Donnerstag, 11. Dezember 2025

Recap Teil 2 zum Christmas Special 2025 - Machen wir in der Personalauswahl derzeit alles richtig?

Hier ist er - der zweite Teil des Rückblicks auf das Christmas Special des HR Innovation Days. Hier konnte ich mit meinem Professorenkollegen Jörg Klukas einen Speaker gewinnen, der Fragen der Personalauswahl kritisch und in vielen Fällen aus einer anderen als der gewohnten Perspektive betrachtet. Im Rahmen seiner Keynote mit dem Titel "Die große Täuschung: Warum Personalauswahl so oft falsch liegt" stellt er die berechtigte Frage was passiert, wenn viele der bislang als „Goldstandard“ geltenden Methoden weniger aussagekräftig sind, als gemeinhin angenommen? Damit würden etablierte Praktiken der Personalauswahl infrage gestellt und konsequenterweise müsste sich ein radikales Umdenken anschließen. Seine Kritik an traditionellen Auswahlverfahren lässt sich in drei Punkten zusammenfassen:

Die begrenzte Vorhersagekraft.
Selbst die besten Kombinationen von Auswahlverfahren können weniger als die Hälfte des späteren Berufserfolgs erklären. Ein Großteil der Leistung hängt nicht allein von der Person ab, sondern vom Arbeitskontext: dem Team, der Führung, den genutzten Arbeitsmitteln und der kulturellen Faktoren. Die Vorstellung, einen perfekten Kandidaten wie ein Puzzleteil in eine feste Lücke zu setzen, ignoriert diese zunehmend dynamische Realität in den Unternehmen.

Die Problematik der Meta-Analysen.
Lange Zeit galt der Intelligenztest (GMA) als der stärkste einzelne Prädiktor für Berufserfolg, basierend auf den einflussreichen Meta-Analysen von Schmidt und Hunter. Neuere Studien, allen voran von Sackett et al. (2023), haben diese Ergebnisse jedoch drastisch korrigiert, da die statistischen Korrekturen in den älteren Studien als übertrieben eingestuft wurden. Die prognostizierte Validität des Intelligenztests fiel von 42,3 % (Schmidt & Hunter) auf nur noch 15,3 % (Sackett et al.). Dieser vermeintliche Goldstandard hat damit seine Strahlkraft verloren.

Die Herausforderung des Umgangs mit „Impression Managements“
Erfahrene Bewerber sind oft nicht die besseren Kandidaten, sondern lediglich die besseren „System-Mitspieler“. Sie haben gelernt, was Recruiter und Führungskräfte in strukturierten Interviews z.B. nach der oft genutzten STAR-Methode hören wollen, wie man mit Apps wie „Neuronation“ für GMA-Tests trainiert und wie man auf die Fragen in Persönlichkeitstests „richtig“ antwortet. Die Verfahren messen somit eher die Erfahrung und Geschick im Bewerbungsprozess selbst als die tatsächliche Eignung für die Stelle.

Anstatt sich auf eine immer weiter optimierte, aber letztlich begrenzte Testbatterie zu verlassen, hat Klukas alternative Ansätze vorgeschlagen, die den Kontext und das reale Verhalten viel stärker in den Fokus rücken.

Arbeitsproben und Simulationen: Die Überprüfung realer Fähigkeiten in einem praxisnahen Kontext bleibt eine der validesten Methoden. Statt über Kompetenzen zu sprechen, demonstrieren Kandidaten diese direkt – sei es durch das Lösen konkreter Probleme, die Bearbeitung einer Fallstudie oder die Simulation einer Kundensituation.

Narrative, unstrukturierte Interviews: Entlehnt aus der empirischen Sozialforschung, zielen diese Gespräche darauf ab, durch freies Erzählen tiefere Einblicke zu gewinnen. Anstatt einen Kandidaten wie im Verhör abzufragen, ähnelt der Ansatz einem Gespräch mit einem Freund, dem man sagt: „Erzähl mal, wie war dein Urlaub?“ Man lässt die Person frei erzählen, um die Geschichte und den Kontext dahinter zu verstehen und so die 60 % der Varianz zu erhellen, die traditionelle Tests ignorieren.

Empfehlungen als soziale Validierung: Empfehlungen reduzieren die Informationsasymmetrie zwischen Bewerbern und Unternehmen. Sie bieten eine externe Bestätigung der Eignung und signalisieren: „Eine andere Person, deren Urteil ich schätze, hätte diesen Kandidaten ebenfalls eingestellt.“

Ein innovatives Modell, das aus dieser Logik entstand, ist der von Klukas ins Leben gerufene und seit Jahren erfolgreich geführte „Empfehlungsbund“. Dieses kollaborative Recruiting-Netzwerk verwandelt die unvermeidbaren „Fehler“ in der Auswahl – also gute Kandidaten, die man aus verschiedenen Gründen ablehnen muss – in eine Chance. Anstatt talentierte Bewerber an den Markt zu verlieren, werden sie proaktiv an Partnerunternehmen im Netzwerk weiterempfohlen, wovon alle Beteiligten profitieren.

Ich denke, Klukas richtig verstanden zu haben, dass er mit seinen provokanten Aussagen eher einen Aufschlag zur Diskussion als finale Statements liefern wollte. Wir werden bestimmt die Gelegenheit für einen weiteren Meinungs- und Erfahrungsaustausch finden.

Dienstag, 9. Dezember 2025

Recap Teil 1 - zum Christmas Special des HR Innovation Days 2025

Am 2. Dezember 2025 war es wieder soweit. Das Christmas Special des HR Innovation Days erfuhr seine Neuauflage. Mir war es gelungen, 3 Experten zu 3 Top-Themen zu gewinnen. 
  1. Welche strategische Rolle kann und sollte HR im KI-Zeitalter übernehmen?
  2. Machen wir bei der Personalauswahl bislang alles richtig, oder sollten die derzeit genutzten Verfahren neubewertet und ggf. auch angepasst werden?
  3. Wie steht es um den Umgang mit Entgelttransparenz in den Unternehmen? Welche praktischen Auswirkungen hat die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie? 
Alles in allem handelt es sich um Fragen, die die gegenwärtigen Herausforderungen für die Personalbereiche deutlich erkennen lassen und meines Erachtens letztlich auch in einer Neubewertung ihrer Rolle münden können. Dies setzt jedoch eine kritische Reflexion der bestehenden Einstellungen zu den Mitarbeitenden und bislang angewandten Vorgehensweisen in den Personalbereichen voraus.

Hier folgt nun der erste Teil des Rückblicks auf das Event.

Besonders gefreut habe ich mich mit Dr. Dieter Veldsman, Chief HR Scientist an der Academy to Innovate HR, einen international bekannten Speaker gewonnen zu haben. Mit seiner Keynote mit dem Titel "HR Priorities 2026: Market signals, strategy shifts & steps to lead the AI-powered workforce" ist es ihm gelungen, wichtige Schwerpunkte der künftigen Personalarbeit zu identifizieren und damit klar auf die Handlung

Angesichts der laufenden KI-Revolution sollten sich aus seiner Sicht die Personaler auf fünf zentrale Prioritäten konzentrieren, um ihre Unternehmen erfolgreich durch diese Transformation zu führen.

1. Co-Führung der KI-Transformation 
Die Einführung von KI sieht Veldsman weniger als Technologie, sondern vielmehr als eine Kulturimplementierung. HR muss hier eine zentrale Rolle bei der ethischen und verantwortungsvollen Gestaltung dieses Wandels spielen. HR sollte als „Stimme der Menschen“ in multidisziplinären Gremien agieren und dadurch sicherstellen, dass die menschliche Perspektive im Mittelpunkt steht.

2. Reinvestition von KI-Kapazitätsgewinnen 
KI wird zweifellos zur Freisetzung von Kapazitäten führen. Unternehmen stehen dann vor der Wahl zwischen drei Strategien: Capacity Extraction (Stellenabbau zur Kostensenkung), Capacity Amplification (Erhöhung der Arbeitslast für die bestehende Belegschaft) und Capacity Reinvestment. Ein verantwortungsvoller Ansatz, so Veldsman, liegt in der Reinvestition. Anstatt kurzfristig Kosten zu senken, sollten Mitarbeiter für höherwertige, zukunftssichere Aufgaben umgeschult werden.

3. Fokus auf Skills statt Zahl der Mitarbeitenden 
Die Halbwertszeit von Wissen nimmt rapide ab. Eine rein auf Kopfzahlen basierende Personalplanung ist deshalb nicht mehr zeitgemäß. Die Zukunft gehört einer Skill-basierten Planung, die erfordert, dass Unternehmen genau wissen, welche Skills sie heute besitzen und welche sie morgen wirklich benötigen. HR muss hier Rollen neu gestalten, interne Mobilität zu fördern und vor allem die Führungskräfte zu befähigen, in Skills statt in starren Jobprofilen zu denken und zu führen.

4. Weiterentwicklung der HR-Operating Models (HR-Betriebsmodelle) 
Traditionelle, in Silos organisierte HR-Strukturen (Recruiting, Entwicklung, Vergütung) sind zu starr und langsam. Sie spiegeln nicht die Erfahrungen wider, die Mitarbeiter mit dem Unternehmen machen. Zukünftige HR-Modelle müssen agiler und funktionsübergreifender sein, ein Dilemma, das einprägsam zusammengefasst wurde: „Why do people say when I shop online it feels like 2025, but when I have to put in leave on our internal HR system, it feels like 1960?“

5. Gezielter Aufbau von KI-Kompetenz (AI Fluency) 
Ähnlich wie beim Erlernen einer neuen Sprache erfordert der souveräne Umgang mit KI drei Dinge: das Vokabular (z. B. Prompt Engineering), die Grammatik (das Wissen, wann welches KI-Tool für welche Aufgabe geeignet ist) und den Kontext (das Verständnis, wie KI sinnvoll in die eigene Arbeit integriert werden kann). HR muss nicht nur die eigene KI-Kompetenz aufbauen, sondern Lernumgebungen zu schaffen, in denen alle Mitarbeiter die notwendigen Skills sicher und verantwortungsbewusst erlernen können. Seine konkreten Hinweise für HR finden sich hier.



















Veldmans zentraler Appell in seiner Keynote war unmissverständlich: HR muss mutig führen und die KI-Revolution „humanisieren“, um sicherzustellen, dass die menschliche Perspektive bei dieser fundamentalen Transformation der Arbeitswelt im Mittelpunkt steht. Seine Forderung, die Arbeit neu um menschliche Fähigkeiten herum zu gestalten, erzwingt eine fundamentale Neubewertung der Frage, wie wir als Personaler diese Fähigkeiten überhaupt identifizieren und wie wir künftig die neuen Fähigkeiten gezielt entwickeln.

Montag, 24. November 2025

Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie trifft auf Strukturen, die für Transparenz nie wirklich gebaut wurden - Gespräch mit Lars-Eric Strenske

Die Weihnachtsausgabe des HR Innovation Days 2025 steht endlich vor der Tür. Traditionell führe ich Interviews mit den Keynote-Speakern, um bereits im Vorfeld des Events Einblicke in Themen und Meinungen zu gewähren. Heute kann ich mit Lars-Eric Strenske sprechen, der mir für ein Interview zur Verfügung steht. Er ist Senior Berater bei der gradar und hat mittlerweile auch seine eigene Firma comptklar gegründet. Herr Strenske wird zu einem für Personalbereiche derzeit extrem wichtigen Thema sprechen. Es geht um die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtline und seine Keynote trägt den Titel „Die Gehalts-Offenbarung: Was die EU-Transparenzpflicht wirklich verändert“. Ich freue mich sehr, Herrn Strenske für eine Keynote zu diesem Thema gewonnen zu haben.

Wald: Lieber Herr Strenske, könnten Sie sich kurz vorstellen?
Strenske: Sehr gern. Mein Name ist Lars-Eric Strenske. Ich bin Gründer der Vergütungsberatung comptklar und arbeite als Senior Consultant für gradar, ein spezialisiertes System für Stellenbewertung und Jobarchitekturen. In den vergangenen gut fünfzehn Jahren habe ich an der Schnittstelle von Unternehmensstrategie, Vergütung und Organisation gearbeitet, unter anderem als Director of Global Compensation and Benefits in international ausgerichteten Industrieunternehmen sowie in Beratungen wie Kienbaum und Willis Towers Watson. Mich treibt eine einfache Frage an. Wie schaffen wir Vergütungssysteme, die fair und verständlich sind und zugleich die Leistung im Unternehmen stärken. Genau darum geht es bei comptklar und in meiner Arbeit mit gradar.

Wald: Bei einem Blick auf Ihre Biographie drängt sich mir die Frage auf, wie Sie zum Thema Vergütung gekommen sind?
Strenske: Ganz ehrlich. Eher zufällig hineingerutscht und dann aus Überzeugung geblieben. Ich habe Wirtschaftspsychologie und Personalentwicklung studiert und wollte ursprünglich als Trainer arbeiten. In einer frühen Beraterrolle im Jahr 2011 bin ich dann mit Compensation & Benefits im Rahmen der Entwicklung und Implementierung von Fachlaufbahnen in Berührung gekommen. Plötzlich ging es um Fragen wie:
  • Wie bewerte ich Rollen transparent und nachvollziehbar?
  • Wie viel Struktur braucht ein Vergütungssystem, bevor es in Bürokratie kippt?
  • Wie gehe ich mit dem Gerechtigkeitsempfinden von Fach- und Führungskräften um?
Mich hat fasziniert, dass Vergütung ein echter Schnittstellenhebel ist. Strategie, Markt, Kultur, Führung, Daten, alles kommt hier zusammen. Und wenn die Logik dahinter klar ist, werden viele Konflikte im Alltag kleiner. Ab diesem Moment war für mich klar. Das Thema Vergütung ist kein reines Zahlenthema. Es ist Organisationsgestaltung mit sehr direkter Wirkung.

Wald: Mittlerweile haben Sie ja auch eine eigene Firma gegründet. Was haben Sie damit vor?
Strenske: Mit comptklar verfolge ich ein klares Ziel. Vergütung raus aus der Blackbox, hin zu klaren Rollen, Bändern und Spielregeln. Konkret begleite ich Unternehmen in drei Bereichen.
  • Jobarchitektur und Stellenbewertung: Aufbau klarer Rollenprofile auf Basis einer konsistenten Bewertungslogik, häufig mit gradar.
  • Gehaltsbänder und Governance: Entwicklung marktkonformer Bänder und verständlicher Richtlinien, die Führungskräfte im Alltag wirklich nutzen.
  • EU-Entgelttransparenz: Vorbereitung auf die Anforderungen der EU-Entgelttransparenzrichtlinie von der Struktur der Stellen über die Daten bis zum Reporting und zur internen Kommunikation.
Ich arbeite bewusst an der Schnittstelle von Fachlichkeit, Technologie und Umsetzung. Also nicht nur Konzepte, sondern auch die Übersetzung in Tools, HR-Systeme und praktikable Prozesse. Langfristig möchte ich comptklar als spezialisierte Boutique für Vergütung und Entgelttransparenz im DACH Raum etablieren, gern im Verbund mit Partnern wie gradar und weiteren Technologieanbietern.

Wald: In Ihrer Keynote werden Sie auf Fragen der praktischen Umsetzung der EU-Transparenzrichtline eingehen. Gibt es hier aus Ihrer Sicht typische Hemmnisse bei der Umsetzung in den Unternehmen?
Strenske: Ja, da gibt es einige Muster, die sich in vielen Projekten wiederholen.
Erstens fehlt häufig das Fundament in Form einer konsistenten Jobarchitektur. Rollen sind historisch gewachsen, Titel uneinheitlich, Verantwortungsniveaus unscharf. Wenn dann Berichtspflichten oder Analysen zu Gender Pay Gaps und Arbeit von gleichem Wert kommen, fehlen die gemeinsamen Bezugspunkte.
Zweitens gibt es eine kulturelle Hürde. Gehalt ist immer emotional besetzt. Viele Unternehmen haben Sorge, mit mehr Transparenz Konflikte zu verstärken. Fragen wie "Was passiert, wenn alle sehen, wie wir wirklich zahlen", führen oft dazu, dass das Thema aufgeschoben wird.
Drittens wird der Aufwand unterschätzt. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist kein reines Reporting-Projekt. Sie verlangt saubere Daten, klare Kriterien für Arbeit von gleichem Wert, abgestimmte Governance und eine gute Kommunikationsstrategie. Studien und Fachbeiträge weisen darauf hin, dass viele Arbeitgeber sich noch nicht ausreichend vorbereitet fühlen, obwohl die Richtlinie bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt sein muss. Zusammengefasst trifft die Richtlinie auf Strukturen, die für Transparenz nie wirklich gebaut wurden. Genau das macht das Thema anspruchsvoll, aber auch chancenreich.

Wald: Kurz gefragt, gibt es auch Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung der EU-Entgeltransparenz-Richtline in den Unternehmen?
Strenske: Ja. Man sieht einige gemeinsame Erfolgsfaktoren bei Unternehmen, die gut vorankommen.
Ein erster Erfolgsfaktor ist ein Zielbild, das über reine Compliance hinausgeht. Wer Transparenz als Chance zur Verbesserung von Fairness, Attraktivität und Klarheit versteht, gestaltet die Umsetzung ganz anders als jemand, der nur Pflichten abarbeitet.
Ein zweiter Erfolgsfaktor ist eine robuste, nachvollziehbare Bewertungsmethodik. Systeme wie gradar schaffen eine fachlich saubere Grundlage für die Bewertung von Arbeit und damit für das Prinzip gleiches Entgelt für Arbeit von gleichem Wert. Das ist zentral, weil die Richtlinie genau darauf abzielt.
Drittens binden erfolgreiche Unternehmen wesentliche Stakeholder früh ein. HR, Compensation, Betriebsrat oder Employee Representatives, Finance, Legal, IT und Kommunikation. Wenn diese Gruppen gemeinsam Leitplanken definieren, etwa zu Bandbreiten, Ausnahmen und Kommunikationsregeln, werden spätere Schleifen deutlich geringer.
Viertens gehen sie schrittweise vor. Etwa mit Pilotbereichen, bevor das Modell auf das gesamte Unternehmen ausgerollt wird. So lassen sich Governance, Datenlogik und Kommunikation im kleineren Rahmen testen.
Und fünftens formulieren sie einen ehrlichen Narrativ. Also eine klare Botschaft, wo das Unternehmen heute steht, welche Lücken es beim Thema Pay Equity hat und welche konkreten Schritte vorgesehen sind. Mitarbeitende merken sehr schnell, ob Transparenz ernst gemeint ist oder nur als Pflichtübung daherkommt.

Wald: Ohne hier zu viel zu kommunizieren, was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Ihrer Keynote erwarten?
Strenske: Die Teilnehmenden können vor allem drei Dinge erwarten.
Erstens Klartext zu den praktischen Folgen der Richtlinie. Ich übersetze die EU-Vorgaben in HR-Sprache. Was bedeutet das für Stellenbewertung, Gehaltsbänder, HR-Systeme, Führungskräfte und Kommunikation im Unternehmen.
Zweitens eine pragmatische Roadmap. Ich zeige einen möglichen Weg vom heutigen Status quo zu einer tragfähigen Transparenzarchitektur. Dazu gehören Jobarchitektur und Bewertungslogik, Gehaltsbänder und Richtlinien, Datenstrukturen und Reporting sowie der Umgang mit Fragen von Mitarbeitenden.
Drittens Einblicke aus Projekten mit echten Widerständen. Also nicht nur glänzende Erfolgsstories, sondern auch Beispiele, wo es schwierig wurde und was wir daraus gelernt haben. Und ich zeige, wie gradar als Jobbewertungssystem und Teil eines Pay Equity Software Ökosystems helfen kann, diese Reise strukturierter zu gestalten. Mein Ziel ist, dass jede Person im Raum mit einer konkreten Idee hinausgeht, wie der nächste sinnvolle Schritt im eigenen Unternehmen aussehen kann.

Wald: Meine Standardfrage zum Schluss. Warum kommen Sie zu unserem Event?
Strenske: Ich komme, weil das Thema Entgelttransparenz gerade sehr konkret wird und wir genau jetzt Orte brauchen, an denen offen und praxisnah darüber gesprochen wird. Der HR Innovation Day bietet dafür einen Rahmen, in dem Verantwortliche für Vergütung, Kultur und Transformation miteinander ins Gespräch kommen können, ohne dass es nur um Paragrafen oder Schlagworte geht.
Mich reizt besonders die Mischung aus Praxis, Wissenschaft und jungem HR-Nachwuchs.
Ich möchte Erfahrungen aus Projekten teilen, aber genauso hören, welche Fragen und Zweifel die Teilnehmenden mitbringen. Wenn wir es schaffen, dass jede Person im Saal mit einem klareren Bild zu den nächsten Schritten im eigenen Unternehmen nach Hause geht und vielleicht mit etwas mehr Mut zum Thema Transparenz, dann hat sich dieser Tag für mich gelohnt.

Mein Interviewpartner Lars-Eric Strenske hat an der Hochschule Harz und der Otto-von-Guericke-Universität Wirtschaftspsychologie und Personalentwicklung studiert. Nach ersten Stationen im HR Consulting, unter anderem bei Kienbaum und Willis Towers Watson, übernahm er die Verantwortung als Director of Global Compensation and Benefits in international aufgestellten Industrieunternehmen. Im Oktober 2025 hat er die Vergütungsboutique comptklar mit dem Claim "Pay right, perform better." gegründet. Sein Ziel ist es, Unternehmen mit klaren Jobstrukturen, fairen Gehaltsbändern und EU konformer Entgelttransparenz dabei zu unterstützen, Vergütung aus der Blackbox zu holen und als wirksamen Hebel für Kultur und Performance zu nutzen. Parallel ist er als Senior Consultant für den Jobbewertungsanbieter gradar tätig und begleitet Organisationen weltweit beim Aufbau moderner Jobarchitekturen und Vergütungsframeworks.

Samstag, 22. November 2025

We need the young HR generation to think differently about the mandate and the role of HR - Interview with Dr. Dieter Veldsman (AIHR)

This year's Christmas Special is approaching. As in previous years, we will introduce the keynote speakers in a series of interviews, allowing participants to get an idea of who they are and what topics they will cover in advance. My interviewee for today is Dr. Dieter Veldsman, Chief Scientist for HR & OD at the Academy to Innovate HR. He is a well-known consultant in the field of HR management and a frequently requested keynote speaker. The title of his keynote is “HR Priorities 2026: Market signals, strategy shifts & steps to lead the AI-powered workforce”. Drawing on research, market insights, and practical foresight, his keynote will examine the forces that will shape HR’s priorities in 2026. He will outline the concrete actions leaders, scholars, and practitioners must take to navigate and lead with impact. That's why I'm thrilled that she will be keynoting at this year's HR Innovation Day.

Peter: First of all, thank you for enriching this year's Christmas Special of HR Innovation Day with a keynote. Would you be so kind as to introduce yourself?
Dieter: Thanks, Peter, I'm really looking forward to the session. As mentioned, my name is Dr. Dieter Veldsman, and I am the Chief HR Scientist at The Academy to Innovate HR, as well as a Professor of Practice at the University of Johannesburg. I am a former CHRO and have always been interested in human behavior and its impact on work and organizations. I was born and raised in South Africa, but have been living in Europe for the last four years. I have had the privilege of working with organizations across Europe, Asia, and the Americas over the past 18 years, on various initiatives related to HR and Organizational Development.

Peter: I assume that not all participants are familiar with the Academy. Could you briefly introduce it?
Dieter: At AIHR, we conduct research, provide advisory services, and develop solutions to help HR professionals acquire the skills necessary to make a meaningful impact on the future of work. Practically, we work with individual HR professionals and more than 1,200 organizations in over 200 countries to help with HR strategy, audits, and capability-building programs. Our core product is an HR career development platform that is built by HR professionals for HR professionals - over the last six years, we have had more than 65 000 HR professionals on the platform engaging with courses from global instructors, attending weekly live events and webinars, accessing the resource library, and using various AI tools in their daily work.

Peter: In view of the current, sometimes quite controversial discussions, what do you understand by AI-powered workforce?
Dieter: For me, there are two different perspectives here. The first relates to the augmentation of humans and AI technologies as the workforce of the future. Realistically, we will see a greater incorporation of AI technologies into work, and as organizations, we need to start thinking about what work needs to be done by human beings and what work will be done by AI. Second, for me, this also refers to how we enable and equip human beings to be able to use AI responsibly and ethically in their daily work. Building this AI fluency is similar to the introduction of MS Office for knowledge workers so many years ago - how do we make AI part of what we naturally use to do work, and as an extension of our human capability and capacity.

Peter: In this context, you refer to five megatrends redefining the HR landscape. Could you say something about this at this point?
Dieter: Every year, we publish our HR Trends and Priorities report based on our client conversations and various data sources. For 2026, we focused specifically on five areas:
  • How HR needs to help co-lead the AI transformation in organizations, which entails how we approach AI strategy, governance, skills, change, and technology
  • The debate on how we redesign, reskill, and reframe organizational capacity based on benefits leveraged through AI
  • Moving to more integrated skills-based workforce strategies, with a significant impact on how leadership is changing in flatter organizational designs
  • Rethinking and reframing HR Operating Models and cross-functional working through realizing new technology opportunities
  • Building AI fluency in the workforce as a core capability for HR professionals

Peter: The participants in the event come primarily from HR departments. What can HR do to successfully introduce AI solutions within their own departments and companies?
Dieter: We have to play two roles here. The first is how we enable AI readiness in the organization. This implies a few key points related to helping organizations understand why they want to use AI and how that aligns with business outcomes - not just using AI for its own sake. In this role, we also have a key responsibility in managing the AI narrative, redesigning work, and guiding people through the change and skilling processes. Second, we should also educate, equip, and expose our own HR teams to AI, intentionally building our own AI fluency, and integrate AI into how HR works. We should also lead the conversations on ethical and responsible use.

Peter: Users of AI - especially in HR departments - report employees' fears. How can these be effectively countered? 
Dieter: We have seen “AI anxiety” leading to technostress and also being caused by FOBO - the fear of becoming obsolete. Realistically, we need to address the fear first and help people understand how, as an organization, we plan to utilize AI and what the impact and implications of that will be. Importantly, it is necessary to have a transparent narrative to combat the “AI is taking our jobs” narrative, which is a much more nuanced issue and not as straightforward as the headlines make it out to be. As with many new technologies, it is changing how we work, which means we need new skills but will also require to rethink what jobs look like. So, will AI change your job - most definitely and that is a good thing, but it will require us to reframe and reshuffle how we think about work and jobs today.

Peter: Younger HR professionals will also be attending the event. What can you tell them? Do you have any special recommendations for them?
Dieter: This is such an important time to be in HR - we are on the cusp of entering a new era of work, similar to how we now view the first and second industrial revolutions. We need the young HR generation to think differently about the mandate and the role of HR and help us enter a new chapter for our profession - one that helps organizations and individuals flourish in an increasingly uncertain world.

Peter: Finally, a question I'd like to ask all the speakers. Why are you keynoting at the HR Innovation Day 2025?
Dieter: I believe in the power of ideas and how narrative can shape the future. I want to contribute to the HR profession in any way I can, and as part of the innovation day, I hope to do so by allowing today and tomorrows HR professionals to think differently about our beautiful profession.

Peter: Thank you very much for your support our event. I look forward to listen to your insights.

My interviewee, Dr. Dieter Veldsman is an award-winning expert in organizational psychology and human resources, boasting a distinguished 18-year career in Strategic HR, Organizational Design, and Development. He has held pivotal roles such as Group Chief Human Resource Officer, People Effectiveness Executive, and Principal Consultant, significantly impacting organizations across EMEA, APAC, and LATAM. Dr. Veldsman's contributions to the HR field have earned him prestigious accolades, including the 'Chief HR Officer of the Year' by the CHRO SA Society in 2021 and the 'Practitioner of the Year Award' by the Society for Industrial Psychology South Africa in 2018. He also serves as Professor of Practice at the University of Johannesburg. A sought-after global speaker, Dr. Veldsman addresses key topics such as HR, the Future of Work, and Organizational Development. He also hosts "The HR Dialogues," a compelling videocast where he engages with top HR professionals worldwide, sharing invaluable insights and experiences. Over the past 18 years, he has spoken at over 120 conferences and published 140+ articles on HR and the future of work, along with 25 academic chapters and articles, and three books. Currently, as the Chief HR Scientist at the Academy to Innovate HR (AIHR), Dr. Veldsman leads the Advisory and Insights Lab.

Donnerstag, 20. November 2025

Wir sollten uns nichts vormachen: KI ist ein Multiplikator - kein Qualitätsgarant - Gespräch mit Jörg Klukas

Die Weihnachtsausgabe unseres HR Innovation Days 2025 rückt näher. Traditionell führe ich Interviews mit den Keynote-Speakern, um bereits im Vorfeld des Events Einblicke in Themen und Meinungen zu gewähren. Heute steht mir mein Professorenkollege Jörg Klukas für ein Gespräch zur Verfügung. Er ist Professor für Human Resources Management an der FOM und Geschäftsführer von Deutschlands größtem Empfehlungsnetzwerk für Fachkräfte: Dem Empfehlungsbund. Jörg Klukas kenne ich seit Jahren und wir begegnen uns oft auf verschiedenen HR-Events. Ich freue mich außerordentlich, dass ich ihn in diesem Jahr für eine Keynote mit dem Titel „Die große Täuschung: Warum Personalauswahl so oft falsch liegt“ gewinnen konnte. Bereits an dieser Stelle herzlichen Dank dafür, dass er das Event mit einer Keynote unterstützt.

Peter: Lieber Jörg, könntest Du Dich kurz vorstellen?
Jörg: Gern. Ich bin Professor für Human Resources Management an der FOM Hochschule Leipzig und Geschäftsführer der pludoni GmbH. Mit dem Empfehlungsbund betreiben wir seit über 15 Jahren ein Netzwerk von Arbeitgebern, die sich gegenseitig qualifizierte Fachkräfte empfehlen. Davor habe ich viele Jahre in der Wirtschaft gearbeitet – zuletzt als Leiter HR und Business Excellence bei Telekom MMS. Meine Arbeit dreht sich seit langem um die Frage, wie Organisationen Menschen besser verstehen und Entscheidungen treffen können, die sowohl fair als auch wirksam sind.

Peter: Was ist der Empfehlungsbund?
Jörg: Der Empfehlungsbund ist ein Arbeitgeberverbund, der Absagen nicht als Endpunkt betrachtet, sondern als Chance. Wenn ein Unternehmen eine Person nicht einstellen kann, obwohl sie geeignet wäre, erhält diese einen Empfehlungscode. Mit diesem Code kann sie sich bei einem anderen Mitglied bewerben und signalisiert: „Ich wurde bereits als passend eingeschätzt.“ Damit entsteht ein System der gegenseitigen Validierung – AGG- und DSGVO-konform. Arbeitgeber teilen nicht personenbezogene Daten, sondern nur ihre Einschätzung der Eignung über einen Code, den die Bewerbenden selbst weitergeben. Es ist ein sehr praktisches, sehr menschliches und gleichzeitig sehr effizientes System.

Peter: Was haben Unternehmen von einer aktiven Mitwirkung in diesem Netzwerk?
Jörg: Gerade jetzt, wo wir wieder deutlich mehr Bewerbungen pro Stelle sehen, ist das Empfehlungsprinzip ein Vorteil. Unternehmen müssen aktuell viele Bewerbende ablehnen – und darunter sind auch sehr gute, die schlicht knapp „vorbeirutschen“. Für Unternehmen entstehen daraus zwei Risiken: Falsch-Negative – man übersieht Talente. Zeitverluste – man prüft zu viele Kandidaten, die nicht passen. Der Empfehlungsbund wirkt hier wie ein Korrekturmechanismus: Über Empfehlungen landen geeignete Talente, die anderswo nicht eingestellt werden konnten, schneller wieder im Prozess. Die erhaltenen Bewerbungen sind oft hochwertiger, weil z.B. zwei Unternehmen dieselbe Person bereits als passend wahrgenommen haben. Gleichzeitig zeigen Unternehmen Verantwortung, indem sie Menschen, die sie selbst nicht einstellen können, nicht „fallen lassen“. Und: Mitmachen ist kostenfrei. Reziprozität entsteht, weil jedes Unternehmen sowohl gibt als auch bekommt.

Peter: Mit dem Thema Deiner Keynote steigst Du offensiv in eine derzeit heftig diskutierte Fragestellung ein. Es geht mMn dabei vor allem darum endlich den „heiligen Gral“ einer fehlerfreien und stets wissenschaftlich fundierten Personalauswahl zu entdecken und diesen entsprechend anzuwenden.
Jörg: Ja, und genau hier liegt die große Illusion. Viele diagnostische Verfahren versprechen Objektivität – ihre reale Wirkung ist jedoch begrenzt. Die Forschung der letzten Jahre zeigt, dass Validitäten deutlich geringer sind als lange angenommen. Unternehmen überschätzen oft die Präzision ihrer Auswahlverfahren und unterschätzen gleichzeitig, wie schnell gute Menschen fälschlicherweise abgelehnt werden. Wir fokussieren uns zu oft auf „Messbarkeit“, aber zu wenig auf Verstehen. Meine Keynote soll aufzeigen, warum uns diese Fokussierung in eine Sackgasse führt – und wie wir wieder zu realistischeren, menschlicheren Entscheidungen zurückkehren können.

Peter: Kurz gefragt, was kann eine gute Personalauswahl leisten und was nicht?
Jörg: Gute Personalauswahl kann Wahrscheinlichkeiten verbessern, aber sie kann keinen sicheren Blick in die Zukunft geben. Sie kann helfen, Passung plausibel zu machen, aber sie kann keine Garantie dafür liefern, wie sich Menschen in komplexen Systemen entwickeln. Entscheidend ist: Auswahl ist immer interpretativ. Sie ist nie rein objektiv – und das ist in Ordnung, wenn wir uns dessen bewusst sind. Gute Auswahl schafft Transparenz über Unsicherheiten und geht reflektiert damit um.

Peter: Braucht gute Personalauswahl den Einsatz von KI-Lösungen?
Jörg: KI kann vieles – aber eines kann sie nicht: sie kann nicht die fehlende Varianz zum späteren Berufserfolg erzeugen. Wenn unsere Verfahren inhaltlich schwach sind, macht KI sie nur schneller, nicht besser. Im Kern automatisiert KI die bestehende Eignungsdiagnostik – inklusive ihrer Denkfehler, Verkürzungen und überzogenen Objektivitätsversprechen. Sie bringt nichts grundlegend Neues, wenn die zugrunde liegenden Annahmen falsch oder unvollständig sind.
Wir sollten uns nichts vormachen: KI ist ein Multiplikator – kein Qualitätsgarant. Sie multipliziert Muster, die wir ihr geben. Wenn diese Muster stumpf, unvollständig oder verzerrt sind, dann skaliert KI genau diese Verzerrungen. Daher sehe ich KI eher als Assistenzsystem: Sie kann entlasten, strukturieren, vergleichen, dokumentieren. Aber sie kann nicht die menschliche Urteilsfähigkeit ersetzen, die es braucht, um Kontext, Ambivalenz und Potenzial zu verstehen. Gute Personalauswahl entsteht also nicht durch KI statt Mensch – sondern durch KI mit reflektierten Menschen.

Peter: Mit den Ergebnissen der Personalauswahl wird aus meiner Sicht auch über den künftigen Unternehmenserfolg entschieden? Wie sollte diese Erkenntnis bei der Gestaltung der Personalwahl berücksichtigt werden?
Jörg: Ich glaube, wir überbetonen seit Jahren den Begriff „Passung“. Er stammt aus einer Zeit, in der Arbeitsplätze als relativ starr galten: Aufgaben, Bedingungen, Abläufe – alles war fest definiert, und Menschen mussten „passen“. Heute ist das anders. Viele Aufgaben sind aushandelbar: Arbeitsmittel, Prozesse, Prioritäten, Lernwege, Verantwortlichkeiten. Unternehmen und Mitarbeitende gestalten diese Faktoren zunehmend gemeinsam. Das reduziert die Bedeutung der klassischen Passungslogik und erhöht die Bedeutung von Gestaltungsfähigkeit – auf beiden Seiten. Die vielen neuen Labels der letzten Jahre – skill-based hiring, value-based hiring, culture-based hiring – versuchen genau diese Flexibilisierung zu adressieren. Sie zeigen, dass Organisationen gemerkt haben: Nicht der „perfect fit“ entscheidet über Erfolg, sondern die Fähigkeit, Aufgaben und Erwartungen gemeinsam zu entwickeln. Entsprechend sollte Personalauswahl weniger versuchen, statische Merkmale zu messen, sondern eher klären: Wie gut können wir miteinander Aufgaben aushandeln? Wie flexibel sind beide Seiten in der Gestaltung des Arbeitsalltags? Welche Ziele sind nicht verhandelbar – und wie kommen wir gemeinsam dorthin? Kurz gesagt: Unternehmenserfolg entsteht heute weniger aus Passung, sondern aus Ko-Kreation zwischen Organisation und Mitarbeitenden.

Peter: Ohne zu viel zu verraten, was können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Deiner Keynote erwarten?
Jörg: Eine kritische Bestandsaufnahme – und eine konstruktive Perspektive. Ich werde zeigen, warum Personalauswahl häufig falsch liegt, welche Denkfehler wir pflegen und warum wir uns oft zu sehr auf diagnostische Tools verlassen. Gleichzeitig geht es um Lösungen: Was können wir besser machen, ohne in mehr Bürokratie oder mehr Testungen abzurutschen? Die gute Nachricht: Wir können viel verbessern, indem wir Wahrnehmung, Dialog und kollektive Intelligenz stärken. Nicht alles muss automatisiert oder standardisiert werden.

Peter: Meine Standardfrage zum Schluss. Warum kommst Du zu unserem Event?
Jörg: Weil der HR Innovation Day ein Ort ist, an dem HR ehrlich über sich selbst reflektieren kann – ohne Show, ohne Oberflächenoptimierung. Es ist ein Raum für echte Diskussionen zwischen Studierenden, Praktikern und Forschenden. Und gerade jetzt, wo sich der Arbeitsmarkt so stark verändert, brauchen wir solche Orte. Ich freue mich darauf, Perspektiven auszutauschen und gemeinsam neue Fragen zu stellen.

Mein Interviewpartner Professor Jörg Klukas hat an der Universität TU-Dresden und College des Ingenieures Paris studiert und verfügt über eine lange Berufserfahrung im Personalumfeld - davon ca. 8 Jahre als Leiter Human Resources und Business Excellence bei der Telekom MMS, jetzt ca. 16 Jahre als Geschäftsführer der pludoni GmbH mit www.Empfehlungsbund.de zur qualifizierten Fachkräfteempfehlung und seit etwa 10 Jahren hauptberuflicher Professor der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Personalgewinnung und -bindung an der FOM Leipzig.

Samstag, 15. November 2025

Zu oft ist HR zu weit weg vom Alltag auf dem Shopfloor - Alex Barber/Shift Changers im Gespräch

Heute setze ich meine Interviewreihe zum Thema Deskless Work. Ich freue mich sehr, dass mir Frau Alex Barber für das Gespräch in dieser Interviewreihe zum Thema Deskless Work zur Verfügung steht. Alex Barber ist Gründerin & CEO der Shift Changers GmbH. Sie beschäftigt sich mit Fragen der zielgruppengerechten Personal- & Organisationsentwicklung in den Bereichen Produktion und Logistik. Damit ist sie natürlich eine ideale Gesprächspartnerin für diese Interviewreihe. Begeistert hat mich ihr Statement unter der Überschrift „Warum JEDER mal eine Nachtschicht (mit-)arbeiten sollte“. Ich stimme ihr zu, dass dies vielen White-Collar bzw. Office-Workern bestimmt die Augen und auch die Herzen öffnen würde. Das Gefühl einer gewerblichen Tätigkeit in der Nacht nachzukommen, ist ansonsten nur schwerlich nachzuvollziehen. Auch, dass Sie hier die Rolle des Vertrauens herausgestellt hat ist mMn bemerkenswert. Ansonsten ist sie in der letzten Zeit für ihre Tätigkeit geehrt worden. Darüber und natürlich über ihre Erfahrungen beim Umgang mit Deskless Work will ich heute mit ihr sprechen.

Wald: Könnten Sie sich und die Shift Changers GmbH kurz vorstellen? Und: was steckt hinter dem Namen „Shift Changers“?
Barber: Ich bin Alex Barber, Gründerin & Geschäftsführerin von Shift Changers. Wir sind ein Beratungs- und Trainingsunternehmen und helfen Industrieunternehmen aus Produktion und Logistik, Personal- und Organisationsentwicklung vom Shopfloor aus zu denken. Ziel ist es, das volle Potenzial der gewerblichen (deskless) Belegschaft zu entfalten. „Shift Changers“ hat bewusst eine Doppelbedeutung. Zum einen bedeutet Shift Change auf Deutsch Schichtwechsel – das zeigt unseren Fokus auf die gewerbliche Belegschaft, die oft in Schichten arbeitet. Zum anderen stehen Shift und Change für Wandel und Veränderung. Wir stoßen diesen Wandel auf dem Shopfloor an und wir wollen unsere Kund:innen zu Shift Changern machen. Sie sollen den organisatorischen und kulturellen Wandel auf dem Shopfloor selbst gestalten.

Wald: Wie sind Sie auf den Bereich der Arbeit auf dem Shopfloor gekommen?
Barber: Ich habe Betriebswirtschaft studiert und eines meiner Wahlfächer war Supply Chain Management. In diesem Kurs sollten wir in den Supermarkt gehen, ein Produkt auswählen und erklären, wie es dorthin gekommen ist, vom Rohmaterial über die Produktion bis zum Transport. Das fand ich so spannend und praxisnah, dass ich meinen Master, meine Praktika und meinen Berufseinstieg im Bereich Supply Chain Management wählte. Ich begann als Supply-Chain-Trainee bei Beiersdorf und die erste Station war Pflicht im Werk. Dort habe ich mich in den praxisnahen, schnelllebigen und abwechslungsreichen Produktionsalltag und die sehr direkten Menschen in der Produktion „verliebt“. Später wurde ich Teamleiterin, führte 30–45 gewerbliche Mitarbeitende in der Intralogistik und habe viele Dinge, wie die veraltete Führungskultur, unpassenden oder nicht exsitierenden Weiterbildungsmöglichkeiten und schlechten Rahmenbedingungen aus erster Hand erlebt.

Wald: In der letzten Woche sind Sie von Business Insider Deutschland zu einer der TOP 25 Zukunftsmacherinnen 2025 gewählt worden. Was macht solche Anerkennung mit Ihnen?
Barber: Ich muss sagen, dass mich diese Auszeichnung sehr emotional berührt hat. Ich setze mich seit Jahren - auch schon vor meiner Selbstständigkeit - dafür ein, dass die Arbeitswelt der gewerblichen Belegschaft menschlicher wird, weil sie es verdient und weil Unternehmen stark davon profitieren. Diese Auszeichnung bedeutet nicht nur Wertschätzung für mich und meine Arbeit, sondern auch für eine Zielgruppe, die im Alltag oft übersehen wird, obwohl ohne sie nichts läuft. Und sie bedeutet vor allem Sichtbarkeit. Die versuche ich ihnen über meine LinkedIn-Beiträge, meinen Podcast „Sichtwechsel Schichtwechsel“, als Keynote-Speakerin auf Bühnen oder in Interviews, wie diesem hier, zu geben. Oft bleibt es aber ein Nischenthema. Mit der Auszeichnung von Business Insider hoffe ich, dass es mehr und mehr zu einem Thema wird, mit dem sich die Mehrheit unserer Gesellschaft und Wirtschaft beschäftigt.

Wald: Beeindruckt hat mich die Liste Ihrer Kunden. Gibt es hier vielleicht ein Projekt, das Sie kurz vorstellen können?
Barber: Neben unseren Trainertätigkeiten für Shopfloor-Führungkräfte haben wir auch größere Beratungsprojekte, die sehr unterschiedlich sein können. Ein Beispiel: Ein Großkonzern hat uns beauftragt, ihr Führungskräfteentwicklungsprogramm auf Logistik-Teamleiter:innen anzupassen. Es gab bereits ein Programm für kaufmännische Führungskräfte, aber man merkte, dass dieselbe Lösung für gewerbliche Führungskräfte nicht funktionierte: zu viel online, zu viel Theorie, zu wenig Praxisbezug. Wir haben Inhalte, Formate und Methoden so angepasst, dass das Programm nun auch für gewerbliche Führungskräfte wirksam ist. In anderen Projekten steigen wir tiefer ein. Oft startet es mit einer internen Umfrage, in der sichtbar wird, dass gewerbliche Mitarbeitende in einer Abteilung oder an einem Standort unzufrieden sind oder sich nicht wertgeschätzt fühlen. Dann kommen wir als neutrales Team dazu, führen Einzelgespräche und analysieren die Ursachen. Auf dieser Basis erstellen wir ein anonymes Gesamtbild. Gemeinsam mit dem Kunden – in einem cross-funktionalen Team inkl. Vertreter:innen der Shopfloor-Mitarbeitenden – erarbeiten wir in einem Workshop die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung. Anschließend begleiten wir den Kunden über mehrere Monate bei einigen Maßnahmen. Vielen können sie aber auch selbst wirksam umsetzen, da sie nach unserer Analyse nicht mehr Symptombekämpfung machen, sondern die Probleme an der Wurzel angehen. Bei einem Kunden kam z. B. heraus, dass alle das 4-Schichtmodell ablehnen und ändern wollen. Also haben wir gemeinsam (auf Basis der bestehenden Modelle im Unternehmen) ein neues Schichtmodell erarbeitet.

Wald: Ich habe gelesen, dass Sie ein Online-Programm für Personalentwickler aus Produktion und Logistik anbieten. Könnten Sie etwas zu den Schwerpunkten sagen?
Barber: Unser Online-Programm „Potenziale effektiv nutzen: Strategische Personalentwicklung auf dem Shopfloor“ richtet sich, wie Sie sagen, an Personalentwickler:innen aus Produktion und Logistik, die ihre gewerbliche Belegschaft durch zielgruppengerechte Weiterbildung endlich wirksam entwickeln möchten. Zu oft ist HR zu weit weg vom Alltag auf dem Shopfloor. Man kennt die Bedürfnisse und Bedarfe der Mitarbeitenden und Führungskräfte nicht gut genug und selbst gute Lernangebote erreichen die Zielgruppe häufig nicht. In acht Sessions gehen wir deshalb vier Schwerpunkte an. Wir sorgen zuerst dafür, dass die Zielgruppe wirklich verstanden wird, zeigen dann, wie man sie kommunikativ erreicht, wie Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitenden entsteht und welche Formate und Methoden in ihrem Alltag funktionieren, damit Entwicklung in der Praxis ankommt. Zwischen den Sessions lassen wir jeweils zwei Wochen Zeit, damit direkt an eigenen Themen gearbeitet werden kann. Am Ende steht eine praxisnahe Begleitung hin zur Entwicklung einer zielgruppengerechten Personalentwicklung für den Shopfloor. Wer also Interesse hat: Der nächste Durchgang startet am 28. Januar und die Plätze sind auf 16 Personen begrenzt. Mehr Infos gibt es auf unsere Webseite.

Wald: Zunehmend wird ja auch über das Thema Generative KI auf dem Shopfloor gesprochen. Haben Sie hier bereits Erfahrungen sammeln können?
Barber: Tatsächlich sehe ich das Thema noch viel zu selten auf dem Shopfloor. Deshalb bieten wir seit diesem Jahr Generative-KI-Basis-Trainings für Shopfloor-Führungskräfte an. In unserem Training „Führen mit KI“ helfen wir, konkrete Anwendungsfälle und Prompts zu entwickeln, eigene Agenten zu bauen und GPT & Co. als Sparringspartner im Führungsalltag zu etablieren. Außerdem sehen wir Generative KI vor allem bei der Content-Erstellung fürs Lernen: z. B. Apps, die Micro-Learning (kurze Lernnuggets) anbieten und Inhalte aus SOPs und Arbeitsanweisungen generieren. Im operativen Alltag sehen wir generative KI leider noch sehr sehr selten.

Wald: Herzlichen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen und Shift Changers weiterhin viel Erfolg und vor allem offene Ohren. Mir ist bewusst, dass beim Thema Deskless Work „sehr dicke Bretter zu bohren sind“.
Barber: Vielen Dank für das Interview. Ich freue mich sehr, dass es immer mehr Menschen wie Sie gibt, die das Thema gemeinsam mit uns angehen.

Meine Gesprächspartnerin Alex Barber ist Gründerin und Geschäftsführerin der Shift Changers GmbH. Das Unternehmen entstand 2021 aus eigenen Beobachtungen und operativen Erfahrungen als Team- und Abteilungsleiterin in der Produktion und Logistik. Während ihrer Zeit als Shopfloor-Führungskraft bei Beiersdorf und Tesla führte Alex Barber zwischen 30 und 45 gewerbliche Mitarbeitende. Auf dieser Basis arbeitet sie heute als Personal- und Organisationsentwicklerin mit dem Fokus, die Frontline – die Menschen ohne Schreibtisch – sichtbar zu machen und wirksam zu befähigen. Sie hält Keynotes (u. a. TEDxUniMannheim), hostet den Podcast „Sichtwechsel Schichtwechsel“ und wurde 2025 von Business Insider Deutschland als eine der Top 25 Zukunftsmacherinnen ausgezeichnet. Ihre Mission: eine menschenzentrierte, zugleich leistungsstarke Arbeitswelt auf dem Shopfloor – mit Co-Design, zielgruppengerechter Weiterbildung und klarer, moderner Führung.

Montag, 10. November 2025

Christmas Special des HR Innovation Days am 2. Dezember 2025 - Ein Blick auf das Programm







Unser Informations- und Diskussionsformal für interessierte junge und ältere HR Professionals erfährt jetzt eine weihnachtliche Neuauflage. Wie bereits 2019 und 2024 als „kleines“ Christmas Special. Hier folgt das Line-up der Weihnachtsausgabe des HR Innovation Days 2025


Dr Dieter Veldsman | Chief Scientist: HR & OD, Academy to innovate HR, www.aihr.com, Amsterdam/NL

Prof. Dr. Jörg Klukas, Professor Human Resources Management FOM und Geschäftsführer Empfehlungsbund

Lars-Eric Strenske, Founder@comptklar & Sr. Consultant@gradar


Wann/Wo:
2. Dezember 2025 ab 13:30 Uhr im Hörsaal für theoretische Physik
(Linnéstr. 5 in 04103 Leipzig)

Anmeldungen bitte über den folgenden Link oder per Mail. Danke!

https://www.linkedin.com/events/hrinnovationdaychristmasspecial7394269567293739008/

peter.m.wald@htwk-leipzig.de

Für wen:
Junge (und ältere) HR Professionals, Studierende mit dem Schwerpunkt Human Resources, an aktuellen HR- und Führungs-Themen Interessierte

Fragen/Anregungen:
per Mail  peter.m.wald@htwk-leipzig.de  oder  über LinkedIn  #HRInnoDay25

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Peter M. Wald, Fakultät Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen der HTWK Leipzig

Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen in Leipzig.