Freitag, 26. März 2021

Wie können Unternehmen und Personaldienstleister bei der Besetzung von Stellen besser kooperieren? Plattform Crowdsourcing mit OpenVendor

HR Startups gilt seit jeher meine große Aufmerksamkeit und ich hatte auch bereits viele Vertreter*innen von Startups als Interviewgäste in meinem Blog oder als Inputgeber beim HR Innovation Day. Hier erinnere mich gern und mit etwas Stolz an Gespräche mit firstbird, JobUFO, Loopline, mindancemobilejobs, staffbaseTalentwunder, truffls, Whyapply und natürlich auch mein Gespräch mit Hanno Renner von personio - dem einzigen Einhorn in meiner Gesprächsrunde. Heute spreche ich mit den Gründern eines HR Startups aus Dresden, dass in der Gründerschmiede meiner „alten“ Hochschule - der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden - entstanden ist. OpenVendor ist ein Startup, das Services in einem besonderen Bereich des Recruitings anbietet. Für das Gespräch stehen mir die beiden Gründer - Otto Maurer und Stefan Titze - zur Verfügung.

Wald: Schön, dass es mit diesem Gespräch klappt und dass ich damit zumindest gedanklich wieder an meiner alten Hochschule verweilen kann.
Titze: Wir freuen uns auch und sind sehr dankbar über den Austausch mit Ihnen als bekannter Influencer des HR-Managements. 

Wald: Meine Leser*innen wollen natürlich auch wissen, wer hinter „OpenVendor“ steht. Könnten Sie sich und Ihren Mitgründer kurz vorstellen?
Maurer: Sehr gern. Wie schon erwähnt, bin ich – Otto Maurer – einer der beiden Gründer und Geschäftsführer von OpenVendor. Nach einem abgebrochenen BWL-Studium und einem klassischen Angestelltenverhältnis habe ich über mehrere Jahre die Höhen und Tiefen der Selbstständigkeit genossen, bevor ich über Umwege bei einem Personaldienstleister Fuß gefasst habe. Angefangen als HR-Assistent habe ich mich immer weiter in die Thematik eingearbeitet und Stück für Stück mehr Verantwortung übernommen. Am Ende hatte ich die Möglichkeit, einen neuen Standort in München mit aufzubauen und anschließend als Senior Sales Manager neue Unternehmen zu akquirieren. Über die Jahre bin ich immer wieder über Hürden im Recruiting gestolpert, für die es in anderen Branchen bereits etablierte digitale Lösungen gibt. Die Affinität, mich selbst zu verwirklichen hat jedoch nie nachgelassen, sodass sich mein “Gedankenrad” immer wieder angefangen hat zu drehen und mir neue Ideen in den Sinn kamen. Als ich Stefan als Werkstudent kennenlernte, merkte ich sofort, dass er ebenfalls jemand war, der in der Lage ist, bestehende Prozesse zu hinterfragen und nach Lösungen zu suchen. Aus den daraus folgenden Gesprächen entstand eine Idee, die wir jetzt mit Vollgas umsetzen.

Titze: Ich bin Stefan, 31 Jahre alt und Ich komme ursprünglich aus Weimar in Thüringen.  Nach meiner Ausbildung zum Fluggerätmechaniker habe ich mich bewusst gegen die Werkbank und Triebwerksrotoren und für ein Wirtschaftsingenieur-Studium an der HTW Dresden entschieden. Im Studium habe ich relativ schnell meine Begeisterung für kreative und innovative Ansätze gefunden. Brainstorming wurde in nahezu jeder Entscheidungsfindung mit hinzugezogen. In meinem Auslandssemester spezialisierte ich mich daher auch auf die Module „Innovation Management“ und „Entrepreneurship“. Schlussendlich schrieb ich bei dem Personaldienstleister ARTS meine Masterthesis über die Möglichkeiten des „Lean Process Management“ im HR. Dabei lernte ich Otto kennen, mit dem (natürlich ganz klassisch über Brainstorming) die Geschäftsidee entstand. Zwei Jahre später haben wir OpenVendor in Dresden gegründet und sitzen nun im Interview mit Ihnen. ☺   

Wald: Ich teile Ihre Einschätzung, dass der Stand der Digitalisierung in den Personalbereichen noch „ausbaufähig“ ist. Wie können Sie hier mit Ihren Leistungen für Veränderung sorgen?
Maurer: In meiner täglichen Arbeit als Sales Manager ist mir besonders aufgefallen, dass die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Personaldienstleister für beide Seiten immer noch sehr aufwendig, langsam und intransparent ist. Es werden unnötig viele Ressourcen in Form von Zeit und Geld verschwendet, was mit den technischen Möglichkeiten im Jahre 2021 nicht mehr sein muss und darf
Titze: HR-Manager haben zudem in der Praxis viele verschiedene Aufgaben abzuarbeiten, die sie sehr oft noch analog erledigen. Nicht wenige Unternehmen verwalten ihre Bewerbungen noch mit selbst erstellen Excel-Tabellen und führen Personalakten im klassischen Leitz-Ordner. Die Entscheidung, ein Bewerbermanagement-Tool zu nutzen, wird oft durch die Fülle an Angeboten auf dem Markt erschwert, was letztendlich die Umsetzung und Implementierung sehr komplex und teuer macht. Natürlich existieren bereits diverse Lösungen zur Digitalisierung, aber davon kommen nicht automatisch mehr Kandidaten in den Pool. Das Modell “Post & Pray”, also eine Stelle bei Stepstone & Co für viel Geld zu schalten und dann abzuwarten, bis Bewerbungen reinflattern, funktioniert nur noch in den seltensten Fällen. Active Sourcing ist eine mögliche Alternative, um offen Stellen doch noch zu besetzen. Hier handelt es sich jedoch um einen völlig andere Kompetenz, die erst umfangreich erlernt werden sollte (gutes Active Sourcing will gelernt sein). ☺
Bei dieser Problematik setzen wir mit OpenVendor an, indem wir die Nachfrage und das bestehende Angebot zusammenbringen und es Unternehmen und Personaldienstleistern auf einfachstem Wege ermöglichen, ihre externe Personalbeschaffungen bzw. -vermittlungen auf einer Plattform zu zentralisieren und abzuwickeln. 

Wald: Sie stellen dar, dass OpenVendor die erste digitale HR-Lösung ist, die Personaldienstleister und Unternehmen auf einer gemeinsamen Plattform bündelt und gleichzeitig deren Kommunikation und Prozesse vereinfacht abbildet. Wie ist dies zu verstehen? Könnten Sie dies bitte etwas näher erläutern?

Maurer: Während HR-Manager erfolgreich darin sind, die richtigen Kandidaten genau passend für ihr Unternehmen herauszustellen, haben Personaldienstleister und Headhunter ihre Expertise darin, eine Vielzahl an potenziellen Kandidaten über ihr Netzwerk zu erreichen. Wir haben uns mit OpenVendor zur Aufgabe gemacht, die Kommunikationslücke für eine einfache und effiziente Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien zu schließen. Dafür haben wir den Personalbeschaffungsprozess zwischen Unternehmen und Personaldienstleister digital abgebildet und so viele Prozessschritte wie möglich automatisiert (und das sind einige). Dazu zählen die Streuung der Stellenausschreibungen an alle Personaldienstleister und Headhunter, die Analyse und das Matching eingehender Bewerber, das transparente Tracking der Kandidaten als auch die abschließende Vertrags- und Provisionsabwicklung. Am Ende stand ein schlanker Prozess, der die zentralen Aufwände vereinfacht.

Wald: Sie schreiben, dass die folgenden Tools bei Ihnen angewandt werden: Plattform-Crowdsourcing, Lean Process Management, Matching Algorithmus, Data Analytics,  virtuelles ATS und Web-Konferenzen. Dies klingt sehr umfassend. Mich interessiert hier vor allem das Plattform-Crowdsourcing und der Matching Algorithmus. Wie kann ich mir hier die Umsetzung vorstellen?
Titze: Plattform-Crowdsourcing ermöglicht es, zwei Interessensgruppen zentralisiert auf einer digitalen Plattform zu bündeln und somit über die Reichweite ein vielseitiges Angebot bieten zu können. Bestes Beispiele ist hier Amazon, AirBnB oder Uber. Im B2B-Recruiting bedeutet das, dass Unternehmen unkompliziert ihre offenen Vakanzen einer Vielzahl an Dienstleistern aufzeigen können und sich nicht mehr nur auf maximal zwei bis drei festlegen müssen. Personaldienstleister haben andererseits nicht mehr die Notwendigkeit der lästigen Kaltakquise, um Neukunden zu gewinnen sondern haben gebündelt alle offenen Stellen, auf die sie ohne Aufwand ihre passenden Kandidaten vorschlagen können.
Maurer: Gerade im B2B-Recruiting können wir den Effekt des Crowdsourcings ausreizen, da wir nicht nur die zwei Interessengruppen an einem Ort bündeln, sondern jeder Dienstleister auch noch sein eigenes Netzwerk an potenziellen Kandidaten mitbringt. Das heißt, mit einer Stellenausschreibung kann ein Großteil der aktiv suchenden Kandidaten am Markt erreicht werden, was die Wahrscheinlichkeit einer passgenauen Stellenbesetzung deutlich erhöht.
     
Wald: Trotzdem bleibt das Problem, dass von einer Vielzahl an Dienstleistern potenzielle Kandidaten empfohlen werden und einem die Anzahl an Bewerbungen allein in der Vorauswahl zeitlich erschlägt.
Titze: Richtig! Und genau hier kommt unser Matching-Algorithmus ins Spiel. Im Vergleich zu vielen anderen Anbietern nutzen wir KI nicht nur als Buzzword und Worthülse, sondern nutzen tatsächlich funktionierende und intelligente Algorithmen unseres Kooperationspartners. Diese wurden bereits in den letzten Jahren durch die Analyse von Millionen Stellen- und Bewerberdaten angelernt. Dabei wird von jedem Kandidaten anhand der Informationen aus dem Lebenslauf ein umfangreiches Kompetenzprofil erstellt und dies mit den Stellenanforderungen abgeglichen. Und das alles innerhalb kürzester Zeit. Die Ergebnisse erhält der HR-Manager grafisch aufbereitet, um die errechnete Passgenauigkeit zu begründen. Fehlen bestimmte Informationen im Lebenslauf, werden diese Lücken vom Algorithmus nicht einfach übergangen, sondern in Form von Fragen für das Bewerbungsgespräch zur Verfügung gestellt. 
Maurer: Ich möchte hier aber noch einmal betonen, dass es uns mit dem Einsatz der Matching-Algorithmen nicht darum geht, Recruiter-Entscheidungen komplett abzunehmen. Wir möchten unseren Nutzern eine Art Empfehlungsmanagement in der Kandidatenvorauswahl an die Hand geben, welches die Bewerbungen innerhalb weniger Sekunden völlig neutral und vorurteilsfrei bewertet und als digitaler Berater unterstützt.
 
Wald: Dies klingt interessant. Aber trotzdem nochmals gefragt. Was ist das Besondere an OpenVendor? Warum sollten Personalabteilungen und Personaldienstleister letztlich mit Ihnen zusammenarbeiten?
Titze: Bisher nutzen Unternehmen nur einzelne Personaldienstleister oder Headhunter, da der administrative Aufwand exponentiell steigt, je mehr externe Dienstleister gleichzeitig beauftragt werden. Dies ändert sich jetzt. Mit wenigen Klicks werden die offenen Vakanzen auf der Plattform veröffentlicht und schon haben Unternehmen die Möglichkeit, einen Großteil der aktiven Kandidaten am Markt über Vielzahl an Dienstleistern zu erreichen. Das Matching nimmt den ansonsten nicht händelbaren Aufwand, aus der Menge an Bewerbern die passenden Kandidaten zu erhalten.
Maurer: Personaldienstleister haben den großen Vorteil, dass sie schnell und unkompliziert ihre Bewerber vorschlagen können und immer genau wissen, wo sie sich im Bewerbungsprozess befinden. Für die nötige Transparenz sorgt ein Kanban Board, dass die Stellen und Kandidaten trackt und  in jedem einzelnen Prozessschritt übersichtlich abbildet. Aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass beide Seiten froh darüber sind, nicht ständig den Telefonhörer in die Hand nehmen zu müssen.   

Wald: Unter OpenVendor kann ich also eine offene Plattform für Personalvermittlung verstehen. Somit ist die Lösung uninteressant für Unternehmen, die in der Zusammenarbeit mit ihren Dienstleistern zufrieden sind und nur mit denen kooperieren wollen?      
Maurer: Den Gedankengang hatten wir zunächst auch, sind dann aber schnell zum Entschluss gekommen, dass wir OpenVendor auch gleichermaßen als internes Kommunikations-Tool anbieten können. Die Vorteile in der vereinfachten Kommunikation und Koordination können schließlich auch mit bestehenden Dienstleistern genutzt werden, ohne erneut in Verhandlungen gehen zu müssen. Anstelle der standardisierten Vermittlungsprovision in Höhe von 25 Prozent werden, falls gewünscht, die bestehenden Rahmenvertragsbedingungen und vereinbarten Konditionen im System hinterlegt. Im Gegenzug erlassen wir den Dienstleistern die Vermittlungsgebühr, die bei erfolgreichem Placement eines Kandidaten an OpenVendor zu entrichten ist.
Titze: Nichtsdestotrotz haben alle Dienstleister in unserer OpenVendor-Community die Chance, Kandidaten auf die Stelle vorzuschlagen. Eine Art “Backup” für die Unternehmen, falls bei den bestehenden Dienstleistern kein passender Kandidat vorgeschlagen werden kann. Der Fokus liegt weiter auf der Passgenauigkeit des Kandidaten. Die Entscheidung, welche Bewerber im Interview kennengelernt und eingestellt werden, liegt schlussendlich beim Unternehmen.

Wald: Dies klingt alles sehr interessant und ambitioniert. Wie werden Sie in den nächsten Monaten die Kunden von Ihren Leistungen überzeugen? 
Titze: Wir agieren im B2B-Umfeld und setzen neben dem Direktvertrieb, auf die Reichweite von Online-Kanälen. Dafür werden wir LinkedIn (und XING) als aktives Netzwerk zur Kundengewinnung nutzen. Als weiteres wichtiges Standbein sehen wir Kooperationen mit Business- & HR-Netzwerken, um potenzielle Nutzer unserer Lösung zu erreichen. Auch wenn wir durch die bestehenden Netzwerke der Personaldienstleister kein (für Plattformen typisches) „Henne-Ei-Problem“ lösen müssen, so wollen wir trotzdem schnell in der Userzahl wachsen, um die Geschwindigkeit und Qualität in der Stellenbesetzung weiter zu erhöhen.
Maurer: Wir sind derzeit in der Beta-Phase und planen im April den Markteintritt. Dabei ist es uns sehr wichtig, gemeinsam mit unseren Kunden die Plattform stetig weiterzuentwickeln. So können wir unseren Service kundenorientiert weiterentwickeln, die Usability optimieren und uns langfristig in der Branche als Lösungsanbieter zu etablieren. Hierfür sind auf der Suche nach kreativer Unterstützung im UX/UI. (Haben Sie ggf. einen kreativen UX/UI Designer in Ihrem Netzwerk?☺)   

Wald: Ganz herzlichen Dank für die interessanten Einblicke.
Maurer/Titze: Wir haben auch zu Danken! Für das Gespräch und für den tollen Support, den Sie jungen Startups wie uns bieten und mit Ihrer Plattform zur Verfügung stellen! 

Zu meinen Gesprächspartnern: Stefan Titze ist Absolvent des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der HTW Dresden und Otto Mauer bringt mehrjährige Branchenerfahrung aus dem HR- und Recruiting Bereich mit. Beide stammen aus Dresden. 

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