Wald: Lieber Herr Dr. Kolb, ich freue mich, dass ich Sie für dieses Gespräch gewinnen konnte und Sie zu den angeteaserten Themen befragen darf.
Kolb: Gerne, die Freude ist ganz meinerseits!
Wald: Wie sieht es derzeit bei Ihnen aus? Ruht die Beratertätigkeit oder anders gefragt: Wie gehen Sie als Berater mit Social Distancing um?
Kolb: Wir sind ein Beratungsunternehmen, das eigentlich vom persönlichen Kontakt lebt. Wir sind spezialisiert auf die Themen HR und Organisationsentwicklung und stellen den Menschen in den Mittelpunkt. Demzufolge erfolgt ein Großteil unserer Mandate eigentlich direkt beim Kunden bei persönlichem Kontakt. Wir haben im März daher frühzeitig umgestellt, um über moderne Video-Conferencing- und Kollaborations-Tools Kundenprojekte weiterhin durchführen zu können. All unsere Mitarbeiter:innen arbeiten gerade aus dem Home-Office. Inzwischen können wir Trainings, Workshops, Assessments und Beratungsprojekte auch komplett online aus der Ferne durchführen. Zudem werden wir noch im Frühjahr als erste HR Beratung in Deutschland individuelle, adaptive e-Learning-Kurse mittels modernster KI-basierter Technologie im Portfolio haben.
Wald: Daraus ergibt sich, dass Sie nach wie vor mit vielen Ihrer Kunden im Gespräch sind. Wie sieht es bei diesen Personalern aus? Vor welchen aktuellen Herausforderungen stehen diese?
Kolb: Personaler waren in den letzten Wochen im „absoluten Feuerlöschmodus“: Produktionsstopps, Umsetzung von Sicherheitsvorkehrungen, Kurzfristiger Wegfall von Arbeitskräften aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, die Umsetzung von großflächigem Home-Office, Kurzarbeit – nur um ein paar Themen zu nennen. Viele Unternehmen sind immer noch im „Ausnahmezustand“. Bei anderen pendelt sich langsam eine Art „stabiler Krisenbetrieb“ ein.
Wald: Wie gehen diese Unternehmen bzw. die Personaler mit diesen Herausforderungen um?
Kolb: Es war hier und da in der Tat chaotisch. Dies ist jedoch auch der Tatsache geschuldet, dass die Lage sich so schnell zugespitzt hat. Wer hätte Anfang März gedacht, dass wir schon in der zweiten März-Hälfte flächige Ausgangssperren haben werden? Die Krise hat die meisten Unternehmen schlicht „überrollt“.
Wald: Sind hier vielleicht bereits bei einigen der Krisenbewältigungs-Handlungen Muster erkennbar? Oder bleibt es bei den sehr spezifischen Lösungen?
Kolb: Die Lösungen hängen stark von verschiedenen Parametern ab: Wie stark ist das Unternehmen wirtschaftlich von der Krise betroffen? Besteht ein Personalmangel aufgrund von Betreuungsaufgaben oder der Grenzschließungen bei grenznahen Betrieben? Sind Corona-Fälle im Unternehmen aufgetreten? Was jedoch überall ein ganz klares Muster ist, ist die raketenweise Ausbreitung von Home-Office. Das wäre noch vor ein paar Wochen in vielen Unternehmen undenkbar gewesen!
Wald: Was meinen Sie, können sich aus den gegenwärtigen Erfahrungen auch neue Lösungen für die Zukunft ergeben? Lassen sich vielleicht auch gewisse „Beschleuniger“ für die Lösung von HR-Fragen erkennen? Oder wird in einigen Wochen doch schnell wieder auf Normalbetrieb umgeschaltet?
Kolb: Meines Erachtens wird die Corona-Krise die Wirtschaft und die Arbeitswelt nachhaltig verändern. Die Wirtschaft wird sich in Zukunft mehr Gedanken über die Fragilität von internationalen Lieferketten machen. Und zweifelsohne wird der Trend zu Home Office sowie zu digitalem und vernetztem Arbeiten nachhaltig beschleunigt. Virtuelle Teamarbeit war vor der Krise nur Gegenstand von multinationalen Konzernen, die Mitarbeiter in verschiedenen Ländern/Zeitzonen beschäftigten. Nun entstanden plötzlich da virtuelle Teams, wo man vor der Krise Bürotisch an Bürotisch arbeitete.
Wald: Sie haben breiten Einblick in die HR-Praxis. Was können Sie Personalern als wichtige Erfahrung mit auf den Weg geben?
Kolb: Ich erlebe es aktuell häufig, dass die Orientierungslosigkeit bei virtuell zusammenarbeitenden Führungskräften und Mitarbeitern steigt. HR sollte hier unterstützen, gemeinsam Regeln für die virtuelle Zusammenarbeit zu erarbeiten, Führungskräfte in der virtuellen Führungsaufgabe befähigen und darauf achten, dass sich zwischen vor Ort und Remote arbeitenden Mitarbeitern keine „Gräben bilden“, Stichwort: Warum muss ich weiterhin vor Ort sein, während XYZ aus dem Home Office arbeiten darf? Darüber hinaus veranschaulicht die jetzige Situation ausdrücklich, wie wenig planbar die VUCA-Welt geworden ist. Als Unternehmen wird es in Zukunft entscheidender denn je sein, eigenständig denkende, motivierte und kreative Mitarbeiter zu haben. Denn das ist in Zeiten rapiden Wandels der einzige Garant für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Dies wird vielerorts eine Anpassung der Arbeitsorganisation, die aktive Gestaltung der Unternehmenskultur und die Etablierung eines mitarbeiterzentrierten Führungsverständnisses erfordern. Diesen Wandel jetzt zu begleiten birgt für HR aber die einmalige Chance, einen großen Schritt in Richtung einer gestalterisch und strategisch orientierten Personalarbeit zu machen! Von daher: blickt nach vorne und seid mutig!
Wald: Lieber Herr Dr. Kolb, ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen auch weiterhin viel Erfolg!
Kolb: Vielen Dank, lieber Herr Wald, machen Sie weiter so und bleiben Sie gesund!
Dr. Peter Markus Kolb |
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