Um hier neben den Erfahrungen über persönliche Kontakte hinaus auch aktuelle Informationen liefern zu können, fällt mein Blick konsequenterweise auf frische Studien zum Personalmanagement. Hinter vielen dieser Studien stecken Vertriebsgedanken, einige liefern jedoch interessante Einblicke und Hinweise auf Handlungsbedarf sowie kritische Aspekte der Personalarbeit. Heute habe ich den „HR Transformation Report 2022“ von NTT DATA im Blick und werde dazu Fragen an eine der Autorinnen richten. Ich freue mich, dass mir dafür Gina Schreiber - Lead Consultant | Talent + HR Transformation Consulting bei NTT DATA - zur Verfügung steht.
Wald: Liebe Frau Schreiber bereits an dieser Stelle vielen Dank für die Möglichkeit Ihnen zu dieser Studie einige Fragen stellen zu können. Aber vornweg die Bitte, NTT DATA etwas näher vorzustellen.
Schreiber: NTT DATA ist Teil der NTT Group mit über 310.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in über 88 Ländern, Hauptsitz in Japan und einem Umsatz von über 109 Milliarden US Dollar. Als einer der führenden Wegbereiter für eine lebenswerte Zukunft in einer vernetzten Gesellschaft kümmert sich NTT DATA um die Wertschöpfungs- und Prozessketten von Unternehmen. Wir sind eine IT- und Transformationsberatung mit Sitz in München, welche sich Business Transformationen aller Art annimmt und mit Beratern begleitet, die ihre Erfahrung in enger Zusammenarbeit mit den Kundinnen und Kunden individuell in Projekte einbringen.
Wald: Ist diese Studie ein Erstlingswerk oder haben Sie bereits in den vergangenen Jahren die Personalarbeit in verschiedenen Unternehmen mittels Studien betrachtet?
Schreiber: Für uns als IT Beratung, ist der HR Bereich tatsächlich ein eher neues Spielfeld, daher freuen wir uns, dass alles so reibungslos geklappt hat und wir auch schon aktiv am Markt auf unsere Studie angesprochen wurden. Ich persönlich finde es sehr wichtig die gelebte Praxis zu hinterfragen, Strukturen und Tendenzen heraus zu arbeiten, um einfach auch authentisch auftreten zu können. Die 30 inhaltlichen Fragen, deren Beantwortungen die Grundlage für unseren Report darstellen, sind Fragen, die wir uns selbst im Team oft gestellt haben und die auch unsere Kunden immer wieder stellen. Wir waren lange auf der Suche nach entsprechenden Zahlen und Daten für den DACH Markt. Wir konnten einfach nicht greifen wie es in den HR Abteilungen durch Corona etc. aussieht. Schließlich haben wir uns dazu entschlossen für uns und unsere Kunden eine tiefergehende Recherche vorzunehmen und haben innerhalb von nur 12 Wochen diesen Report erstmalig herausgebracht. Aufgrund der bewährten Methodik und den Zugriff auf das HR-Panel, wird es aber bestimmt nicht die letzte Ausgabe sein.
Wald: Digitale Transformation ist ein häufig benutzter Begriff. Was bedeutet aus Ihrer Sicht digitale Transformation in Personalbereichen? Lassen sich hier Schwerpunkte benennen?
Schreiber: Wir sehen die digitale Transformation im Personalbereich allgemein als einen Veränderungsprozess um Mehrwerte für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie für das Personalmanagement zu schaffen. In unseren Recherchen zum Transformation Report hat sich dabei vor allem gezeigt, dass Digitale Transformation eine Talent Transformation hervorruft. Die Geschäftsmodelle und damit die Fähigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Markt werden immer digitaler. Damit steigen ihre Erwartungen an einen der wichtigsten Bezugspunkte im Unternehmen, den Personalbereich. Man muss sich vorstellen, dass die Generation Z damit aufwuchs, dass Bestellungen von heute auf morgen geliefert werden, Informationen in Sekundenschnelle verfügbar sind. Diese Erlebnisse erwarten sie auch von Unternehmen. Leider sehen sich nur knapp 4 Prozent der HR-Beschäftigten als Key Player in digitalen Transformationen. Im Moment sind viele Unternehmen dabei ihre Personaldatensysteme umzustellen, was schonmal eine wichtige Grundlage bildet. Perspektivisch sehen wir aber eine digitale Transformation des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus als notwendig an, um den Bedürfnissen der nachfolgenden Generationen gerecht werden zu können. Darüber hinaus ergibt sich die Chance für der Personalerinnen und Personaler, lästige Verwaltungsaufgaben zu automatisieren und somit an Software Tools abzugeben. Dies verschafft ihnen mehr Zeit sich auf strategische und beratende Personalarbeit zu konzentrieren.
Wald: In Ihrem Report erwähnen Sie auch das „Target Operating Model einer HR-Abteilung“. Was verbirgt sich dahinter?
Schreiber: Das Target Operating Model, kurz TOM, ist das „Zielbetriebsmodell“ und dient der Definition und Dokumentation der Optimierungsstrategie der HR-Funktion im Unternehmen. Es umfasst mehrere Dimensionen: Diese betreffen die HR-Prozesse, die HR-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und die Infrastruktur der HR Organisation. Das Target Operating Model stellt die Verbindung zwischen Vision und HR-Strategie, sowie der Organisationsstruktur dar.
Wald: Welche Bedeutung schreiben Sie dabei dem Konzept Employee Experience bzw. der Employee Centricity zu?
Schreiber: Employee Centricity steht im Mittelpunkt der transformativen Aktivitäten, denn jeder einzelne Mitarbeiter und jede einzelne Mitarbeiterin bildet sich täglich eine Meinung zu seinem Arbeitgeber, seiner Führungskraft und allen weiteren Berührungspunkten, auch der HR-Abteilung. Mithilfe einer mitarbeiterzentrierten Führungsweise beeinflusst der Vorgesetzte zum Beispiel direkt die Motivation und das Engagement seiner Mitarbeitenden. Alle Veränderungen im HR-Bereich sollen daher darauf abzielen, die Employee Experience – also die Erfahrung, die der Mitarbeitende mit seinem Arbeitgeber und im Rahmen seines Arbeitsalltags macht – maximal zu optimieren. Dies betrifft nicht nur reibungslose Prozesse, sondern insbesondere auch kulturelle Hygienefaktoren im Unternehmen, die sich konkret in den Bereichen Mitarbeitenden Enablement und Leadership widerspiegeln.
Wald: Die Erfolge der digitalen Transformation in den Personalbereichen dürfte mMn nach sehr stark von der jeweiligen Branche und der Unternehmensgröße abhängen. Lässt sich dies anhand der Studienergebnisse bestätigen?
Schreiber: Der Erfolg einer Transformation ist tatsächlich gänzlich unabhängig von der Unternehmensgröße. Was wir aber konsequenterweise herausfinden konnten ist, dass erfolgreiche Unternehmen am Markt (Marktführer, stark wachsende Unternehmen, begehrte Arbeitgeber) ihre HR-Abteilungen transformiert haben bzw. damit begonnen haben. Die Ergebnisse bestätigen einen klaren Zusammenhang zwischen Unternehmenserfolg und einer digitalen Transformation im Personalwesen. Darüber hinaus bescheinigen erfolgreiche Unternehmen eine definierte HR-Strategie zu verfolgen, welche fundamentaler Bestandteil der Business Strategie ist.
Wald: Sie betrachten in Ihrer Studie auch den Stand der Agilität in den HR-Abteilungen. Was bedeutet für Sie Agilität in den HR-Abteilungen?
Schreiber: Aus meiner Sicht reden wir bei Agilität von 3 Dingen: Agile Methoden, also der „Werkzeugkasten“ den die Agilität bietet, Agiles Mindset, was uns flexibler auf Unsicherheiten reagieren lässt und agile Organisationsstrukturen. Agile Methoden bieten die Möglichkeit HR Prozesse flexibel, unkompliziert und automatisiert zu gestalten. Das ist genau das, wenn man es mit den einleitenden Worten verknüpft, was die HR-Abteilung braucht, um die Schnelligkeit der neuen Generationen aufnehmen zu können. Das agile Mindset ist seit der Pandemie eine Grundvoraussetzung in fast allen Unternehmensbereichen geworden, Stichwort VUCA-Welt. Es lässt uns besser mit der Unsicherheit umgehen, dass morgen auf einen Schlag alles anders sein könnte.
Wald: Müssen HR-Abteilungen eigentlich zu 100% agil arbeiten?
Schreiber: Der Grad der Agilisierung und der Mix dem man sich aus Methoden, Mindset und Organisation zu eigen macht, bestimmt jede HR-Abteilung selbst. Sicherlich hängt dies von dem Grad der Agiliserung in den jeweiligen Business Bereichen, mit denen man zusammenarbeitet, ab. Es gibt hier aber keine vorgegebene Prozentzahl. Wichtiger ist uns in unseren Beratungsprojekten solche Punkte mit den Kunden gemeinsam zu durchdenken und sicherzustellen, dass eine nachhaltige Transformation hin zu neuen Arbeitsweisen stattfinden kann mit denen sich die HR-Abteilung wohlfühlt und die sie auch durchhält, bei all den Regulierungen denen HR weiterhin ausgesetzt ist (Gesetze, Fristen und Mitbestimmung, um nur ein paar zu nennen).
Wald: Interessant halte ich Ihre Aussagen zu den teilweise mangelhaften digitalen und methodischen Fähigkeiten in den Personalbereichen? Was muss hier in der nächsten Zeit passieren?
Schreiber: Die digitale Transformation im Personalbereich unterstreicht den Paradigmenwechsel und die veränderte Sichtweise auf die Rolle, welche die HR Funktion im Unternehmen einnehmen soll. Der Personalbereich ist nicht nur Dienstleister im Unternehmen, sondern strategischer Partner auf allen Ebenen des Unternehmens, dessen Kernaufgabe darin liegt, das Potential der Menschen im Unternehmen zu erkennen und kennen, zu unterstützen, zu fördern und mit dem Business zu verbinden. Diese neue Rolle muss erlernt werden, daher haben wir die Beschäftigten im Personalwesen befragt, inwieweit schon Reskilling oder Upskilling Modelle für die HR-Abteilungen der Zukunft aufgebaut wurden. Das ist wichtig, denn die ganzheitliche Transformation und Befähigung der HR-Abteilungen hin zu agil und digital, muss gut geplant und durch Change Management Aktivitäten gestützt werden. Die Kommunikation und das gemeinsame Erarbeiten des neuen Zielbildes sind dabei zentral. Der Einsatz digitaler Medien dient dem Zweck die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in HR zu enablen und es muss ein Verständnis dafür wachsen, wie man diese bestmöglich einsetzt.
Wald: Interessant fand ich die Aussagen zu den HR-Rollen. Könnten Sie diese Rollen etwas näher beschreiben? Wie haben Sie hier eine Zuordnung vorgenommen? Wie steht es um die Weiterentwicklung dieser Rollen?
Schreiber: Wir haben uns hierbei am Harvard Business Review „21 HR Jobs of the Future“ (https://hbr.org/2020/08/21-hr-jobs-of-the-future) orientiert und die Existenz in den Unternehmen abgefragt, um einen kurzen Check bezüglich des Bewusstseins in diese Richtung vorzunehmen. Unser Platz 1 der „Human Network Analyst“ wurde dort eher als aufstrebende Zukunftsrolle identifiziert, was für uns selbst überraschend war. Der Platz 2 der „HR Data Detective“ wiederum trifft genau den Zahn der Zeit, denn die strategisch immer wichtiger werdende Ressource der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird zunehmend auch für wichtige Business Entscheidungen herangezogen. Dies erklärt den Datenfokus im aktuellen HR-Geschehen. Genauso wie der „Work from Home Facilitator“ seinen Ursprung im Pandemiegeschehen hat. Man sieht hieran jedoch ganz klar, dass die Veränderung gekommen ist, um zu bleiben und wir sind sehr sicher, dass die vielen HR-Transformationen, die jetzt anstehen genau solche Handlungsfelder aufdecken werden und wir bald schon diese Rollen vorfinden werden.
Wald: Eine wichtige Frage zum Ende unseres Gesprächs. Wie bewerten Sie den Stand der Personalarbeit insgesamt? Wo sehen Sie die größten Erfolge? Wo gibt es den größten Handlungsbedarf?
Schreiber: Unser Ansatz ist immer ein ganzheitlicher. Das klingt jetzt so groß und aufwendig, man kann aber auch ganzheitliche HR-Transformation in kleinen Schritten machen. Bei der Bewältigung der Herausforderungen, die vor allem mit der Digitalisierung zusammenhängen, spielen alle Administrationsbereiche eines Unternehmens und das Business eine Rolle. Ziel des Ganzen muss es sein, die Selbstwahrnehmung von HR zu stärken und gleichzeitig die Wahrnehmung von HR im Unternehmen als strategischer Partner des Business und Enabler. Ein HR-Thema ist heutzutage auch ein IT und ein Business Thema. Wir holen in unseren Workshops und Kundenprojekten immer alle Stakeholder von Anfang an den Tisch und besprechen das Problem aus Sicht des Mitarbeitenden. Unsere Aufgabe ist dann zudem die aktive Change Begleitung, denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Transformation nur dann erfolgreich ist, wenn es gelingt das strategische Grundkonzept zu operationalisieren und man es dadurch schafft, dass der einzelne Mitarbeitende sich mit den Neuerungen identifiziert und diese annimmt.
Wald: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Ich wünsche Ihnen viele Erfolge bei den bevorstehenden Projekten.
Schreiber: Vielen Dank für Ihr Interesse und den Austausch!
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