt in einer solchen Welt einfach nicht vor. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass klassische Hierarchien immer noch ein weit verbreitetes Erfolgsmodell sind. Warum sich also ändern, wenn die Zahlen stimmen? Nun, die Antwort ist einfach. Wer sich in einer sich immer schnelleren, komplexeren, volatilen Welt nicht bewegt, wird gnadenlos abgehängt. Denn stark betonte, klassische Hierarchien haben zwei anachronistische, nicht zu unterschätzende Nachteile: Sie sind langsam und sie haben die unheilvolle Tendenz, individuelles Engagement zu behindern. Das ist problematisch, denn Mitarbeiter-Engagement ist erwiesenermaßen der Profit-Treiber schlechthin.
Wichtig zu verstehen ist, dass Feedback keine Beurteilung oder Bewertung einer Person ist. Jedes Feedback ist durch die individuelle Wahrnehmung des Feedbackgebers gefärbt und daher nicht neutral. Feedback ist also wie ein Geschenk zu betrachten. Der Beschenkte entscheidet, ob ihm das Geschenk gefällt und was er damit macht. Feedback ist in diesem Sinne ein positives, konstruktives Konzept. Die nachfolgenden Generationen Y und Z haben klare Ansprüche, regelmäßig konstruktives Feedback zu erhalten und sie werden die Unternehmenskulturen im Laufe der Zeit auf den Kopf stellen. Unternehmen, die es nicht schaffen eine solche Kultur zu etablieren, werden Mühe haben, für die besten Köpfe im Land attraktiv zu sein. Erst wenn eine Organisation verinnerlicht hat, dass es nicht (nur) darum geht, Menschen zu bewerten, sondern darum, sich gegenseitig dabei zu unterstützen, besser zu werden, kann sie das enorme Potenzial einer gelebten Feedback-Kultur heben. Das Haupthindernis für einen solchen Kulturwandel, sind aus meiner Sicht die impliziten Erfolgstheorien hierarchischer Strukturen und zentralistischer Steuerung.
Wald: Wie stellt sich die Funktion von Feedback-Systemen im Rahmen von Veränderungsprozessen konkret dar? Wobei können Sie helfen? Wo sehen Sie die Grenzen der Anwendung von Feedback-Systemen?
Zuliani: Mehrere Studien zeigen eine erschreckend niedrige Erfolgsquote von Transformationsprozessen. Je nach Studie bewegt sich der Anteil der gescheiterten Change-Vorhaben von 32 bis 70 %! Das sind beunruhigende Resultate, wenn man bedenkt, wie wichtig und auch teuer solche Projekte sind. Meine Erfahrung ist, dass Transformations-Projekte in der Regel professionell gesteuert werden. Eine Strategie wird entwickelt und ein zentrales Projektmanagement wird installiert. Die Prozesse werden auf die veränderte Situation angepasst, die strukturellen Veränderungen werden rechtzeitig implementiert und die technologische Seite des Wandels geht auch nicht verloren. Die Komplexität von solchen Change-Projekten versperrt aber leider oft den Blick auf den wichtigsten Erfolgsfaktor: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Von Ihnen wird erwartet, dass sie einfach mitziehen, denn schließlich hat man auch klar kommuniziert, was Sache ist. Unsicherheiten, Ängste, passiver oder gar aktiver Widerstand der Betroffenen werden oft nicht einkalkuliert. Das wiederum bedeutet, dass sich Sand im Getriebe der sorgfältig geplanten Transformations-Maschine bemerkbar macht. Weiche Faktoren mit harter Wirkung. Dabei ist es mit geeigneten Tools einfach zu eruieren, wie die angestrebte Veränderung ankommt und vorankommt. Solche Rückmeldungen erhält man nur, wenn man bei denen nachfragt, die den Change am eigenen Leib erfahren und letztendlich umsetzen – diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also, die nahe beim Kunden und beim Produkt im Einsatz sind. So können durch Feedback-Systeme Unsicherheiten, Ängste und Widerstand identifiziert und durch die Wahl von Stellhebeln adressiert werden. Regelmäßige Befragungen im Sinne der kontinuierlichen Erfolgskontrolle zeigen auf, ob die implementierten Maßnahmen auch tatsächlich greifen. Feedback-Systeme sind aus meiner Sicht unerlässlich für erfolgreiche Veränderungsprozesse. Sie sollten aber keinesfalls den Eindruck erwecken, dass sie menschliche Interaktion ersetzen. Es braucht Change-Leader, die sich regelmäßig vor die Truppe stellen und erläutern, wohin die Reise geht und warum der Weg zurückgelegt werden muss. Wenn Probleme im Raum sind, ist persönliche Interaktion immer noch der Königsweg, diese zu bewältigen.
Wald: Das Motto des diesjährigen HR Innovation Days lautet „Mit HR Unternehmen in Bewegung bringen“. Welche konkreten Aufgaben können oder sollten in diesem Zusammenhang Feedback-Systeme übernehmen?
Zuliani: Es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Bereiche und Stufen, die ein Unternehmen in Bewegung halten und es erfolgreich machen. Die Gestaltung einer konstruktiven Unternehmenskultur kann aus meiner Sicht nicht an eine Abteilung delegiert werden. Kultur ist ein Gemeinschaftswerk, das täglich gepflegt und gelebt werden muss. Und Kultur kennt keine Hierarchie! Wenn die angestrebte Kultur im Top-Management nicht wahrnehmbar gelebt wird, bleibt es bei schönen Worten. Da kann auch eine noch so fähige Personalabteilung nur wenig bewirken.
HR hat sicher die Aufgabe, die Kultur mitzugestalten, indem sie die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft und auch entsprechende Tools zur Verfügung stellt. Zum Beispiel eine Feedback-App, die es erlaubt, laufend abzufragen, inwieweit die angestrebte Kultur tatsächlich vom Individuum erlebt und wahrgenommen wird. Moderne, agile Feedback-Tools müssen auch nicht zentral von HR administriert und überwacht werden. Jeder im Unternehmen kann Feedback einfordern oder Feedback geben, über alle Abteilungen und Stufen hinweg. Solche Tools erlauben auch einen Austausch zwischen Gruppen – zum Beispiel von Projektteam zu Projektteam.
Wald: Ich denke, dass die Teilnehmer Ihres Workshops viele Anregungen zum Nachdenken aber auch zum Umsetzen erhalten werden. Meine Standardfrage zum Abschluss des Interviews lautet: Warum kommen Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Zuliani: Ich bin als Überzeugungstäter bei Loopline-Systems tätig und als solcher habe ich auch die Einladung zum HR Innovation Day gerne angenommen. In meinem Workshop habe ich die Möglichkeit aufzuzeigen, wie es gelingen kann, eine konstruktive Leistungskultur aufzubauen und komplexe Veränderungsprojekte erfolgreich zu meistern. Dabei stütze ich mich nicht nur auf theoretische Konzepte, sondern lasse die Workshop-Teilnehmer an meinen Erfahrungen als Director HR und als COO und Leiter der Akademie bei Loopline-Systems teilhaben. Ich freue mich auf angeregte Diskussionen und auf die Ideen und Sichtweisen der Workshop-Teilnehmer. Die Teilnahme am HR Innovation Day ist auch für mich eine Gelegenheit zu lernen.
Wald: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich freue mich sehr auf Ihren Workshop.
Mein Gesprächspartner Thomas Zuliani ist COO und Leiter Academy bei Loopline Systems/LLS Internet GmbH. Er hat Personalmanagement an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Zürich studiert und war danach in leitenden HR-Funktionen beim Schweizer Fernsehen, bei Sony und einer großen Krankenkasse tätig. 2017 ist er mit Begeisterung zu Loopline-Systems GmbH gestoßen. Herr Zuliani ist auch als Mentor für Startups im Einsatz.
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