Als Workshop-Host dabei: Nadine Nobile |
Nobile: Ja, das stimmt, das Projekt AUGENHÖHE – Film und Dialog war ein wichtiger Meilenstein für mich und es war gleichzeitig mein Einstieg in das Thema „Neue Arbeitswelt“. Das war 2013. Ich hatte gerade als Mitarbeiterin die erste Umstrukturierung miterlebt und war ziemlich schockiert darüber, dass im Zuge der Reorganisation so wenig Know-How von Mitarbeitenden genutzt wurde. Der Großteil der Organisation wurde einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Das hatte so ein bisschen was von „friss oder stirb‘“. Große Teile der Organisation waren über Monate geradezu gelähmt und der Schmerz über die Veränderungen dauerte noch viel länger an. Damals dachte ich: „Das geht auch anders“. Den Begriff „New Work“ kannte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Für mich stand jedoch fest, dass ich das Thema „partizipative Unternehmensführung“ vorantreiben möchte. Zuerst ehrenamtlich in der AUGENHÖHEcommunity. Ich hab‘ mich dort vor allem um den Aufbau der Community gekümmert. Dabei habe ich so viele spannende und inspirierende Menschen kennengelernt und so viel über die neue Arbeitswelt aber auch mich selbst gelernt, dass für mich 2016 feststand, dass ich mich hauptberuflich diesem Arbeitsfeld widmen möchte. Gemeinsam mit meinem Partner Sven Franke gründete ich dann 2017 CO:X. Seitdem begleite ich Unternehmen in Veränderung und das mit dem Fokus auf Zusammenarbeit und Führung.
Wald: Wie ging es dann weiter? Wie kann ich mir Ihren Weg von „New Work“ nach „New Pay“ vorstellen?
Nobile: Sven und ich verstehen uns als Thementreiber. Das heißt neben unserem normalen Business treiben wir Themen voran, die uns bewegen und die wir für bedeutsam halten. „New Pay“ als Begriff entstand, als wir beim Austausch mit einer Kollegin feststellten, dass in der „New Work Szene“ noch gar nicht über Thema Gehalt diskutiert wird. Doch uns war klar, wer „New Work“ ernst meint, kommt um das Thema Vergütung nicht herum. Denn kooperatives und kollaboratives Arbeiten bedarf eines Gehaltssystems, das auch den Rahmen für diese Art der Zusammenarbeit schafft. Um das Thema in einem ersten Schritt näher zu beleuchten, sprachen wir Freunde aber auch verschiedene Experten und Multiplikatoren aus der Szene an und luden sie zu einer Blogparade ein. Innerhalb von sechs Wochen kamen über 50 Beiträge zusammen. Das war ein bunter Strauß an unterschiedlichen Gedanken und Erfahrungen. Bereits nach den ersten Beiträgen wurde uns sehr schnell klar, dass wir das Thema für ein Buch aufgreifen möchten. Und so gingen wir gemeinsam mit Stefanie Hornung, unserer Co-Autorin, im vergangenen Jahr dem Thema „New Pay“ genauer auf die Spur. Wir besuchten insgesamt zehn Unternehmen mit alternativen Arbeits- und Vergütungsmodellen. Die Spannbreite der Vergütungsmodelle reicht dabei von Einheitsgehalt über Gehaltsformel bis hin zu Wunschgehalt. Und ich glaube, ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass jede einzelne Lösung spannende Elemente und Gesichtspunkte beinhaltet, von denen andere Unternehmen lernen können.
Wald: Mit „New Pay“ werden aus meiner Sicht tradierte Verhaltensmuster und die Kultur des Umgangs mit Vergütung in Frage gestellt. Wie gehen Sie bzw. die Pionierunternehmen mit den Veränderungen um? Können Sie hier einige Erfahrungen aus Beratungspraxis nennen?
Nobile: Ja, das stimmt. Unternehmen, die alternative Vergütungssystem entwickeln, kommen nicht umhin, sich grundsätzliche Fragen zu stellen und dabei vor allem auch den Status Quo kritisch zu hinterfragen. Unterstützt das Vergütungssystem den Wertschöpfungsprozess? Was wird eigentlich konkret entlohnt? Und welches Verhalten wird belohnt? Gleichzeitig stehen immer wieder die zwei Fragen im Raum: Was ist ein faires Gehalt? Und wie sieht ein fairer Gehaltsfindungs- und Gehaltsentwicklungsprozess aus? Die Antworten auf diese Fragen sind hoch individuell. Jede Unternehmenslösung ist dabei das Ergebnis eines längeren und vor allem unternehmensspezifischen Prozesses. Selbst Unternehmen, die sonst agil und sehr dynamisch arbeiten, lassen sich Zeit für die Erarbeitung, Erprobung und Reflexion des Vergütungssystems. Gleichzeitig ist ihnen sehr bewusst, dass es keine perfekte Lösung gibt und sich jedes System früher oder später wieder erneuern und anpassen muss. „Permanent beta“ lautet hier das Stichwort.
Wald: Das Thema des diesjährigen HR Innovation Days lautet „Mit HR Unternehmen in Bewegung bringen“. Welche Rolle oder welche Funktionen kann und muss HR aus Ihrer Sicht beim Thema „New Pay“ übernehmen.
Nobile: Ich finde das Motto großartig gewählt. Denn HR spielt aus meiner Sicht die zentrale Rolle auf der Reise in die digitale Zukunft von Unternehmen. Beim Thema Vergütung liegt es auf der Hand, dass eine Weiterentwicklung des Entgeltmodells durch den HR-Bereich begleitet wird. Hier sage ich aber explizit begleitet und nicht etwa verantwortet. Denn ich bin davon überzeugt, dass HR in Zukunft hier eine Moderatoren- oder besser noch eine Facilitator-Rolle übernehmen wird. Vergütungsmodelle werden von interdisziplinären und hierarchieübergreifenden Projektteams weiterentwickelt werden. Das bedeutet konkret, dass HR den Rahmen für Vernetzung, Austausch und Mitgestaltung schafft und den Prozess der Weiterentwicklung des Vergütungsmodell begleitet.
Wald: Das New Pay ist aus meiner Sicht eines der spannendsten im Kontext von „New HR“. Ich denke, dass die Teilnehmer Ihres Workshops Antworten auf viele Anregungen zum Nachdenken und Umsetzen erhalten werden. Meine Standardfrage kommt wie immer zum Abschluss des Interviews: Warum kommen Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Nobile: In den letzten Jahren habe ich den HR Innovation Day vor allem auf Twitter mitverfolgt. Zum einen hab‘ ich mich über die spannenden Interviews im Vorfeld gefreut und zum anderen über die fleißigen Tweets der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Tag selbst. Selbst mit dabei sein konnte ich aber bislang noch nicht. Entweder ich war bereits verplant oder die Veranstaltung war bereits ausgebucht. Und so freu‘ ich mich in diesem Jahr umso mehr, nicht nur als Teilnehmerin mit dabei zu sein, sondern diese spannende Veranstaltung mitgestalten zu dürfen.
Wald: Ganz herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich freue mich sehr Ihren Workshop zum diesjährigen HR Innovation Day.
Zu meiner Gesprächspartnerin: Nadine Nobile ist Gründerin und Geschäftsführerin von CO:X. Die bekennende New Work Enthusiastin begleitet Organisationen in Veränderung. Die Erschließung vorhandener Potentiale, Talente und Erfahrungen spielt dabei für sie die entscheidende Rolle. Nadine Nobile studierte Wirtschaftspädagogik an der Universität Konstanz. Sie ist Wegbegleiterin des Projekts AUGENHÖHE – Film und Dialog“ und Initiatorin des Netzwerks „New Work Women“. Die Verbreitung zukunftsorientierter Zusammenarbeitskultur ist ihr ein Herzensanliegen. Im Juni 2019 erscheint ihr Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Vergütungsmodelle“ im Haufe-Verlag.
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