Freitag, 21. Februar 2014

HRM & IT & Social Media - Stoff für viele Gespräche

Den Voraussetzungen und Folgen des Einsatzes von Social Media im Personalmanagement und bei der Führung von Mitarbeitern gilt nach wie vor mein besonderes Interesse. Es freut mich deshalb sehr, Walter Gora und Sarah Erben von der Cisar GmbH zu ihren Erkenntnissen befragen zu können, die sie bei verschiedenen Untersuchungen in den letzten Monaten gewinnen konnten.

Wald: Mit großem Interesse habe ich im letzten Jahr von den Analysen der Cisar GmbH gehört und eine Reihe von interessanten Aussagen gefunden, zu denen ich mich gerne mit Ihnen austauschen möchte. Vielen Dank für die Möglichkeit dieses Gespräches. Zu meiner ersten Frage.

Wald: Ihre Aussagen zum IT-Einsatz in Personalbereichen („Trends im HR-Bereich“) haben mich erschüttert. Fast könnte man annehmen, dass es hier eine Verweigerungshaltung hinsichtlich der Nutzung neuer Lösungen gibt. Woher kommt dies? Liegt das evtl. an der vorhandenen Unzufriedenheit mit den existierenden Lösungen?
Gora: Die Umfrage hat gezeigt, dass ein gewisser Unwille besteht, moderne Software-Lösungen im HRM einzusetzen. Dies gilt speziell für alle IT-Lösungen, die über die reine Entgeltabrechnung hinausgehen. Dieser Unwille basiert meiner Erfahrung nach oft auf „altbewährten“, festgefahrenen Prozessabläufen. Mit der Digitalisierung dieser Prozesse ist oftmals auch ein Bedeutungsverlust verbunden. Diese Bedeutung wird durch Wissen erlangt, welches nicht übertragbar ist. Um es einfach auszudrücken: Sie kennen die Abläufe besser als jeder andere und sind damit unentbehrlich - warum sollten Sie dies ändern wollen? Denn durch die Digitalisierung und Automatisierung fällt diese Zentrierung von Wissen weg. Das negativste Beispiel war für mich war bislang ein Gespräch mit dem HR-Leiter eines Broker-Unternehmens, das ohne IT überhaupt nicht funktionieren würde. Der HR-Leiter war aber der Meinung, dass ein verstärkter IT-Einsatz (z.B. eine elektronische Personalakte) unwirtschaftlich sei, weil die HR-Sachbearbeiter nun mal Papier mehr mögen. Natürlich kann der Unwille IT verstärkt einzusetzen auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein. Die Umfrage hat jedoch gezeigt, dass diejenigen, die bereits IT-Lösungen im HR-Bereich einsetzen, größtenteils sehr zufrieden damit sind. Nicht jedem Unternehmen ist die Implementierung einer umfassenden HR-Lösung zu raten, aber man sollte nicht auf eine unvoreingenommene Analyse der Kosten und Nutzen verzichten, weil man einfach nicht will.

Wald: Eine andere Analyse bezog sich auf den Einsatz und die Wirkung sozialer Medien im HR–Bereich. Wo sehen Sie hier die wichtigsten Ergebnisse Ihrer Analyse?
Erben: Im Auftrag der ADP Employer Services GmbH haben wir in der Vergangenheit mehrere Analysen zu diesem Thema erstellt. Dabei hat sich 1. gezeigt, dass branchenübergreifender Handlungsbedarf besteht. Unternehmen der IT-Branche sind da nicht ausgenommen. 2. Social Media werden immer noch primär zur Weitergabe von Informationen genutzt und nicht zum Dialog - kollaborative Ansätze sind nur selten zu finden. Für viele Unternehmen stellt sich die gezielte Interaktion mit der Zielgruppe als schwieriger heraus, als zunächst angenommen. Werden die oftmals hochgesteckten Ziele nicht erreicht, schwindet der Enthusiasmus schnell und zurück bleiben unregelmäßige Posts, die wenig Mehrwert bieten. Dieser Teufelskreis führt uns zu einem weiteren Ergebnis unserer Analysen: Hinter dem Social Media-Einsatz im HRM steht nur selten eine Strategie. Eine strategische Auseinandersetzung mit dem Thema würde jedoch dazu führen, dass Aktivitäten nicht nur ganzheitlich, sondern auch langfristig angegangen werden.

Wald: Woran liegt es, dass die Unternehmenshomepage immer noch die erste Anlaufstelle für Interessierte ist? Darüber können sich Bewerber zwar informieren, aber die Kommunikationsmöglichkeiten sind doch sehr beschränkt.
Gora: Die Website eines Unternehmens erfüllt einen anderen Bedarf als es die sozialen Medien tun. Die Unternehmensseiten bieten eine Fülle an Informationen, aber in aller Regel - wie Sie schon sagen - wenige Möglichkeiten zur Interaktion. Als (potenzieller) Bewerber informiere ich mich hier über das Angebot und die Leistungen des Unternehmens und lasse die Corporate Identity auf mich wirken. Schafft es das Unternehmen mein Interesse zu halten und mich nicht durch veraltete Stellenanzeigen oder eine unpersönliche Ansprache zu vertreiben, dann möchte ich die Möglichkeit haben, mich schnell und unkompliziert mit meinen Fragen an jemanden zu wenden. Da kommen Social Media-Anwendungen ins Spiel. Ob Facebook, Blog oder Chat – sie sollten nur einen Klick entfernt sein. Dieser Klick sollte sich dann aber auch lohnen. Ich sehe hier also keine Konkurrenz zwischen der Unternehmenswebsite und dem Social Media-Auftritt, sondern eher eine Chance der Ergänzung.

Wald: Interessant fand ich die Aussagen zum Themenbereich Social Media-Einsatz im HRM. Danach sehen Personalverantwortliche den primären Nutzen der Social Media im Recruiting. Ist dies wirklich alles? Was meinen Sie?
Erben: Social Media ist mehr als Facebook, Xing und werkenntwen. Die Möglichkeiten, die sich Unternehmen zum Beispiel intern eröffnen werden oftmals gar nicht bedacht. Strategische Themen wie Talent Management, Personalentwicklung, Employer Branding, sowie die Unternehmens- und Führungskultur, sind dabei nur einige, die durch Social Media-Anwendungen effektiver und flexibler gestaltet werden können. Die Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern ist wichtig, aber auch deren Bindung und Entwicklung. Daher sollten die Potenziale, die der Social Media-Einsatz in diesen Bereichen bietet, nicht übersehen werden.

Wald: Der Einsatz von Social Media über das Recruiting hinaus wird m. E. nicht häufig und auch nicht systematisch genug betrieben. Worauf ist dies zurückzuführen?
Gora: Das Finden qualifizierter Mitarbeiter hat in vielen Unternehmen Priorität und entsprechend ist der Fokus, den das HRM in den sozialen Medien setzt, nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt nachhaltig. Gründe kann es dafür viele geben: Eine noch ungenügende Auseinandersetzung mit den Potenzialen, die der Social Media-Einsatz bietet, ein Mangel an personellen und finanziellen Kapazitäten, aber auch das Wagnis „Neuland“ zu betreten schreckt viele ab. Hinzu kommt, dass für die meisten HR-Verantwortlichen die sozialen Medien nicht zu ihrer Lebenserfahrung zählen und damit hohe mentale Hürden bestehen.

Wald: Sie sprechen auch von einem Paradigmenwechsel, der den Arbeitnehmern eine steigende Verhandlungsmacht zuspricht. Wie sollten die Unternehmen auf diese Entwicklung reagieren?
Gora: Unternehmen sollten sich bewusst werden, dass das Finden qualifizierter Mitarbeiter in Zukunft schwieriger und damit auch teurer wird. Der Paradigmenwechsel zeigt sich in dem zunehmenden Druck, verstärkt um Mitarbeiter werben zu müssen - das gilt sowohl für neue als auch für langjährige Mitarbeiter. Werben heißt dabei auch, dass man auf die Anforderungen und die Erwartungen der Zielgruppe eingeht. Ich bin kein Verfechter einer strikten Einteilung von Eigenschaften entsprechend der Generationszugehörigkeit, aber klar ist, dass sich die Anforderungen an den Arbeitgeber wandeln. Entsprechend müssen sich auch die Unternehmensinternen und -externen Aktivitäten anpassen.
Erben: Die emotionale Bindung spielt z.B. eine wichtige Rolle. Man trennt sich nur ungern von einem Unternehmen, das „gut“ zu einem ist, wenngleich die Konkurrenz ein besseres Angebot auf den Tisch legt. Auch wenn die Loyalität zum Arbeitgeber heute nicht mehr so gelebt wird wie damals, ist sie nicht irrelevant. Eine emotional positive Bindung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen birgt sogar mehrere Vorteile: Motivierte und engagierte Mitarbeiter, ein positives Unternehmensklima, die Arbeitgeberattraktivität steigt und die Fluktuation sinkt.
Es lohnt sich also, sich um seine Mitarbeiter zu bemühen.

Wald: In der HR-Community wird derzeit heftig über die Nutzung und den „wahren“ Wert von Social Media gestritten. Sind Social Media doch nur ein Hype, der mehr oder minder spurlos an den Unternehmen und den Personalbereichen vorbeigehen wird?
Erben: Das Ende des „Social Media-Hypes“ wird aktuell gerne deklariert, dabei habe ich nicht das Gefühl, dass Social Media im HRM schon angekommen ist. Damit möchte ich gar nicht auf die Nutzerzahlen hinaus, sondern auf die Nutzungsweise. Immer wieder liest man die Schlüsselbegriffe: Dialog, Authentizität, Zielgruppen, Content, Mehrwert etc. Auch wir weisen immer wieder darauf hin, aber das ist einfach gesagt und wird selten getan.
Gora: Ich würde auf keinen Fall das Ende von Social Media im HRM einläuten - ganz im Gegenteil. Ich gehe davon aus, dass es noch eine Weile braucht, bis der Einsatz insoweit professionalisiert ist, dass er auch einen nachhaltigen Nutzen generiert.

Wald: Herzlichen Dank für die interessanten Informationen. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg und freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion zum Themenfeld "Social Media und Führung".

Meine Gesprächspartner waren:

Prof. Dr. Walter Gora ist Geschäftsführer der Cisar - consulting and solutions GmbH sowie Leiter Forschungsgruppe "Digitaler Mittelstand" am Institute of Electronic Business (Berlin). Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen strategische Analysen, speziell im Führungs-, Organisations-, Sicherheits- und IT-Bereich, die Prozessberatung, die Erstellung und Umsetzung von Controlling-Konzepten, Unterstützungsleistungen im Bereich des Projektmanagements sowie Themen im Bereich des eGovernments und des mobile Business.


Sarah Erben | MSc ist seit 2012 Consultant bei der Cisar GmbH. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Prozessberatung und -optimierung. Inhaltliche Schwerpunkte sind dabei der professionelle Social Media-Einsatz und Themen rund um das HRM 2.0 (u.a. Bewerbermanagement, Personalentwicklung, Personalmarketing).


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