Montag, 10. Februar 2020

Personaler als Netzwerker - Realität oder Illusion?

Um es vorsichtig zu sagen: Viele Personaler sind Netzwerkmuffel. Nicht nur aus diesem Grund ist das Thema „Soziale Netzwerke, Blogging und HR“ ein passendes Thema für eine Blogparade und eine Diskussion, die m.E. unbedingt geführt werden muss. Mich und viele andere Personaler beschäftigt das Thema Netzwerkende Personaler oder besser das Nicht-Netzwerken vieler Personaler seit Jahren und führt zu sich häufig wiederholenden Erlebnissen, die mittlerweile aus meiner Sicht den Charakter von Mustern tragen. Um dies zu erklären, muss ich jedoch etwas weiter ausholen.

Muster 1: Diskussionen zu Akzeptanz und zum Einfluss der Personaler 

Immer wieder beklagen Personaler ihre geringe Akzeptanz und ihren schwachen Einfluss im Unternehmen. Dabei liegt die Lösung doch auf der Hand: Konsequentes Netzwerken mit den Akteuren im eigenen Unternehmen ebenso wir kluges Netzwerken mit Wissens- und Erfahrungsträgern außerhalb des Unternehmens. Digitale Hilfsmittel - wie die hier thematisierten sozialen Netzwerke oder Communities und Blogs bieten dafür vielfältige Möglichkeiten. Wiederholt habe ich jedoch den Eindruck gewinnen müssen, dass viele Personaler dafür weder die entsprechende Bereitschaft noch die nötige Offenheit mitbringen. Woran dies liegt? Die Gründe dafür sehe ich im Glauben an die Vorteile einer selbst gefundenen Lösung aber auch in einer gewissen Bequemlichkeit Grenzen zu überschreiten. Verstärkt wird dies durch die Gewohnheit vieler Unternehmen, „Personalthemen“ ausschließlich an hauseigene Experten zu delegieren. Nur wenige Personal-Aufgaben werden gemeinsam bewältigt. Die Vorteile von Netzwerken, wie der rasche Gewinn und die Verteilung aktueller Erkenntnisse zählen hier offensichtlich nicht. Für mich ist dies unverständlich. Als Lehrender an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften bin ich auch immer Lernender und halte das Netzwerken mit Personalern für unverzichtbar. Ich möchte zum Beispiel über die Implikationen der Digitalisierung in meinem Fachgebiet nicht zeitversetzt in Zeitschriften oder Büchern lesen (oder bei Reisen ins Silicon Valley erfahren), sondern durch eigenes Tun erleben. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sind der Ausgangspunkt für Überlegungen und Diskussionen.

Muster 2: Soziale Netzwerke und Blogs werden, wenn überhaupt, nur flüchtig beachtet

Das Finden aktueller Meinungen und neuer Erkenntnisse wird über die Nutzung sozialer Medien - bei mir ist dies vorzugsweise Twitter - ungemein erleichtert. Insbesondere aus den Kommentaren und der Diskussion neuer Themen lassen sich relevante Schlüsse ziehen. Blogs bieten aktuelle Erkenntnisse und Bewertungen ohne nennenswerte Zeitverzögerung. Für detaillierte Statements greife ich gern auf Posts einschlägig bekannter Blogger meines Fachgebiets zurück. Die Bedeutung sozialer Netzwerke und von Blogs steht für mich deshalb außer Frage. Bereits im Jahr 2010 habe ich mich mit Studierenden mit HR-Blogs (Siehe Beitrag dazu in Personal 7-8/2011) beschäftigt. In diesem Zusammenhang kann ich meinem geschätzten Blogger-Kollegen Herwig Kummer nur zustimmen. Die Bedeutung sozialer Netzwerke, von Communites und von Blogs für unsere HR-Profession wird viel zu wenig diskutiert. Dabei können diese Medien für Transparenz sorgen, die Sichtbarkeit der Personaler erhöhen und Möglichkeiten zum einfachen Vernetzen schaffen. Ohne unsere HR-Black-Box oder das Schneckenhaus „HR“ zu verlassen, wird dies jedoch nicht funktionieren.

Für mich ist es deshalb auch jedes Mal schwer zu verstehen, dass bei verschiedenen HR-Events junge Teilnehmer*innen eifrig schriftliche Notizen machen oder dass Personaler, die oft mehr als 20 Jahre jünger sind, versuchen, mir eine Visitenkarte aufzudrängen. Manchmal verweise ich beispielsweise auf die Vorteile von Twitter - wie rasche Einblicke in laufende Diskussionen, Tweets mit den aktuellen Slides, Links zu anderen Ressourcen oder auch die Möglichkeit zum Kuratieren von Tweets. Doch leider bleibt es fast immer bei den Angesprochenen bei einer erkennbaren Social Media- und Netzwerk-Faulheit!?

Muster 3: Weiterbildungsmüdigkeit (?) und/oder die Bevorzugung klassischer Formate bei der Weiterbildung

Vor allem Personaler benötigen ein ständiges Update ihrer Kenntnisse. Die aktuellen Veränderungen bringen laufend neue Anforderungen an Einsichten und Vorgehensweisen der Personaler mit sich. Hinzu kommt der Druck auf viele Personaler (v.a. die Recruiter) schnell „spürbare“ Ergebnisse liefern zu müssen. Gerade in diesem Spannungsfeld sind neue Erkenntnisse und Erfahrungen anderer Personaler unverzichtbar. Insgesamt kann ich die Einschätzung von Henner Knabenreich in seinen Recruiting-Trends für 2020 nur bestätigen, dass „viel brach (liegt) im HR“ und auch, dass bei der Ausbildung häufig nur die Grundlagen vermittelt werden können. Eine gezielte Weiterbildung ist deshalb unabdingbar. Leider ist es jedoch oft so, dass Weiterbildung eher klassisch gesehen wird. Der Besuch von klassischen Konferenzen und Seminaren steht im Vordergrund. Dabei habe ich 2019 leider häufig feststellen müssen, dass die hier vermittelten Inhalte bei weitem nicht dem entsprochen haben, was aktuell in den Netzwerken diskutiert wurde. Deshalb folgt auch hier meine nachdrückliche Empfehlung, sich zu vernetzen sowie Blogs und andere Medien umfassend zu nutzen. Neben diesen Online-Angeboten gibt es mittlerweile auch viele neue Offline-Möglichkeiten zur Vernetzung. Hier erinnere ich gern an den Klassiker der innovativen HR-Formate - das HR BarCamp in Berlin, das in diesem Jahr bereits zum neunten Mal stattfindet. Als Vernetzungsangebot sehe ich auch „mein“ Event, den HR Innovation Day, den wir seit 2012 und seit 2018 mittlerweile zweimal im Jahr anbieten.

Ausblick: Personaler als Netzwerker und Beziehungsmanager – Zum künftigen Selbstverständnis der Personaler

Netzwerke und Communities von Personalern bilden aus meiner Sicht auch ideale Orte, um Soft Skills zu entwickeln. Sie sind Lernräume, um zu erleben, wie Beziehungsaufbau und -pflege funktionieren. Hier die können Kompetenzen entwickelt werden, die für den künftigen Erfolg von Personalern unverzichtbar sind. Wie das Netzwerken bei Personalern konkret funktionieren kann, zeigen aktuelle Initiativen in den Bereichen des Personalmanagements, wo zum Beispiel der Bedarf an neuen Ideen und fundierten Arbeitsweisen sehr groß ist. Ich will hier u.a. auf Thimo Fries und die Recruiting Rebels aber auch auf die HR Rookies verweisen. Auch eigene Studien – wie die gemeinsam mit C. Athanas 2018 erstellte Recruiter Experience Studie zeigen einen deutlich erkennbaren Wunsch der Recruiter sowohl nach nachhaltigem Netzwerken mit den Kandidaten als auch mit HR-Kollegen.

Das Agieren in Netzwerken aber auch der Aufbau und die Pflege von Netzwerken und Communities wird zunehmend zum Erfolgsfaktor einer modernen Personalarbeit. Soziale Netzwerke, Blogging und HR sehe ich künftig als untrennbaren Zusammenhang! Über die konkrete Umsetzung sollte jedoch häufiger diskutiert werden. Ich freue mich über Ideen, wie Personaler nachdrücklicher als bisher zum Mitwirken und Mitgestalten ermuntert werden können. 

2 Kommentare:

  1. Hm,

    wer mich jent weiß, dass ich an sich nicht im Verdacht stehe, a-digital zu sein.

    Und ich finde Visitenkarten und Mitschreiben per se ganz nützlich. (auch um es säter digital zu verarbeiten.) ... auch wenn ich schon mit Liveblogging angefangen habe, bevor es Twitter und allgegenwärtige WLANs gab.

    Mir hat mal eine Personalerin Gesagt (als ich HRler zu einem HRlunch einlud und nur eine Studierende sich anmeldete), dass HRler dem Wissenssharing abgeneigt seien, da ja jeder andere HRler potentiell der feind in der Konkurrenz um Kandidaten ist. das ist natürlich ein recht Innovationsfedliches Mindset.

    Andererseits erlebe ich, dass HRler Werkzuege wie XING und Linkedin sehr wohl einsetzen, um Kandidaten zu jagen. entsprechend sind dann oft die eigenen Profile nicht so, dass die Kandidaten Lust zum Dialog kriegen. Hoffen wir, das HRcamps da helfen ;)

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  2. Hallo Herr Prof. Wald,

    kluge Analyse. Da kann ich voll zustimmen.
    Eine noch schärfere Ausgangslage findet sich im öffentlichen Dienst. Wie viele Personaldezernenten oder Führungskräfte der Personalabteilung spielen die Klaviatur der sozialen Netzwerke bzw. Blogging?
    Gleichzeitig wird massiv über Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst beklagt. Anscheinend reicht der Druck noch nicht zur Kurskorrektur.

    Salü
    Rolf Dindorf

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