Donnerstag, 9. Mai 2019

HR und Chatbots - Was können hier Chatbots und was nicht? Gespräch mit Jess Koch von HRForecast

Der HR Innovation Day 2019 steht vor der Tür. Heute spreche ich im Rahmen der traditionellen Vorab-Interviews mit Jess Koch und Ashish Raja Rai, die beide einen Workshop zum Thema „Skillup your life: Bot Training Program“ anbieten werden. Ich freue mich sehr, dass ich mit beiden Partnern ausgewiesene Experten für das Thema „Chatbots“ an Bord habe. Herzlichen Dank bereits vorab an beide für ihre Mitwirkung beim HR Innovation Day und natürlich auch für dieses Interview.

Jess Koch
Peter: Lieber Jess, mit den Buzzwords „Bot bzw. Chatbot“ bringst Du tolle Themen mit zum HR Innovation Day. Das bringt mich aber zu der Frage, wie Dein Workshop konkret ablaufen wird. Was erwartet die Teinehmer/innen?
Jess: Oh, dass wird spannend. Ashish und ich werden versuchen in nicht einmal 2 Stunden den Teilnehmern des Workshops aufzuzeigen, wie ein Chat-Bot funktioniert und wollen natürlich auch die Teilnehmenden befähigen, dem Bot erste Sätze beizubringen.

Peter: Wo siehst Du wichtige Einsatzfelder für Bots im Kontext des Personalmanagements?
Jess: Bots werden ja schon heute oft auf Karriereseiten eingesetzt um z.B. den Bewerbern bzw. Interessierten die ersten Fragen im Bewerbungsprozess zu beantworten. Aber ich denke, dass Bots überall da zum Einsatz kommen werden wo es strukturierte Kommunikation geht.

Peter: Kannst Du in diesem Zusammenhang auf konkrete Erfahrungen zurückgreifen? Erfahren die Teilnehmer etwas über die konkrete Anwendung im Sinne von Business Cases?
Jess: Ja. Die Deutsche Post DHL Group hat vor einiger Zeit z.B. einen  WhatsApp-Chatbot als neuen Bewerbungskanal eingeführt. Hier stand vor allem die einfache Handhabung und eine hohe Nutzerfreundlichkeit im Vordergrund. Damit hat die Post auf schöne Weise auf die sich ändernden Bedürfnisse der Bewerbenden reagiert.

Peter: Was meinst Du, müssen die Personaler Angst um ihre Jobs haben?
Jess: Ja und nein. Bzw. nicht mehr als jeder andere auch 😉. Wie heißt es so schön: Die Digitalisierung in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel und auch nicht der HRler auf. Und ja, sie wird auch den Beruf des Personalers grundlegend verändern. Und das wohlmöglich bereits in naher Zukunft. Gab es vor rund vier Jahren lediglich ein paar Handvoll von HR Tech Startups in Deutschland, Österreich und der Schweiz, so sind es heute fast 250 Unternehmen, die sich aufgemacht haben, die Personalarbeit grundlegend zu verändern. Und die DACH Region ist eher im Mittelfeld als ganz vorn dabei. Zu denken, dass das People-Business von der disruptiven Kraft, die von den neuen HR Technologien ausgeht, verschont bleiben wird, wäre nicht nur blau-äugig. Es wäre fatal. Die Automatisierung ist ja schon heute vor allem im Recruiting sichtbar. Denn auch hier gilt schon seit einiger Zeit: Alles was digitalisiert werden kann wird digitalisiert. So werden heute schon Lebensläufe von Algorithmen gelesen, analysiert und automatisch gematched. Und auch wenn am Ende sicher noch Menschen darüber entscheiden werden, ob ein Kandidat in die engere Auswahl bzw. eingestellt wird, so wird hier ein wesentlicher und für Personaler elementarer Bereich wegfallen. Vor allem auch, weil sich mit immer weniger Aufwand Persönlichkeitsanalysen erstellen lassen bzw. festgestellt werden kann, ob ein Kandidat zu der Kultur des jeweiligen Unternehmens als auch zur Strategie passt. Gleich wie weit und ausgereift hier bereits bestehende Lösungen sind: Der Fit wird zukünftig von Algorithmen analysiert und nicht mehr vom Bauchgefühl von Menschen.

Peter: Gibt es für diese Entwicklungen auch Beispiele aus anderen HR-Bereichen?
Jess: Schauen wir uns auch mal an, wie es im Bereich Personalentwicklung aussieht. Auch hier wird es zunehmend einfacher, Personen in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Schon jetzt tummeln sich etliche neue Dienstleister in diesem Bereich und verheißen maßgeschneiderte Entwicklungspfade entlang der Unternehmensstrategie. Alles bequem per App, oft begleitet durch einen Bot und natürlich kommen die Inhalte alle "on demand" zum jeweiligen Interessenten. Und was jetzt schon Einzug in viele Betriebe findet ist bei jungen Menschen bereits gelebter Alltag. Wozu also noch einen Personalentwickler konsultieren, wenn mir eine App verät, welche Skills relevant sind, in welchen Regionen sie nachgefragt werden und mir hilft die notwendigen Skills zu erwerben? Das schließen sogenannter Skill Gaps war nie einfacher, nie leichter und vor allem kostengünstiger als heute. Durch die neuen, digitalen Lernbegleiter wird jeder Einzelne zu seinem eigenen Bildungsberater, der nur noch entscheiden braucht in welche Richtung er gehen möchte. Entsprechend wird der Personaler mittelfristig auch zunehmend bei der Karrierebegleitung weniger oft benötigt. Keine guten Aussichten also für HRler. Doch hoffnungslos ist es keinesweges. Durch den Wegfall der oben beschriebenen Aufgaben wird jetzt sichtbar, was immer schon die Stärke eines guten HRlers war. Die Digitalisierung macht den Weg frei für wahrhaftiges People Business. Wenn Personaler die Digitalisierung als Chance erkennen und bereit sind noch stärker auf den persönlichen Kontakt zu ihren Kunden zu setzen, dann werden sie auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Dazu müssen sie aber ihre Prozesse konsequent digitalisieren, ihr eigenes digitales Skillset erweitern und auch neue Wege finden, Menschen zu begleiten. Personaler müssen sich zukünftig noch stärker mit den Entwicklungen am Arbeitsmarkt auskennen. Sie müssen wissen, wie Trends frühzeitig zu erkennen sind. Sie müssen starker international denken, um globale Trends zu erkennen. Sie müssen wissen wie sich Skills entwickeln, wie sich Branchen und Märkte entwickeln werden. Und dies geht eben nur mit Big Data Analytics. Personaler werden als Personalentwickler nur dann eine Chance haben, wenn Sie frühzeitig Skill-Gaps erkennen und in der Lage sind, diese mit Personen aus ihrem Netzwerk zu schließen. Das bedeutet, dass sie anfangen müssen nach Personen Ausschau zu halten die zwar vielleicht noch nicht heute über das notwenige Skillset verfügen, wohl aber vielleicht morgen. Sie müssen für diese Menschen da sein, auch wenn sie diese jetzt noch nicht brauchen. Sie müssen Wege finden, diese an sich zu binden. Denn das ist es, was kein Algorithmus schaffen wird: Beziehungen aufzubauen. Hier liegt der wahre Mehrwert eines jeden Personalers. Ein guter HRler kennt seine Kunden. Er kennt sie gut. Er weiß, was sie wirklich suchen. Vielleicht sogar hier und da besser als der Kunde selbst. Insofern ist die Zukunft des HRlers eigentlich eine schöne. Natürlich wird der Beruf des Personalers sich stark verändern. Das ist aber gut und begrüßenswert, denn im Zuge der Digitalisierung wird deutlich, was ein guter Personaler stets war: Ein verlässlicher Partner, der seinen Gegenüber kennt und diesen gut zu beraten und begleiten weiß.  Ich persönlich freue mich sehr auf das was da kommt, denn der HRler der Zukunft wird besser sein als er heute schon ist. Einer der dank der neuen Möglichkeiten noch näher an seinen Kunden, am Menschen sein kann. In diesem Sinne: Auf das was kommt.

Peter: Beim letzten BarCamp hast Du die Initiative „LOVE HR - HATE RACISM“ gestartet. Was war der Hintergrund? Welche Ziele verfolgst Du mit dieser Initiative?
Jess: Oh Peter, danke für die Frage. Denn ja, dass Projekt liegt mir sehr am Herzen. Ich bin 2018 mit einem T-Shirt mit dem von dir genannten Schriftzug über die Zukunft Personal gelaufen und habe leider nicht nur positive Kommentare erhalten. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich meine, dass es nicht mehr zu leugnen ist, dass wir einen gefährlichen Rechtsruck in Deutschland haben und dass wir nun alle aufgefordert sind, diesem entgegenzutreten. So entstand die Idee mit anderen dafür zu sorgen, dass HR aufsteht und Stellung bezieht. Entsprechend versuchen Stefanie Frenking, Curley Fiedler, Eva Stock, Marcel Rütten, Markus Mehrheim und vielen andere dieses Projekt nun einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Unser Standpunkt ist nämlich folgender: Wir Personaler können uns nicht hinstellen und behaupten, dass wir HRler Treiber der digitalen Revolution sein wollen ohne dass wir uns auch klar dafür einsetzen, dass in der Welt von Morgen, Rassismus keinen Platz hat. Wir sind doch alle Human Relations Lover. Oder nicht? Wir sind überzeugt, dass man kein guter Personaler und gleichzeitig Rassist sein kann. Rassist ist Gift für jede Unternehmenskultur. Denn Rassismus wertet den Einzelnen ab. Rassismus grenzt aus. Als Demokraten können wir über fast alles streiten. Über Rassismus nicht. Wir können und dürfen aber nicht zulassen, dass anti-demokratsiche Überzeugungen Einzug in unsere Unternehmen erhalten oder sich innerhalb dieser ausbreiten und verfestigen. Da sind wir gefragt. Wir Personaler müssen hier in der ersten Reihe stehen und klar und deutlich Haltung zeigen. Rassismus kann es, wenn wir von  New Work sprechen, nicht geben! Deshalb haben wir LOVE HR -  HATE RACISM : Kein Culture Fit für Rassisten gestartet.

Peter: Was können Personaler ganz konkret tun, um sich an dieser Initiative zu beteiligen?
Jess: Oh, noch sind wir dabei das Projekt aufzusetzen. Sprich wir werkeln grade an unserem Internetauftritt. Bis zum HR Innovation Day sollten wir aber fertig sein. Dann haben wir viele kleine Aktionen geplant. Der Shop ist aber schon fertig. Entsprechend kann man sich und anderen schon jetzt ein T-Shirt kaufen. Und dann: Trage es bei der Arbeit und privat. Steh auf und zeige anderen, dass Du Deinen Job liebst und Du Dich dafür einsetzt, dass Du für eine Zukunft stehst, in der Rassismus keinen Platz in unserer Gesellschaft hat. Das ganze kann man dann auch mit anderen über Twitter und Instagram teilen #HRespect. Zum Shop gelangt man über folgenden Link:

www.hrespect.de. Oh, und wir haben eine Xing Gruppe: https://www.xing.com/communities/groups/love-hr-hate-racism-6964-1109448. Hier erfährt jeder aus erster Hand Updates zum Projekt.

Peter: Dies klingt sehr spannend und ich denke, dass die Teilnehmer Deines Workshops einen hervorragenden Einblick in das Thema „Bots und HR“ bekommen werden. Der Initiative „LOVE HR – HATE RACISM“ wünsche eine breite Resonanz in der HR Community und darüber hinaus. Meine Standardfrage kommt wie immer zum Schluss des Interviews: Warum kommst Sie zum HR Innovation Day nach Leipzig?
Jess: Peter, weil Du es organisierst. Weil ich es mehr als beachtlich finde was Du hier jedes Jahr auf die Beine stellst. Das finde ich großartig. Leider finden ja fast immer alle HR Veranstaltungen in Berlin statt. Das ist bedauerlich und gehört geändert. Und zum anderen: Bei dem Lineup was Du hier auffährst ist es mir bzw. uns seine große Ehre dabei sein zu dürfen. Entsprechend: Danke Dir Peter!

Peter: Herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Ich freue mich sehr auf den 25. Mai 2019.

Zu den Workshop-Hosts: Ashish Raja Rai kommt aus Mauritius hat an der Jackobs Universität Bremen studiert und ist derzeit als Data Scientist bei HRForecast. Jess Koch, Diplom Wirtschaft- und Arbeitsjurist,  ist Business Innovation Strategist bei HRForecast und sorgt als HR Tech Botschafter seit einigen Jahren dafür, dass HR sich stärker den neuen, digitalen Möglichkeiten öffnet und innoviert. Dazu hat er unter anderem die HR Innovation Roadshow erfunden. Darüber hinaus begleitet und berät er eine Vielzahl an HR Startups in Sachen  Business Development, HR und Marketing.

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