Montag, 1. September 2014

Ganz nach meinem Geschmack - Das Septemberheft von BrandEins

Eine schöne Frage für viele Chefs dieser Welt. Doch was bedeutet eigentlich Arbeit für uns? Mit anhaltendem Interesse lese ich gerade das spannende Septemberheft von BrandEins mit dem Schwerpunkt Arbeit. Einige bemerkenswerte Beiträge möchte ich kurz vorstellen, insbesondere weil diese als Lesestoff für gestandene und künftige Personaler dienen können.

Beginnen möchte ich mit dem Beitrag "Gemeinsam sind wir stärker" über die Gründung einer Genossenschaft in Manchester in den Zeiten der industriellen Revolution. Es ist interessant zu lesen, wie es damals gelungen ist, unter großen Schwierigkeiten eine Genossenschaft zu gründen und welche Lösung die Gründer gefunden haben, um Käufer und "Genossen" am Erfolg zu beteiligen.

Erstaunt war ich vom Bericht über die Internet-"Davids" in Tschechien (seznam.cz; mall.cz). Bislang können diese die Goliaths offensichtlich in Schach halten. Es bleibt abzuwarten, welche Bedeutung der tschechische Markt für Google und Amazon letztlich besitzt und wie diese die international übliche Marktdominanz erreichen werden.

"Gute Arbeit" ist das Thema im Einleitungsteil zum Themenschwerpunkt (ab Seite 32). Leider kann ich nicht alles kommentieren. Nach einer hier zitierten INQA-Studie (2008) bedeutet gute Arbeit vor allem ein festes, verlässliches Einkommen, Sicherheit des Arbeitsplatzes; aber Arbeit soll auch Spaß machen und die Befragten wollen als Menschen behandelt werden. Daneben steht der zunehmend Wunsch nach der Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und nach Möglichkeiten zur Mitsprache - also die neuen Erwartungen der Mitarbeiter, die nur zum Teil dem klassischen Arbeitsbild des Industriezeitalters entsprechen. Hier muss die Frage nach "guter Arbeit" anders beantwortet werden. Es ist wichtig, gute Arbeit als sinnvolle Arbeit zu verstehen, bei der ein Ergebnis = das "Werk" entsteht. Dieses "Werk" kann dem Individuum Zufriedenheit und Stolz auf das Erreichte vermitteln. Somit ist auch die folgende Aussage richtig: "Jobs sind okay, aber keine Arbeit". Individuen sollen über die Gelegenheit verfügen über ihre Arbeit zu reflektieren. Der Kritik an der oft einseitigen Orientierung auf Erwerbsarbeit schließe ich mich an. Es gibt heute vielfältige Formen der Arbeit, die weit über die gewohnte Erwerbsarbeit hinausreichen. Das im Text erwähnte Buch von Catharina Bruns ("Work is not a job") werde ich unbedingt lesen. Eine gute Zusammenfassung liefert das Zitat von Joseph Conrad: "Arbeit mag ich nicht - kein Mensch mag sie -, doch ich mag, was in ihr steckt: die Möglichkeit, sich selbst zu finden".

Unter der Überschrift "Das halbe Leben" wird das Thema Arbeit aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Svenja Hofert (die ich als Autorin und Bloggerin sehr schätze) wurde im Interview nach den Erwartungen, die Menschen an ihren Arbeitplatz haben, gefragt. Sie beurteilt das Konzept "New Work" als faszinierend, beschreibt die Erwartungen der Menschen jedoch als eher unspektakulär. Damit holt sie bestimmt viele auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich stimme ihr weitgehend zu, gehe aber davon aus, dass es viele Menschen gibt, die einen Sinn in ihrer Tätigkeit suchen und finden. Ansonsten räumt Svenja Hofert mit vielen Mythen auf, dies betrifft vor allem die häufig zitierten Eigenschaften der Generation Y ("Selbstbewusstsein", "Gestaltungswillen") aber auch den Mythos des Fachkräftemangels. Dies wird Martin Gaedt bestimmt freuen.

Auch der Zahlenteil (ab Seite 54) verdient einen intensiven Blick - zum Beispiel was die Angaben zum Rentenbeginn in verschiedenen Ländern, zu den Berufspendlern, zum Geschlechterverhältnis und zum Themenbereich Unternehmensgründung betrifft. Bemerkenswert auch die letzte Information. Es geht um die Zahl der Anzüge, die ein Manager in seinem Berufsleben kauft = 115 bis 120. Diese Zahl werde ich nicht, aber Barney Stinson bestimmt toppen.

Lesenswert ist das anschließende interview mit der Ökonomin Isabell Welpe zum Wettbewerb der Systeme bzw. zu den Möglichkeiten zur Demokratisierung von Unternehmen. Hier wird an die sich aufgrund der Digitalisierung ergebenden technischen Möglichkeiten abgestellt. Auch wenn in diesem Kontext der Brückenschlag zu den häufig zitierten Firmen (Gore, Semco, Mondragón) sehr bemüht erscheint, begründet Isabell Welpe ihren Ansatz einer repräsentativen Demokratie in den Unternehmen (= Wahl der Vorgesetzten). Sie erklärt auch die Möglichkeit, ein solches Amt befristet ausüben als Fortschritt und beschreibt, dass hier eine Befristung durchaus als Anreiz verstanden werden kann. Die von ihr erwähnten Möglichkeiten zur Bewertung von Managern existieren bereits. Doch warum sollten sich Firmen darauf einlassen? Nach Isabell Welpe bringen diese Systeme eine höhere Kreativität und eine höhere Widerstandsfähigkeit mit sich. Interessant erscheint mir, diesen Gedanken aus Sicht der Umsetzung und erster Erfahrungen zu betrachten. Was wird die Wahl und eine ggf. befristete Ausübung einer Führungsaufgabe für die Betroffenen (Führungskräfte und Mitarbeiter) bedeuten.

Der Blick auf die Arbeit in anderen Ländern (Korrespondentenberichte - ab Seite 76) ist aufschlussreich. Hier nur einige Sätze zur Situation in Norwegen: "Es geht deutlich ruhiger zu als in Deutschland" und "Dass man (bei flachen Hierarchien) miteinander auskommen muss" hat einen hohen Stellenwert.

"Die Unsichtbaren" ein Interview mit Philipp Stab und Friederike Baal zum sogenannten Dienstleistungsproletariat vermittelt einen klaren und fundierten Blick auf diesen Bereich. Die Vertreter dieser Arbeitnehmergruppe (12% der deutschen Arbeitnehmer) arbeiten hauptsächlich in der Gebäudereinigung, im Post- und Paket-Service, in der Logistik, der häuslichen Pflege und bei Sicherheitsdiensten. Bei diesen Tätigkeiten ist eine laufende Abwertung der Qualifikationen festzustellen. Mit Hilfe von Standardisierung, Universalisierung und Verdichtung der Arbeit erfolgt eine anhaltende Rationalisierung. Es wird festgestellt, dass diese Dienstleistungen bzw. die Dienstleistenden heute nahezu unsichtbar geworden sind. Beispielsweise ist eine Beratung beim Einkauf nicht mehr gefragt. Es ist gut, dass mit diesem Beitrag gelingt, für eine höhere Sichtbarkeit zu sorgen. Bemerkenswert und für mich unbefriedigend ist die letzte Frage des Interviews: Weshalb tun sich die Beschäftigten das überhaupt an, da sie doch kaum mehr, ja teilweise sogar weniger verdienen als jemand, der Arbeitslosengeld zwei bezieht? Die Antwort: Was wäre die Alternative? Auch eine schlechte Arbeit strukturiert immerhin den Tag.

Auch ganz praktische Erfahrungen lassen sich in den Beiträgen finden: Wie handhabe ich das letzte Gespräch mit einem Mitarbeiter (Seite 107)!?, d. h. wie agiere ich als Führungskraft in Kündigungsgesprächen.

Jetzt bin ich auf Seite 107 angelangt. Wie Sie sehen, habe ich leider noch nicht das ganze Heft geschafft. Es gibt bestimmt noch weitere interessante Beiträge. Dazu werde mich noch einmal melden.

Erst einmal viel Spaß beim Lesen und Nachdenken ... und einen guten Start in die Woche wünscht

Peter M. Wald







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