Mein Gesprächspartner Henrik Zaborowski |
Peter: Lieber Henrik, mit einem persönlichen Treffen hat es in der letzten Zeit nicht geklappt, umso mehr freue mich, dass Du mir heute für einige Fragen zur Verfügung stehst.
Henrik: Peter, Du weißt, ich freue mich immer über den Austausch mit Dir. Vielen Dank für Deine Fragen, es ist mir eine Ehre und Freude.
Peter: Anfangen will ich mit einer Information aus einem Post von Dir. In diesem hast Du wieder einmal eine Feedback-Nachricht einer Kandidatin an Dich gepostet. Diese will ich hier gern wiedergeben.
"Hallo Herr Zaborowski, Vielen Dank für diese tolle Nachricht! Das ist das erste Mal, dass ich auf diese Art und Weise angesprochen worden bin. Wirklich sehr persönlich und durchdacht."
Was empfiehlst Du gerade jungen Recruitern und damit auch meinen Studierenden, die ein solch wertschätzendes Feedback von Ihren Kandidaten haben möchten.
Henrik: Der wichtigste Punkt ist sicherlich: Hört auf, in Rollen zu denken! Ich bin kein „Recruiter“ und der Mensch, den ich gerade anschreibe, ist kein „Kandidat“. Sondern wir sind beide Menschen, die sich (in der Regel) nicht kennen und jetzt möchte ich erreichen, dass der andere Mensch dem Menschen Henrik Zaborowski seine Aufmerksamkeit schenkt. Und wie schaffe ich das? In dem ich freundlich bin, klar kommuniziere warum ich schreibe und dem anderen zeige, dass ich mich mit seinem/ihrem Profil auseinander gesetzt habe. Und damit sind wir weg von Buzzwords und irgendwelchen Marketing- oder Verkaufstricks mit denen ich den anderen „einfangen“ will. Die funktionieren im Recruiting aus gutem Grund nicht.
Peter: Damit sind wir bei Deiner Einstellung zum Recruiting. Aus meiner Sicht zieht sich wie ein roter Faden durch Deine Aktivitäten die Forderung, den Menschen wirklich in den Mittelpunkt des Recruitings zu rücken. Daraus folgt aus Deiner Sicht, sich von den Fesseln klassischer Bewerbungen mit Lebensläufen und Anschreiben zu lösen. Was steckt dahinter? Aus welchen Erfahrungen leitest Du diese Erkenntnis ab?
Henrik: Aus der Erfahrung, dass ein Lebenslauf immer nur interpretiert gelesen wird. Weil es auch gar nicht anders geht. Jeder Leser blickt mit seiner eigenen (Lebens-)Brille auf einen Lebenslauf. Und jeder Schreiber schreibt ihn auch mit seiner eigenen Brille. Und da ist ganz viel Platz für Mißverständnisse. Gleiches gilt für das Anschreiben. Wobei die meisten Anschreiben eh kaum Aussagekraft haben. Solange ich 200 Bewerbungen bekomme, darf ich gerne nach Lebenslauf auswählen. Irgendwie muss ich ja reduzieren. Aber wenn ich nur 5 Bewerbungen bekomme, dann darf ich nicht schon zwei oder drei aufgrund meiner Interpretation absagen! Sondern muss bei jedem/r Bewerber/in anrufen und meine Interpretation verifizieren. Und dann stelle ich oft fest: Oh, es ist ja ganz anders, als ich gedacht habe.
Peter: Mittlerweile hast Du viele Deiner Vorstellungen und Ideen im Rahmen der bereits genannten Online-Kurse, bei den „human place“-Events und durch das Liza-Netzwerk institutionalisisiert. Könntest Du kurz beschreiben, was sich hinter diesen verschiedenen Formaten verbirgt?
Henrik: Mit meinen Onlinekus „Recruitingwissen für Hiring Manager“ (der übrigens auch für HR sehr relevant ist) gehe ich genau auf die für den heutigen Arbeitsmarkt relevanten Punkte ein: Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht, jetzt sind die Arbeitgeber in der schwächeren Rolle und müssen sich mehr Gedanken machen. Dazu gehört u.a. den Job besser/klarer zu beschreiben, das Anforderungsprofil auf ein realistisches Maß zurückzudampfen, deutlich schneller und persönlicher im Bewerbermanagement zu werden und in der Personalauswahl viel professioneller zu agieren. Das ist alles keine Zauberei, aber die meisten Führungskräfte hängen halt noch mit ihrem Denken von vor 10 Jahren. Ich vermittle dieses Wissen auch in Workshops und sehe regelmäßig das Rattern in den Köpfen der Zuhörer, wenn sie realisieren, dass ich Recht habe. Man hört den Groschen wirklich fallen, das ist total spannend. Und die meisten sind dann hochmotiviert, die Änderungen umzusetzen. Mit tollen Erfolgen.
HUMAN PLACE geht nochmal einen Schritt weiter. Hier kommen die Teilnehmer ins Erleben. Im Kurs sage ich ihnen: Ihr könnt die Menschen nicht anhand eines Lebenslaufs beurteilen. Und bei HUMAN PLACE erleben sie dann, was ich meine. Wir hatten jetzt zwei tolle Events, vor allem mit PersonalerInnen, weil ich die gerne als Multiplikatoren für die Idee gewinnen möchte. Es darf am Anfang nicht über den Job oder den Arbeitgeber gesprochen werden. Jeder kennt nur die Vornamen der Teilnehmer. Und dann geht es in einen strukturierten Austausch über eigene Fähigkeiten, Erfahrungen, Ziele etc, basierend auf dem Konzept von Liza for Jobs. Und es ist immer wieder spannend zu sehen, welche Tiefe und Offenheit dieser Austausch gewinnt, wenn man sich einfach „nur als Mensch“ und nicht als Rolle begegnet. Bisher sind alle TeilnehmerInnen sehr begeistert. Und ich möchte damit erreichen, dass beim nächsten Sichten von Bewerbungen nicht wieder so früh aussortiert wird, sondern den Menschen eine Chance gegeben wird.
Peter: Da hast Du Dir wirklich eine Menge vorgenommen. Bist Du deshalb mittlerweile auch nicht mehr allein unterwegs?
Henrik: Richtig, ich habe das große Glück, Rebekka Tezel als Mitarbeiterin für mich gewinnen zu können. Eine meiner Kernleistungen ist ja nach wie vor das Sourcing und hier hat Rebekka einen großen Teil übernommen, was mir Zeit gibt, diese anderen Projekte anzustoßen. Und sie ist eine perfekte Ergänzung zu mir, da sie nochmal mit einem ganz anderen Blick an die Dinge rangeht, mich immer wieder auch hinterfragt und schon viele gute Verbesserungsvorschläge für unsere Arbeit gemacht hat. Ich bin sehr happy. Übrigens auch etwas, was ich mir vor einem Jahr noch überhaupt nicht hätte vorstellen können. Ich wollte nie Chef sein. Aber irgendwann war ich soweit und in der Zeit kam Rebekkas Anfrage. Ein perfektes Timing.
Peter: Wie geht es weiter? Wo können Dich die interessierten Recruiter in der nächsten Zeit in Person erleben?
Henrik: Für 2020 plane ich natürlich weitere HUMAN PLACE Events, aber die Planung muss noch etwas warten. Erst muss noch Stuttgart und München laufen. Und ich habe ja Sponsoren/Partner an Bord, mit denen wir gemeinsam das Konzept weiterentwickeln wollen. Ansonsten stehe noch einige Vorträge an. Einen Überblick gibt es auf meiner homepage. Besonders freue ich mich auf die Abschluss-Keynote bei den Social Recruiting Days. Dafür baue ich gerade einen neuen Vortrag, der einige Überraschungen beinhalten dürfte. Und natürlich auf den Recruiterslam in Stuttgart. Da muss ich mich jetzt langsam mal an die Beiträge machen ...
Peter: Gibt es noch weitere Pläne für die Zukunft?
Henrik: Ich habe noch nie großartig geplant, weil meine Pläne eh nie in Erfüllung gegangen sind. Ich habe ein paar Ideen und schaue, was sich entwickelt. Das hat bisher am besten funktioniert.
Peter: Ganz herzlichen Dank für diesen Einblick in Deine Aktivitäten und Vorhaben. Ich wünsche Dir dabei viel Erfolg und immer eine glückliche Hand. Und: Ich werde Dich bestimmt fragen, ob Du im Jahr 2020 wieder einmal beim HR Innovation Day vorbeischaust.
Henrik: Und nachdem ich die letzten Jahre aus privaten Gründen nicht dabei sein konnte hoffe ich sehr, dass es 2020 endlich mal wieder klappt. Vielen Dank für Deine guten Wünsche, Peter. Dir auch weiterhin alles Gute für Deine Pläne!
Henrik ist Recruitingexperte und Redner. Bei Beratungsaufgaben und Vorträgen verbindet er 18 Jahre Recruitingerfahrung mit dem Einblick in die neuesten Entwicklungen der Recrutingszene. Durch Blogartikel und Vorträge erhielt er in der HR Szene den Titel “Luther des Recruitings”. Privat ist er ehrenamtlich in der FeG Köln-Mülheim engagiert. Hier predigt er sogar von Zeit zu Zeit. Beruflich berät er Unternehmen bei der Optimierung des Recruitings. Daneben hat er auch einige konkrete Lösungen im Angebot.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen