Donnerstag, 11. Dezember 2025

Recap Teil 2 zum Christmas Special 2025 - Machen wir in der Personalauswahl derzeit alles richtig?

Hier ist er - der zweite Teil des Rückblicks auf das Christmas Special des HR Innovation Days. Hier konnte ich mit meinem Professorenkollegen Jörg Klukas einen Speaker gewinnen, der Fragen der Personalauswahl kritisch und in vielen Fällen aus einer anderen als der gewohnten Perspektive betrachtet. Im Rahmen seiner Keynote mit dem Titel "Die große Täuschung: Warum Personalauswahl so oft falsch liegt" stellt er die berechtigte Frage was passiert, wenn viele der bislang als „Goldstandard“ geltenden Methoden weniger aussagekräftig sind, als gemeinhin angenommen? Damit würden etablierte Praktiken der Personalauswahl infrage gestellt und konsequenterweise müsste sich ein radikales Umdenken anschließen. Seine Kritik an traditionellen Auswahlverfahren lässt sich in drei Punkten zusammenfassen:

Die begrenzte Vorhersagekraft.
Selbst die besten Kombinationen von Auswahlverfahren können weniger als die Hälfte des späteren Berufserfolgs erklären. Ein Großteil der Leistung hängt nicht allein von der Person ab, sondern vom Arbeitskontext: dem Team, der Führung, den genutzten Arbeitsmitteln und der kulturellen Faktoren. Die Vorstellung, einen perfekten Kandidaten wie ein Puzzleteil in eine feste Lücke zu setzen, ignoriert diese zunehmend dynamische Realität in den Unternehmen.

Die Problematik der Meta-Analysen.
Lange Zeit galt der Intelligenztest (GMA) als der stärkste einzelne Prädiktor für Berufserfolg, basierend auf den einflussreichen Meta-Analysen von Schmidt und Hunter. Neuere Studien, allen voran von Sackett et al. (2023), haben diese Ergebnisse jedoch drastisch korrigiert, da die statistischen Korrekturen in den älteren Studien als übertrieben eingestuft wurden. Die prognostizierte Validität des Intelligenztests fiel von 42,3 % (Schmidt & Hunter) auf nur noch 15,3 % (Sackett et al.). Dieser vermeintliche Goldstandard hat damit seine Strahlkraft verloren.

Die Herausforderung des Umgangs mit „Impression Managements“
Erfahrene Bewerber sind oft nicht die besseren Kandidaten, sondern lediglich die besseren „System-Mitspieler“. Sie haben gelernt, was Recruiter und Führungskräfte in strukturierten Interviews z.B. nach der oft genutzten STAR-Methode hören wollen, wie man mit Apps wie „Neuronation“ für GMA-Tests trainiert und wie man auf die Fragen in Persönlichkeitstests „richtig“ antwortet. Die Verfahren messen somit eher die Erfahrung und Geschick im Bewerbungsprozess selbst als die tatsächliche Eignung für die Stelle.

Anstatt sich auf eine immer weiter optimierte, aber letztlich begrenzte Testbatterie zu verlassen, hat Klukas alternative Ansätze vorgeschlagen, die den Kontext und das reale Verhalten viel stärker in den Fokus rücken.

Arbeitsproben und Simulationen: Die Überprüfung realer Fähigkeiten in einem praxisnahen Kontext bleibt eine der validesten Methoden. Statt über Kompetenzen zu sprechen, demonstrieren Kandidaten diese direkt – sei es durch das Lösen konkreter Probleme, die Bearbeitung einer Fallstudie oder die Simulation einer Kundensituation.

Narrative, unstrukturierte Interviews: Entlehnt aus der empirischen Sozialforschung, zielen diese Gespräche darauf ab, durch freies Erzählen tiefere Einblicke zu gewinnen. Anstatt einen Kandidaten wie im Verhör abzufragen, ähnelt der Ansatz einem Gespräch mit einem Freund, dem man sagt: „Erzähl mal, wie war dein Urlaub?“ Man lässt die Person frei erzählen, um die Geschichte und den Kontext dahinter zu verstehen und so die 60 % der Varianz zu erhellen, die traditionelle Tests ignorieren.

Empfehlungen als soziale Validierung: Empfehlungen reduzieren die Informationsasymmetrie zwischen Bewerbern und Unternehmen. Sie bieten eine externe Bestätigung der Eignung und signalisieren: „Eine andere Person, deren Urteil ich schätze, hätte diesen Kandidaten ebenfalls eingestellt.“

Ein innovatives Modell, das aus dieser Logik entsteht, ist der von Klukas ins Leben gerufene und seit Jahren geführte „Empfehlungsbund“. Dieses kollaborative Recruiting-Netzwerk verwandelt die unvermeidbaren „Fehler“ in der Auswahl – also gute Kandidaten, die man aus verschiedenen Gründen ablehnen muss – in eine Chance. Anstatt talentierte Bewerber an den Markt zu verlieren, werden sie proaktiv an Partnerunternehmen im Netzwerk weiterempfohlen, wovon alle Beteiligten profitieren.

Ich denke, Klukas richtig verstanden zu haben, dass er mit seinen provokanten Aussagen eher einen Aufschlag zur Diskussion als finale Statements liefern wollte. Wir werden bestimmt die Gelegenheit für einen weiteren Meinungs- und Erfahrungsaustausch finden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.