Mein Gesprächspartner Christoph Athanas |
Christoph: Hallo Peter, schön wieder mit von der Partie zu sein beim HR Innovation Day. Die letzten Monate vergingen gefühlt wie im Flug. Es gab und gibt enorm viel Arbeit für mich und meta HR. Bei uns fragen vor allem Recruiting-Abteilungen aus dem Mittelstand nach, die sich eine konkrete Unterstützung bei der Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit wünschen. Außerdem arbeiten wir auch an strategischen Employer Branding Projekten. Alles sehr spannende Aufgaben. Nicht zuletzt habe ich ja auch noch mit Dir an Artikeln über unsere letzte Studie, die Recruiter Experience Studie, geschrieben. Zum Beispiel unser Artikel in der „Wirtschaftspsychologie aktuell“ zu Beginn dieses Jahres.
Peter: Das Motto des diesjährigen HR Innovation Days ist „Mit HR Unternehmen in Bewegung bringen“ – wie gelingt dies aus Deiner Sicht mit dem Recruiting?
Christoph: Das gelingt im Zweifel ziemlich gut über den „Hebel“ Recruiting, wenn diese Aufgabe als Unternehmensaufgabe verstanden wird und nicht mehr als reiner Service einer HR-Abteilung. Ich sage immer gern „Recruiting ist Teamsport“. Allerdings besteht das Team dann eben nicht mehr nur aus HR-Playern, sondern hat eine Reihe andere Funktionen und Bereiche an Bord. Angefangen bei Geschäftsführungen, die Recruiting ganz nach oben auf die Agenda setzen, über die aktiv einbezogenen und selber agierenden Fachbereiche (Co-Recruiting, Arbeitgeberbotschafter-Funktion, Mitarbeiterempfehlungen) bis hin natürlich zu den wichtigen Partnern der Recruiting-Teams, nämlich dem Corporate Marketing und der IT. Wenn Recruiting so agiert, ist es ein echter Change-Trigger. Dann kann es viel in Unternehmen bewegen und schöne Erfolge bringen.
Peter: Wie ist Deine Einschätzung? Hat Recruiting mittlerweile den entsprechenden Stellenwert in den Unternehmen oder besser gesagt die nötige Unterstützung durch Geschäftsführungen und Fachbereiche?
Christoph: Teils-teils. Wir nehmen immer noch eine gewisse Lücke wahr zwischen der Behauptung, dass Recruiting wichtig ist und dem entsprechenden Handeln, bspw. dem Bereitstellen von Budgets und Manpower dafür. Da wird oft noch mehr davon gesprochen wie wichtig Recruiting ja sei, aber die konsequenten Handlungen lassen auf sich warten. Doch es wird besser. Leider bei 90% der Unternehmen aus Gründen gesteigerter Schmerzen, d.h. sie bekommen einfach immer weniger Stellen besetzt. Da aber wo gehandelt wird, nehme ich Geschäftsführungen mittlerweile als sehr interessiert und Recruiting-affin wahr. Bei den Fachbereichen in Teilen auch. Hier hängt es oft mit dem vorherrschenden Mindset der jeweiligen Fachführungskraft zusammen und inwieweit der Recruitingprozess die Fachabteilungen aktiv fordert.
Peter: Auch wenn ich vielleicht an dieser Stelle bereits nach Inhalten Deiner Keynote frage, welche Recruiting-Innovationen hältst Du für besonders wichtig?
Christoph: Vielleicht ist meine Antwort ja ein wenig enttäuschend, aber ich sehe das eher weniger unter dem Innovations-Blickwinkel. Soll nicht heißen, dass es nicht tolle Innovationen in der Personalsuche und -auswahl gäbe. Allerdings ist Stand heute bezogen auf die Masse der Arbeitgeber meist gar keine große Recruiting-Innovation nötig, sondern es muss vielmehr der Anschluss an zeitgemäßes Handeln im Recruiting hergestellt werden. Klassiker dafür sind ein kandidatenorientiertes und auch sonst User-freundliches Bewerbermanagement-System oder ein funktionales Recruiting-Controlling. Beides nicht unbedingt große Innovationsthemen aber enorm wichtig. Wer seine Prozesse nicht im Griff hat und halbwegs transparent gemacht bekommt was wann wie im eigenen Recruiting-Funnel passiert braucht sich wenig Gedanken machen über Sprachanalyse, KI oder Chatbots usw. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich selbst bin großer Innovationsfan. Aber in unserer praktischen Beratungsarbeit drehen sich die meisten Themen eher nicht um die allerneusten Recruiting-Techs. Das kann alles kommen, aber das Fundament muss erstmal stimmen. Damit ich das hier aber nicht ganz so fantasielos beantworte möchte ich noch etwas hinzufügen: In Innovationen wie Performance-Marketing für Jobs, CV-Parsing oder Cultural-Fit-Matching sehe ich wichtig und nützliche Elemente. Selbstredend immer aufbauend auf zunächst vorhandenen guten Recruiting-Basics.
Peter: Da dies auch Thema in meinen Vorlesungen ist hier eine Frage nach dem Stand der Nutzung von Maßnahmen des Recruiting-Controllings. Wie sieht es damit aus?
Christoph: Wie geäußert, ist das oft noch eine Baustelle. Die wichtigsten Recruiting-Kennzahlen sind mittlerweile recht gut bekannt, bspw. Time-to-hire etc. Aber wenn wir in unseren Beratungsprojekten konkret nach Zahlen fragen, gibt es oft noch Lücken. Oft sind die Daten prinzipiell vorhanden, aber da sie teilweise aus verschiedenen Quellen bzw. Systemen stammen, werden sie nicht oder nur in Teilen zusammengeführt. Selbst da, wo Controlling-Daten vorhanden sind, wird oft nicht wirklich damit gearbeitet. Das gern verwendete Kürzel KPI steht bekanntermaßen für Key Performance Indicator. Doch wenn der KPI keine steuernden Aussagen macht, z.B. wenn ich einen definierten Grenzwert überschritten habe, dann ist es de facto kein KPI. Dann ist es nur ein weiterer Datensatz, der geduldige Reports füllt. Davon gibt es im Recruiting zu viele, echte KPI zu wenige.
Peter: Beim letzten HR Innovation Day hast Du einen Workshop zum Themenbereich „Cultural Fit“ angeboten. Für mich ist „Cultural Fit“ neben dem gewohnten „Professional Fit“ zunehmend wichtiger, gerade um den kulturellen Herausforderungen der nächsten Zeit besser zu begegnen. Gehen die Unternehmen bzw. die Recruiter hier gezielter als bislang vor?
Christoph: Auch hier nehme ich ein zunehmendes Bewusstsein wahr. Das Thema Cultural Fit findet immer mehr seinen Weg auf die To-Do-Listen der Recruiting-Teams. Dabei fangen viele ja gar nicht bei null an, sondern hinterfragen ihr Vorgehen im Rahmen der allgemeinen Weiterentwicklung des Recruitings ihres Unternehmens. HR-Teams wollen in Sachen Cultural Fit meist entweder ihre Interview-Kompetenz in Bezug auf dieses Thema verbessern oder den Cultural Fit ihrer Kandidaten mittels eines spezialisierten Tests bestimmen können. Wir registrieren auch hierzu mehr Anfragen, gerade auch für unser Tool, den Cultural Fit Evalueator, der in beiden Anwendungsfällen weiterhelfen kann.
Wald: Die wichtigste Frage zum Schluss. Warum kommst Du erneut zum HR Innovation Day?
Christoph: Seit Jahren ist der HR Innovation Day ein inhaltlich anregendes und zwischenmenschlich angenehmes Event. Aus meiner Sicht ein Top-Termin für die HR-Szene. Ich bin deshalb immer gern dabei und freue mich wieder etwas beitragen zu können. Ich danke Dir für die Organisation dieser - für meinen Kalender - Pflicht-Veranstaltung!
Wald: Ich danke Dir, lieber Christoph, herzlich für die erneute Unterstützung meines Babys – des HR Innovation Days.
Mein Interviewpartner Christoph Athanas, ist Geschäftsführer der meta HR GmbH - einer Unternehmensberatung für Personalfragen, die sich auf Recruiting-Optimierung sowie auf die Themen Employer Branding/ Arbeitgeberattraktivität und Cultural Fit spezialisiert hat. Christoph Athanas ist Co-Autor der Studien „Candidate Experience“ (2014), „Candidate Journey“ (2017) und “Recruiter Experience” (2018). Er ist einer der zwei Gründerväter der bekannten HR BarCamps – einem innovativen, nicht-kommerziellen Veranstaltungsformat für HR Professionals. In Sachen Cultural Fit hat meta HR die erste deutschsprachige Studie zu diesem Thema vorgelegt. Darüber und über andere HR-Trendthemen schreibt Christoph Athanas in seinem lesenswerten meta HR Blog.
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