Dienstag, 23. Januar 2024

Entwicklung des Stellenmarkts 2023 - Ganz viel KI, oder doch nicht?

Was passierte 2023 in der Welt der Stellenanzeigen? Ich freue mich, dass ich erneut mit Herrn Jürgen Grenz, dem CEO der index Gruppe mit Sitz in Berlin, über dieses spannende Thema sprechen kann. Unser letztes Gespräch fand im März 2023 statt und drehte sich um seinen digitalen, KI-basierten Outplacement-Service Talent-Placement. Dieses Interview und die Stellendaten der index Gruppe helfen mir oft, in den Lehrveranstaltungen mit meinen Studierenden über aktuelle Entwicklungen am Stellenmarkt und im Recruiting zu diskutieren. 

Wald: Lieber Herr Grenz, bereits an dieser Stelle ganz herzlichen Dank, dass ich Sie erneut für ein Gespräch gewinnen konnte.
Grenz: Ich freue mich über Ihr Interesse.

Wald: Wie ist es Ihnen und Ihrem Unternehmen im letzten Jahr ergangen? Ich bin sehr an Neuigkeiten und Entwicklungen bei der index Gruppe interessiert.
Grenz: Mein 2023 war genauso aufregend wie die Jahre zuvor. Das letzte Jahr markierte einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung meiner Unternehmensgruppe. Gemeinsam mit meinem Co-Geschäftsführer Oliver Saul und dem Stellenmarkt-Experten Hartmut Lüerßen habe ich die index Business Innovation Consulting GmbH gegründet. Das neue Mitglied der index-Familie unterstützt Personaldienstleister durch datenbasierte Lösungen dabei, ihren Umsatz deutlich zu steigern oder ihre Kosten zu senken



















Wald: Wie hat sich der Stellenmarkt im Jahr 2023 quantitativ entwickelt?
Grenz: In unserer Stellenanzeigen-Datenbank index Anzeigendaten haben wir 2023 über 67 Millionen Stellenanzeigen in 13 europäischen Ländern erfasst. Die Entwicklungen am deutschen Stellenmarkt hat meine Personalmarktforschung index Research besonders genau unter die Lupe genommen: 2023 schrieben Unternehmen und öffentliche Einrichtungen deutschlandweit fast 12,1 Millionen Stellen aus. Das entspricht einem Plus von rund 3 Prozent gegenüber 2022 – und ist damit ein deutlich moderaterer Anstieg als in den Jahren 2022 und 2021. In den beiden Corona-Jahren nahm das Stellenangebot im Vergleich zu den Vorjahren prozentual zweistellig zu. Seit Mitte letzten Jahres mussten wir jedoch einen deutlichen Rückgang der Stellenanzeigenschaltung feststellen, alleine im Dezember 2023 um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Wald: Welche Fachkräfte waren letztes Jahr am stärksten nachgefragt?
Grenz: Den öffentlich ausgeschriebenen Jobinseraten nach zu urteilen war der Fachkräftemangel 2023 im Handwerk und Bauwesen am größten. Für diese Zielgruppen schrieben die Betriebe in Deutschland rund 285.000 Stellen und damit mit großem Abstand die meisten Jobs aus. Ebenfalls stark gesucht wurden Büro- und Verwaltungsmitarbeiter, sie konnten sich 2023 auf nahezu 197.000 Positionen bewerben. Auch das Angebot für Stellen im Bereich der Vertriebs- und Verkaufskräfte war mit fast 188.000 Stellen überdurchschnittlich hoch. 

Wald: Gab es auch regionale Unterschiede bei der Anzeigenschaltung?
Grenz: Ja, durchaus. Das größte Stellenangebot gab es – was zu erwarten war – 2023 mit fast 2,4 Millionen Jobs im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, dicht gefolgt vom wirtschaftsstarken Süden. In Bayern konnte sich Jobsuchende auf nahezu 2,1 Millionen und im benachbarten Baden-Württemberg auf rund 1,8 Millionen öffentlich ausgeschriebene Positionen bewerben. Aber auch in Niedersachsen hatten Fachkräfte und Nachwuchskräfte mit 1 Million veröffentlichen Stellen gute Jobchancen.

Wald: Als Professor an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften in Leipzig interessiert mich besonders, wie sich das Stellenangebot im Osten der Republik im letzten Jahr entwickelt hat. Haben Sie auch Daten zu den neuen Bundesländern?
Grenz: Die Wirtschaft im Osten entwickelt sich besonders dynamisch. Die Arbeitslosenquote lag letztes Jahr ausweislich des Online-Portals Statista bei moderaten 7,2 Prozent, rund 2 Prozent mehr als im Westen. 2023 gab es in einigen neuen Bundesländern sogar mehr Stellenangebote als in westdeutschen Flächenländern. Spitzenreiter war – genau wie im Vorjahr – Sachsen mit fast 582.000 öffentlich ausgeschriebenen Stellen. Das waren mehr Jobangebote als in Rheinland-Pfalz (über 518.000 Stellen), Schleswig-Holstein (nahezu 383.000 Stellen) und dem Saarland (fast 100.000 Stellen). Gemessen an der Anzeigenschaltung folgen in Ostdeutschland nach Sachsen Brandenburg mit über 302.000 Stellen, Thüringen mit mehr als 294.000 Stellen und Sachsen-Anhalt mit fast 259.000 Stellen. Mecklenburg-Vorpommern hatte mit etwas mehr als 195.000 Stellen das geringste Jobangebot in den neuen Bundesländern.

Wald: Um es hier weiter herunterzubrechen: Welche Städte waren im letzten Jahr die Job-Hochburgen in der Bundesrepublik?
Grenz: Berlin führt das Städteranking mit großem Abstand an. 2023 belief sich das Jobangebot in der Hauptstadt auf rund 805.000 Stellen. Auf den weiteren Plätzen stehen die Wirtschaftsmetropolen München mit fast 454.000 Positionen und Hamburg mit nahezu 448.000 Positionen. Deutlich abgeschlagen kommen Frankfurt am Main (fast 273.000 Stellen) und Köln (über 256.000 Stellen) auf Rang 4 und 5. Und apropos neue Bundesländer: Leipzig ist mit nahezu 132.000 Stellen als einzige ostdeutsche Stadt in den Top 10 vertreten.

Wald: Das Top-HR-Thema des letzten Jahres war die deutlich zunehmende Nutzung von KI-Lösungen. Lässt sich dies auch an den Anforderungen bei Stellenanzeigen ablesen?
Grenz: In puncto KI hat unsere Personalmarktforschung index Research im letzten Jahr spannende Stellenmarkt-Analysen erstellt, die auch von deutschen Leitmedien aufgegriffen wurden. Ein besonders interessantes Ergebnis: Allein zwischen Januar und April 2023 wurden deutschlandweit fast 44.000 Stellen mit den Begriffen Künstliche Intelligenz / KI / Artificial Intelligence / AI im Titel und Anzeigentext ausgeschrieben. Diese Stellen waren sowohl für KI-Entwickler als auch für Mitarbeiter aus anderen Abteilungen mit KI-Expertise. Rund 18.000 dieser Positionen erforderten einen akademischen Abschluss.

Wald: Werden auch gezielt Experten für generative Intelligenz gesucht?
Grenz: Lösungen wie ChatGPT, die auf generativer Intelligenz basieren, sind aus dem Arbeitsalltag vieler White Collar Worker nicht mehr wegzudenken und werden daher auch in Stellenanzeigen erwähnt. Ein Beispiel sind Kommunikations- und Grafikfachleute, also Fachkräfte in den Bereichen Marketing, PR, Werbung, Design, und Multimedia. Von September 2022 bis November 2023 war das Schlagwort ChatGPT in 668 Stellenanzeigen dieser Berufsgruppe zu finden. Von ihnen wird in der Regel kein tiefgründiges technologisches Know-how erwartet. Sie müssen vielmehr wissen, wie man starke Prompts verfasst, um exzellente Texte und Grafiken zu generieren.

Wald: Welche Rolle spielen KI-Lösungen jenseits des erwähnten Outplacement-Service für die index Gruppe?
Grenz: index war schon immer innovationsgetrieben. KI spielt beispielsweise auch in der Premium-Version unseres Vertriebssystems index Anzeigendaten eine bedeutende Rolle. Wie bereits erwähnt, erfassen wir jährlich europaweit über 67 Millionen Stellenanzeigen. Personaldienstleister und andere HR-Profis finden in unserer Stellenanzeigen-Datenbank passende Stellen für ihre Kandidaten. Bei einer Suche nach dem Begriff „Hausmeister“ in der klassischen semantischen Suche werden nur öffentlich ausgeschriebene Jobinserate für Hausmeister sowie in der zugehörigen statischen Ontologie vorhandene Begriffe angezeigt. Unsere skillbasierte Suche mit KI geht einen ganz neuen Weg: Wir analysieren die Skills, die typischer Weise mit einer Position verbunden sind und zeigen damit auch Stellenanzeigen mit völlig anderen Positionsbezeichnung wie „Facility Manager“ oder mit Schreibfehler im Jobtitel an, die ein entsprechendes Skill-Set erfordern.

Wald: Vielleicht ein abschließender Blick in die Zukunft. Welche Entwicklungen wird das Jahr 2024 bringen?
Grenz: Die bahnbrechenden Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz verändern unsere Arbeitswelt bereits heute in rasantem Tempo. Die Geschwindigkeit wird weiter zunehmen, wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Es werden noch intelligentere Technologien auf den Markt kommen, die einem weitere Routineaufgaben abnehmen, sodass wir uns verstärkt auf strategische Fragen und die Kundenberatung konzentrieren können. Darüber hinaus sehe ich großes Potenzial im Employer Branding. Denn obwohl die Wirtschaft momentan schwächelt, müssen sich Unternehmen aufgrund des demografischen Wandels noch umfassender als attraktiver Arbeitgeber in Szene setzen.

Wald: Wie steht es um Ziele und Vorhaben der index-Gruppe in den nächsten Jahren? Was können Sie meinen Leserinnen und Lesern dazu sagen?
Grenz: Dieses Jahr wird index 30. Das Firmenjubiläum wollen wir mit unseren Mitarbeitenden und Kunden feiern. Wir haben aber auch Großes bei unserer Stellenanzeigen-Datenbank und Vertriebslösung index Anzeigendaten vor. Neben Schnittstellen zu führenden ATS-Systemen wie Zvoove oder Bullhorn werden wir unter anderem bei immer mehr erfassten Stellenanzeigen den kununu-Score des ausschreibenden Unternehmens anzeigen. Unser HR-Marketing-Team plant außerdem, das Beratungsangebot zur Führungskräfteentwicklung weiter auszubauen.

Wald: Ganz herzlichen Glückwunsch zum Firmenjubiläum und vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich wünsche Ihnen und der index Gruppe ein erfolgreiches Jahr 2024.
Grenz: Ihnen ebenfalls alles Gute.

Mein Interviewpartner Jürgen Grenz ist CEO der index Gruppe, die 1994 gegründet wurde und heute rund 190 Mitarbeiter beschäftigt. index berät als Spezialist für HR-Marketing, Personalmarktforschung, Karriereportale und Outplacement Unternehmen, Personaldienstleister, öffentliche Einrichtungen und Verbände zu Personalthemen. Mit index Anzeigendaten ist seine Unternehmensgruppe europäischer Marktführer in der Stellenmarkt-Auswertung. 2023 gründete Jürgen Grenz gemeinsam mit Hartmut Lüerßen und Oliver Saul die index Business Innovation Consulting, die Personaldienstleister mit Smart Data unterstützt.

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